In Hongkong formiert sich derzeit eine Öffentlichkeit gegen die wahnwitzigen Arbeitsbedingungen, die Chinas Wirtschaftsboom ermöglichen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Organisation Weed luden am Donnerstag zwei Aktivistinnen zu einem Workshop zum Thema "High Tech Sweatshops in China" ein. Pun Ngai ist Professorin für Sozialwissenschaften an der Universität Hongkong und Präsidentin des Chinese Women Working Network. May Wong arbeitet hauptberuflich als Aktivistin für das Asia Monitor Resource Center. Ihre sieben Mitarbeiter umfassende NGO wurde bereits 1976 von Missionaren gegründet. Beide Aktivistinnen hatten am Donnerstag 15 Minuten Zeit, ihre Handlungsstrategien gegen die Ausbeutung der Arbeiterinnen darzustellen - in den Hightech-Fabriken arbeiten zu 80 Prozent Frauen. Ein Kamerateam der ARD war vor Ort, und der Raum war vollbesetzt mit Aktivisten vor allem aus Berlin. Häppchen gab es auch.
Gehetzt, aber professionell, berichtete May Wong von ihrer jüngsten Kampagne gegen einen Batteriekonzern namens Gold Peak. Vor einigen Jahren wurde bekannt, dass es in drei Fabriken auf dem chinesischen Festland vielfach zu Kadmiumvergiftungen der Arbeiterinnen gekommen war. Die Kampagne war ein kleiner Erfolg. Der Konzern zahlte einige wenige Entschädigungen zwischen 300 und 800 Euro, außerdem wurde ein Fonds von einer Million Euro für die laufende Gesundheitsversorgung der Frauen eingerichtet. Der Weg dorthin war mühsame Grundlagenarbeit: Gespräche mit der Konzernleitung, die kontinuierliche Verfolgung des Konzernchefs zu all seinen öffentlichen Auftritten, kleine Demonstrationen in Hongkong von 30 oder 50 Menschen und Postkarten, auf denen die Kunden über die Missstände informiert wurden. Und natürlich wurden auch kleinere Aktienpakete erworben, um Zugang zu den Versammlungen zu erhalten.
Die Wissenschaftlerin Pun Ngai, die mit ihrem Buch "Made in China" einer internationalen, vor allem linken Leserschaft bekannt wurde, verhandelt insbesondere mit den Leitungen der Universitäten. Ihr inzwischen alle acht Unis in Hongkong umfassendes Netzwerk zielt in erster Linie darauf, dass die Unis bei der Neuanschaffung campuseigener Computer von den Herstellern bessere Arbeitsbedingungen verlangen. Um über Ergebnisse zu sprechen, sei es noch zu früh, ergänzte sie. Drei bis vier Jahre müsste man für einen Bewusstseinswandel schon einrechnen. Dass ihre Organisation einen Vertretungsanspruch gegenüber den Arbeiterinnen geltend macht, sich aber vor allem im akademischen Feld bewegt, ist für sie kein Problem. "Es geht darum", erklärte sie, "deutlich zu machen, dass wir alle Konsumenten sind und im gleichen Boot sitzen."
Nun haben die Erfahrungen mit der Textilbranche gezeigt, dass selbst erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit - wer hat nicht schon davon gehört, dass die Preise von H & M auf katastrophalen Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder China basieren? - mitnichten zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen führt. Auch eine Vertreterin der deutschen NGO "Clean Cloth" zieht nach zehn Jahren Kampagnenarbeit dieses bittere Fazit. May Wong ist das Vertrauen in die freiwillige Selbstkontrolle der Konzerne schneller abhanden gekommen. Die Verhandlung um so genannte Verhaltenskodizes sei aber derzeit die einzige Möglichkeit, um überhaupt Zutritt zu den Fabriken zu erhalten und Aufklärungsarbeit vor Ort zu leisten. Ein besseres Werkzeug hätten sie derzeit einfach nicht zur Hand, sagte sie. Was soll man machen? In diesem Geschäft ist man an Rückschläge gewöhnt.
Kurz vor Ende des Workshops meldete sich Andreas Manhart vom Öko-Institut zu Wort: Nötig seien Warentests, die konkrete Arbeitsbedingungen als Kriterium für die Qualität einbezögen. "Wenn wir das nicht machen", sagte er, "dann bringt die Stiftung Warentest demnächst eine Studie zu Notebooks heraus. Und denen reichen die Absichtserklärungen der Konzerne."
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15 Minuten, um die Strategie zu erklären: In der Rosa-Luxemburg-Stiftung befasste sich am Donnerstag ein Workshop mit der Situation von Fabrikarbeiterinnen in China (die tageszeitung, 4.12.2006)