Warum ist die Einbeziehung geschlechtergeschichtlicher Fragestellungen
wichtig für eine Geschichte der Bundesrepublik? Das vorliegende Heft
kann diese Frage natürlich weder erschöpfend behandeln noch abschließend
beantworten. Stattdessen haben wir versucht, thematische und methodische
Möglichkeiten aufzuzeigen, mit denen das große Forschungsfeld der
Zeitgeschichte für geschlechtergeschichtliche Fragestellungen geöffnet
werden kann. Vor allem an den ausgedehnten Debatten über die
Geschlechterordnung im Untersuchungszeitraum kann abgelesen werden, dass
das Geschlecht auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine
wichtige, wenn auch umstrittene Kategorie gesellschaftlicher
Ordnungsvorstellungen darstellte. Dabei bedeutete dieses Sprechen
keineswegs notwendigerweise einen tatsächlichen grundlegenden Wandel. Es
mochte einen Legitimationsverlust tradierter Ordnungsvorstellungen oder
deren Irritation signalisieren; bezieht man aber konkrete
gesellschaftliche Praktiken mit ein, zeigt sich allzu oft, dass gerade
das Reden über die Geschlechterordnung eher einem zeitgenössisch
diagnostizierten Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlicher Norm
und ihrer Praxis entsprang. Ob und wie sich dieses Spannungsverhältnis
auflöste, lässt sich nur von Fall zu Fall untersuchen. Für eine frauen-
und geschlechtergeschichtlich gewendete Zeitgeschichte stellt sich damit
das Problem, dass das Koordinatensystem ihrer Analyse sich nicht so ohne
weiteres unter die gängigen Interpretamente der Zeitgeschichtsforschung
subsumieren lässt. Mit einer Ergänzung oder Korrektur dieser
Erzählweisen ist es häufig nicht getan, stattdessen müssen neue Modi des
Erzählens gefunden werden. Ausführliches Editorial als PDF.
Das Heft kann über die Homepage des Archivs der deutschen Frauenbewegung
bestellt werden: http://www.addf-kassel.de/shop/shop-kategorien/categories/ariadne/products/ariadne-70/
INHALTSVERZEICHNIS
Azziza B. Malanda:
Weiß werden - Weiß sein - Weiß bleiben. Zur Konstruktion von Weißsein am
Beispiel der Mütter Schwarzer deutscher Kinder in der frühen
Bundesrepublik
S. 10-17
Monique Miggelbrink:
Kühlschrank, Serviertablett, Couchecke, Fernsehmöbel.
Geschlechtsspezifische Verbindungen zwischen Akteuren des Wohnensin
Westdeutschland um 1950
S. 18-25
Karin Schützeichel:
»Langhaarige Festival-Anhänger« und »Rocker in furchterregendem Aufzug«.
Jugendliche Männlichkeitsentwürfe zu Beginn der 1970er Jahre und ihre
Repräsentation auf Pop- und Rockfestivals
S. 26-33
Berit Schallner:
Widerspenstige Wissenschaft. Zur Frühgeschichte der historischen
Frauenforschung (1973-1978)
S. 34-41
Dokumentation:
Arbeitsmaterialien für das 4. Historikerinnentreffen, Berlin, 23.-25.
März 1983
S. 42-43
Christopher Neumaier:
Hohe Wertschätzung, geringe Verbreitung. Der 'neue Vater' in
Westdeutschland während der 1970er und 1980er Jahre
S. 44-51
Mareen Heying:
Hurenbewegungen und ihr Verhältnis zu Frauenbewegungen. Sichtweisen
deutscher und italienischer Prostituiertengruppen in den 1980er und
1990er Jahre
S. 52-59
Dokumentation:
Heilige und Huren
S. 60
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ARIADNE. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Kassel. ISBN
978-3-926068-24-8; ISSN 0178-1073
Ansprechpartnerin Publikationen:
Laura Schibbe <schibbe@addf-kassel.de>
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