Nur noch wenige Wochen bis zur Fußball- Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Trotz der Bescheidenheit des aktuellen spielerischen Niveaus der deutschen Nationalmannschaft erwarten viele – wie im Jahre 1954 – ein Wunder auf dem grünen Rasen. Das würde – so das Gerede von Politikern, Fußballfunktionären und vielen anderen – dem ganzen Land gut tun und den Aufschwung fördern.
Seit der Entscheidung, die WM in Deutschland auszutragen, wird vor allem die Kontrolle der Fans und der Ausbau des Überwachungsstaates vorangetrieben. Nicht mehr zu Gast bei Freunden, sondern zu Gast im Sicherheitsstaat. Beim Kauf der WM-Tickets mussten jede Menge persönliche Daten angegeben werden; wer keine Karte bekommen hat oder aus anderen Gründen die Spiele lieber vor den Großbildleinwänden in vielen Städten ansehen möchte, wird von einer Vielzahl von extra aufgestellten Videokameras überwacht werden.
Auch in anderer Hinsicht erweist sich das offizielle Motto „Zu Gast bei Freunden“ als Hohn. Wie bereits zum Kirchentag in Köln im vergangenen Jahr, haben es Gäste, die aus Afrika, Lateinamerika oder Asien kommen, besonders schwer, einzureisen, wenn es ihnen nicht unmöglich gemacht wird. Ihnen wird pauschal unterstellt, sie wollten nicht als Besucher zur WM, sondern sich eine dauerhafte Einreise erschleichen. Freundschaft sieht jedenfalls völlig anders aus als das, was die verschiedenen Bundes- und Landesregierungen sowie die EU seit Jahren praktizieren: eine rassistische Politik der Migrationskontrolle und des Abschieberegimes.
Sportliche Großveranstaltungen werden oft, wie auch Kriege, dazu benutzt, bestimmte Interpretationen der Geschichte eines Landes zu verbreiten. Kulturelle und nationale Stereotypisierungen werden vorangetrieben und das Ausleben nationalistischer Gefühle wird propagiert. Schon jetzt werden wir überschwemmt mit schwarz-rot-goldenen Schals, Abzeichen, Mützen, Bechern und was-auch-immer. In der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit erinnerte deren Chefredakteur Dieter Stein an das Jahr 1990 und den patriotischen Schwung, den der WM-Sieg gebracht habe; auch für dieses Jahr verbindet er mit dem Fußball-Turnier die Hoffnung, dieses für einen patriotischen Schub nutzen zu können. Und die NPD will gar eine CD vor und in den Stadien verteilen, auf der unter anderem die Nationalhymne mit allen drei Strophen zu hören ist. Um die nationalistische Stimmung zu nutzen, gründen Nazis eigene Fan-Clubs, wie jüngst die NPD in Lübeck. (aus dem Editorial)
Die Redaktion der antifaschistischen Zeitschrift „Enough is enough“ hat zum WM-Sommer eine Schwerpunktausgabe „gegen Rechtsaußen“ produziert, die von der RLS im Rahmen ihrer Projektförderung finanziell unterstützt wurde. Die Zeitungsmacher sind genervt vom derzeitigen „Deutschlandwahn – wo alles schwarz-rot-gold glänzt“ und zeigen die „schmutzige Seite des Balls“ (die allerdings nicht nur in Deutschland zu Tage tritt). Ein Schwerpunkt des Hefts ist rechten Fan-Kulturen in ganz Europa gewidmet, die Fußball mit Rassismus und Gewalt verbinden, teilweise agitiert von Neonazis und rechter Musikszene. Der zweite Schwerpunkt ist die politische Bedeutung und Instrumentalisierung des Fußballs: Angefangen bei der Kollaboration des DFB mit dem Nationalsozialismus über die Wiederauferstehung Nachkriegsdeutschlands mit dem „Wunder von Bern“ bis zur Unterstützung des argentinischen Militärregimes durch die ignorante Teilnahme an der WM 1978. Üblicherweise transportiert Fußball reaktionäre Politik. Dass das Spiel auch eine Plattform für Linke sein kann, zeigt ein Artikel über antirassistischen Fußball in Italien.
Das auch grafisch sehr gut gemachte Heft kann beim Vertrieb der „ reihe antifaschistischer texte“ bestellt werden. Die PDF-Datei hier enthält zwei Artikel zum Probelesen.
Nachricht | Die schmutzige Seite des Balls
Rechtzeitig zur WM erscheint eine antifaschistische Fußballzeitschrift. Die RLS hat sie gefördert.