Vorbei sind die Zeiten, in denen zum Internationalen Frauentag wütende und mehlwerfende Frauen durch Berlins Straßen zogen. Um die feministische Bewegung ist es ruhig geworden, obwohl die vollständige Gleichstellung von Frauen noch lange nicht erreicht ist.
Statistiken über die Einkünfte von Frauen und Männern sind nur ein Beweis für die bestehende Ungleichheit. Weltweit machen Frauen zwei Drittel der Arbeit und bekommen ein Zehntel des Lohns. In Deutschland sind vor allem Frauen von den Folgen der Arbeitsmarktreformen betroffen. So werden sie aus regulären Beschäftigungen in Mini-Jobs gedrängt.
Silke Veth, Referentin für Geschlechterverhältnisse bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, formuliert drastisch: »Die feministische Bewegung hat den neoliberalen Umbau von Arbeit und Leben sogar erst möglich gemacht.« Forderungen von Frauen nach Teilzeitbeschäftigung und Unterbrechung der Arbeit sind heute zum festen Bestandteil des Wirtschaftssystems geworden. Diese wurden aber in flexibilisierte und unsichere Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Frauen würden die Prekarisierung akzeptieren, da Erwerbstätigkeit für viele Frauen eine wichtige Identifikation im Leben darstellt.
Die wenig optimistische Analyse hat Silke Veth dazu gebracht, zusammen mit Gisela Kremberg eine Veranstaltungsreihe zum Thema »Frauen und Entwicklung« zu initiieren. In den kommenden Monaten wird es bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter anderem um Frauen in prekärer Beschäftigung und die Auswirkung von Freihandelsverträgen gehen. Bei der Auftaktveranstaltung verirrten sich, fast wie um Veths These von der nicht vorhandenen Bewegung zu stützen, nur wenige Frauen in die Räume der Stiftung.
Eine der Referentinnen, die mit der aktuellen Frauenpolitik gar nichts anfangen kann, ist Ellen Diederich von feministattac. »Gender Mainstreaming ist ein verwirrender Begriff, der Frauen in der Gesellschaft wieder unsichtbar macht.« Der Anspruch, dass Frauenbelange in alle Politikbereiche einfließen sollten, habe dazu geführt, dass für reine Frauenprojekte nun keine Gelder mehr zur Verfügung stünden. Und sie fragt: »Ist mit Mainstream nicht die neoliberale kapitalistische Politik gemeint?« Monika Knoche hingegen, derzeit stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, hat sich lange Jahre in der Parteipolitik durchgekämpft. Der rot-grünen Regierung und anderen sozialdemokratischen Regierungen Europas wirft sie frauenpolitische Rückschritte vor, die in engem Zusammenhang mit neoliberalen Reformen stehen.
Knoche kritisiert allerdings auch ihre eigene Partei für ihre Männerdominanz. Die Frauen sind sich einig, dass es eine neue feministische Bewegung braucht, die auch ökonomische Themen nicht scheut. Eine solche Bewegung wird zum Teil ganz von vorne anfangen müssen. Ellen Diederich hat die Erfahrung gemacht, dass es heute fast so schwer ist wie vor 30 Jahren, frauenpolitische Themen in linke Organisationen einzubringen. Silke Veth setzt ihre Hoffnung auf die Sozialforen und auf Frauen, die konkret von den Folgen der Globalisierung betroffen sind.