Pressemeldung | Nicht erst im gelobten Land

Rosa Luxemburgs Vermächtnis (Neues Deutschland, 4./5.3.2006)

An Rosa Luxemburg ist vieles umstritten, selbst ihr Geburtsdatum. Gewöhnlich wird es mit dem 5. März 1871 angegeben.

Der Weg der kleinen Frau aus Ostpolen war mit Niederlagen gepflastert; ein Rosenmontagsbeschluss, der in dieser Woche der bonapartistischen Herrschaft in einem nachrevolutionären Karibikstaat nahezu rückhaltslos einen sozialistischen Charakter attestierte, hat postum eine weitere hinzugefügt.

Ohne die Große Französische Revolution, die die politischen Menschenrechte nach Europa gebracht hatte, ist Rosa Luxemburg nicht zu verstehen. Für sie bedeutete Sozialismus Demokratie und Menschenrechte. Zwischen Rosa Luxemburg und Lenin sowie seinen Anhängern verläuft an diesem Punkte, bis zum heutigen, Tage die Trennlinie. Rosa Luxemburg wollte die politischen Menschenrechte um die sozialen Menschrechte erweitern: »Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, an Stelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. Sozialistische Demokratie beginnt … nicht erst im gelobten Lande …, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk, das inzwischen treu die Handvoll sozialistischer Diktatoren unterstützt hat.«

Lenin hingegen war im Interesse der Macht bereit, notfalls und mindestens zeitweise auf die bedingungslose Gewährung politischer Menschenrechte zu verzichten, wenn er dafür die sozialen Menschrechte einführen konnte. Dieses System erwies sich letztlich nicht als dauerhaft lebensfähig; die Reform, es im letzten Moment doch noch durch die Gewährung politischer Menschenrechte zu retten, kam zu spät.

Der Revolutionärin Rosa Luxemburg war es selbstverständlich, solidarisch zur russischen Revolution zu stehen. Doch Solidarität ohne Kritik, ohne Kritik an der Politik von Lenin und Trotzki, galt ihr als Feigheit –vor dem Freund.


Der Autor ist Herausgeber einer demnächst erscheinenden  Schrift für junge Leser: »Rosa Luxemburg oder: Der Preis der Freiheit« (Karl Dietz), 112 Seiten, 6,90 Euro