Die von der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte herausgegebene Schweizerische Zeitschrift für Geschichte (SZG) hat schon im Herbst 2007 ein Schwerpunktheft zur Geschichte der neuen Frauenbewegung publiziert. Es ist bemerkenswert, dass sich die im laufenden Jahr immerhin schon im 58. Jahrgang erscheinende SZG diesem Thema widmet. In Deutschland haben sich die etablierten Geschichtszeitschriften bislang dem Thema „Geschichte der sozialen Bewegungen“ noch gar nicht genähert, es ist ein relatives, wenn nicht absolutes Randthema. Man stelle sich nur vor, die Geschichte und Gesellschaft würde ein Heft zur Geschichte der Grünen oder der Friedensbewegung publizieren! In der Schweiz dagegen scheint es darüberhinaus üblich zu sein, jungen HistorikerInnen, die eben erst ihren akademischen Abschluss gemacht haben, Raum in Publikationen zu geben und ihre Arbeiten als – leider unveröffentlichte - Quellen zu zitieren.
Das vorliegende Heft enthält neben dem Vorwort von Kristina Schulz, die auch die Redaktion besorgte, sechs Artikel, sowie ein Interview. Zwei der Artikel sind in französischer Sprache und behandeln die Frauenbewegung im Tessin beziehungsweise in Genf.
Barbara Kunz berichtet über die FBB, die Frauenbefreiungsbewegung in Zürich. Die meisten Frauen der FBB begriffen sich auch als Teil der Neuen Linken. Der Artikel basiert auf der Magisterarbeit der Autorin, diese Abschlussarbeit wiederum wurde mit Methoden der Oral History erstellt. Ein weiterer Artikel und das Interview behandeln Fragen der Überlieferungsbildung und der Situation der Archive: Anita Ulrich, die Chefin des Schweizerischen Sozialarchiv, beklagt die Zufälligkeiten der Überlieferungsbildung, vor allem zur zweiten Frauenbewegung. Insgesamt seien die Quellenbestände aber ganz gut und auch ausreichend gesichert. Man möchte ergänzen: Dies dürfte nicht zuletzt auch an außerinstitutionellen Archiven liegen, wie etwa den im Netzwerk Frauenarchive Schweiz zusammengeschlossenen. Diese Archive sammeln Material und geben dieses dann, wenn sie auflösen, was gelegentlich vorkommt, an staatliche oder halbstaatliche Archive weiter. Nicht Teil des Netzwerkes Frauenarchive Schweiz ist die private Gosteli-Stiftung, ein Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung, das seit Anfang der 1980er Jahre einschlägiges Material sammelt. Kristina Schulz debattiert mit Marthe Gosteli vom gleichnamigen Archiv und mit Peter Moser vom virtuellen Archiv für Agrargeschichte die Situation und die Probleme solcher Archive.
Schulz gibt in ihrem Beitrag, dem überraschend am Schluss platzierten Hauptartikel des Heftes, einen soliden Überblick zu Frauenbewegungen in Europa: Diese prägten ein Selbstverständnis aus, das Geschlecht als zentrale Kategorie der Vergemeinschaftung ansah. Schulz stellt ideengeschichtlich die verschiedenen theoretischen Stränge vor, die sich nach „1968“ entwickelten, beschreibt die Aktionsformen, und versucht die Folgen zu benennen.
Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, H. 3/2007 - Neue Frauenbewegung in der Schweiz / Nouveau mouvement des femmes en Suisse, ca 150 S., ca 30 SFr.