Wenn es um die Migration innerhalb von Amerika geht, denken hierzulande viele vor allem an die zunehmend militarisierte Grenze zwischen den USA und Mexiko. Doch auch innerhalb von Südamerika wird die innerkontinentale Migration zunehmend zum Politikum: Die Probleme der undokumentierten ArbeiterInnen aus Bolivien und Peru, die in den Großstädten Brasiliens, Argentiniens und Chiles in Textil-Sweatshops oder Privathaushalten arbeiten, unterscheiden sich in vielem nicht von denen der Sans Papiers in anderen globalen Kontexten. Ohne Aufenthaltsstatus ist der Zugang zu Sozialsystemen, Rente, Gesundheitsversorgung und zu gewerkschaftlicher und rechtlicher Vertretung versperrt. Dazu kommen die alltägliche rassistische Diskriminierung der Andenbevölkerung als „dreckige, unwissende Indios“ und die Abhängigkeit von VermittlerInnen von Reisen und Arbeitsstellen, die aus dem rechtlosen Status ihrer Kundschaft Profit ziehen.
In Sao Paulo trafen sich Mitte April auf Einladung der befreiungstheologischen Migrationspastorale in Brasilien und der Rosa Luxemburg Stiftung VertreterInnen von MigrantInnenorganisationen, Beratungsstellen und Forschungsinstitutionen, um Spielräume für eine Veränderung dieser Lage der MigrantInnen im Cono Sur auszuloten und MigrantInnen als „ProtagonistInnen einer anderen Integration“ sichtbar zu machen. Denn zur Zeit ist auf der politischen und rechtlichen Makroebene einiges in Bewegung, das diese Kämpfe begünstigt: Der institutionelle Aufbau des regionalen Wirtschaftsblockes Mercosur hat es befördert, dass die noch aus Zeiten der Militärdiktaturen stammenden Migrationsgesetzgebungen, die vor allem der Doktrin der nationalen Sicherheit verpflichtet sind, reformiert oder ersetzt werden. In Argentinien gibt es bereits ein neues Migrationsgesetz, in das einige der menschenrechtlichen Forderungen der MigrantInnenorganisationen eingegangen sind. Dazu kommen bilaterale Abkommen, etwa zwischen Brasilien und Bolivien, die die Legalisierung der bolivianischen ArbeiterInnen in Brasilien ermöglichen. Und im Gegensatz zu sämtlichen europäischen Staaten haben inzwischen mehrere südamerikanische Staaten die UN-Konvention für die Rechte undokumentierter WanderarbeiterInnen unterzeichnet.
Allerdings betonten die anwesenden Organisationen in Sao Paulo, dass diese Reformen im Alltag der Behörden oft noch kaum angekommen seien und auch die MigrantInnen selbst noch nicht viel über ihre neuen rechtlichen Möglichkeiten wüssten. Sie setzten in ihrer Abschlussdeklaration deswegen auf internationale Kampagnen für den „Aufbau einer Welt ohne Grenzen und für eine wirklich universelle und aktive StaatsbürgerInnenschaft“ und auf eine bessere rechtliche Aufklärung und Organisierung der MigrantInnen selbst.
Nachricht | International / Transnational Papiere für alle – ein Ergebnis regionaler Integration in Südamerika?
Das Seminar der RLS in Sao Paulo lotete die Möglichkeiten einer fortschrittlichen Migrationsgesetzgebung aus.