Über schweißtreibende High-Tech-Fabriken und ausbeuterische Arbeitsbedingungen im Reich der Mitte berichteten chinesische Sozialwissenschaftler vergangene Woche im Berliner Hebbel-Theater am Ufer.

Eigentlich sollte es nur um die »Sweatshops« in der Computerindustrie gehen, doch Pun Ngai, Professorin für Sozialwissenschaften an der Uni Hongkong, und May Wong vom Asia Monitor Ressource Centre (AMRC) machten schnell deutlich, dass die Elektronikindustrie nur ein Beispiel für die Arbeitsbedingungen in der verarbeitenden Industrie in China ist. Die entwicklungspolitische Organisation WEED, die den Abend mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte, klärt im Internet unter www.pcglobal.org über Zusammenhänge der PC-Herstellung auf.
Die Elektronikbranche ist eine der besonders globalisierten Industriezweige, so dass sich die genaue Herkunft eines Computers kaum bestimmen lässt. Ein Großteil der Komponenten wird in chinesischen Zulieferbetrieben produziert. Dort sind Arbeitstage von 12 bis 14 Stunden bei einer 7-Tage-Woche die Regel, obwohl das dortige Arbeitsgesetz eine 40- Stunden-Woche mit maximal sechs Arbeitstagen vorschreibt. Die Beschäftigten sind meist in Wohnkomplexen auf dem Fabrikgelände untergebracht; über 80 Prozent sind Frauen zwischen 17 und 25, die vom Land in die Stadt kamen.
Pun Ngai spricht von einer neuen Arbeiterklasse, die dabei ist, die alte sozialistische abzulösen. Die neuen privaten Investoren wollten nicht die von staatlichen Betrieben entlassenen Arbeiter übernehmen, weil sie zu teuer seien. Sie bevorzugten junge Frauen vom Land. Diese hofften, in Städten am modernen Leben teilhaben zu können, auch wenn viele von den schlechten Bedingungen wüssten.
Das System der Aufenthaltsgenehmigungen erlaubt es ihnen nicht, sich permanent in den Städten niederzulassen. »Mit 25 stehen sie doppelt unter Druck, in ihre Dörfer zurückzukehren«, berichtet Pun Ngai. Die Chefs wollten sie nicht länger haben, da sie bereits körperlich erschöpft seien, und von der Familie würden sie zur Heirat gedrängt. Eine eigene Familie können sie in den Städten nicht gründen, da sie als Wanderarbeiterinnen keinen Zugang zu staatlichen Sozialversorgungssystemen haben, damit kein Recht auf Wohnung, Gesundheitsversorgung oder Schulbesuch der Kinder.
Die Hongkong-basierte Nichtregierungsorganisation Chinese Working Women Network (CWWN), die Pun Ngai mitbegründete, bemüht sich, Frauen in den Fabriken zu organisieren, bietet in einem Beratungsbus Kurse und Gesundheits-Tests an und führt Schulungen in Betrieben durch. Ähnlich arbeitet das Asia Monitor Ressource Centre. »Wir wählen informelle Organisationsformen, denn sobald man eine Gewerkschaftsgruppe gründet, wird man von der staatlichen Gewerkschaft kontrolliert«, sagt May Wong. Außerdem führt das AMRC Konsumentenkampagnen durch, wie zuletzt im Fall des Batterieherstellers Gold Peak. Der weltweite Exporteur ist auch Zulieferer von Siemens. Wong berichtet von vielen Cadmiumvergiftungen unter den Beschäftigten. Durch Proteste konnten Gesundheitstests und Entschädigungen zwischen 300 und 800 Euro erkämpft werden. Allerdings versuche die Firma, Mitarbeiterinnen einzuschüchtern, etwa durch erniedrigende Behandlung bei Gesundheitstests.
Viele Firmen geben sich aus Imagegründen Verhaltenskodexe. Die sind aber oft weniger strikt als das chinesische Gesetz und eine gewerkschaftliche Organisierung ist meist nicht vorgesehen.
Pressemeldung | Sweatshops in China
Wanderarbeiterinnen produzieren unter unwürdigen Bedingungen (Neues Deutschalnd, 4.12.2006)