Nachricht | Geschichte - Deutsche / Europäische Geschichte - GK Geschichte ArbeiterInnenselbstverwaltung? Normalität und Aufbruch im Arbeitsalltag der Belegschaftseigenen Glashütte Süßmuth

Im März 1970 übernahm zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Belegschaft ihren Betrieb in eigene Verantwortung.

Christiane Mende berichtet über ihre Forschung zu einem von der Belegschaft übernommen Betrieb: Im März 1970 übernahm zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Belegschaft ihren Betrieb in eigene Verantwortung. Angesichts des drohenden Verlusts ihrer Arbeitsplätze fanden die Beschäftigten damit eine kollektive Antwort, wie sie im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts auch in anderen Industriegesellschaften Westeuropas, allen voran in Italien, Spanien und Frankreich, zu beobachten war.

Die nun beginnende Selbstverwaltung der Glashütte Süßmuth in der nordhessischen Kleinstadt Immenhausen wurde zum Politikum. Während sozial-liberale Kreise von einem "in die Zukunft weisende[m] Modell" erweiterter Mitbestimmung sprachen, so mancher Unternehmer darin erste Anzeichen einer "sozialistischen Machtergreifung" befürchtete, begrüßten andere hingegen die "rote Hütte". So unterschiedlich die politischen Deutungen dieses Ereignisses ausfielen, so einig waren sie sich jedoch in einem Punkt: Es waren die Arbeiter, nicht die Arbeiterinnen, die hier als Akteure im Fokus standen. Die erfolgreiche Betriebsübernahme nach monatelangen Auseinandersetzungen mit dem alten Eigentümer und Glaskünstler Richard Süßmuth sowie die vielfältigen, zunehmend radikaleren Proteste im Vorfeld wurden in der Berichterstattung auf eine Gruppe ausschließlich männlicher Facharbeiter zurückgeführt. Und tatsächlich waren es vor allem die gewerkschaftlich aktiven Glasmacher, welche als die größte und mächtigste Beschäftigtengruppe innerhalb des Unternehmens einer interessierten Öffentlichkeit sehr selbstbewusst und kämpferisch gegenüber traten. Dass die knapp 270-köpfige Belegschaft der Glashütte Süßmuth zu einem Drittel aus Frauen bestand, war dagegen höchstens eine Randbemerkung wert. Eine oberflächliche Betrachtung schien zudem auch sehr schnell zu bestätigen, dass diese Arbeiterinnen sowohl in der Zeit der Übernahme als auch während der Selbstverwaltung keine große Rolle spielten. In den verschiedenen neu gegründeten Gremien, in welchen nun die unternehmerischen Entscheidungen beraten wurden, befand sich unter den gewählten Belegschaftsvertretern keine einzige Frau.

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