Jeremy Corbyn und eine sich im Lauf des raschen und unerwarteten Wahlkampfes fast neu erfundene Labour Party gehen, obwohl sie die Mehrheit bei den Parlamentswahlen am 8. Juni verfehlt haben, als eindeutige Sieger aus der Wahl hervor.
Denn genau diese Neu-Erfindung - womöglich ist es auch eine Rückbesinnung - in jedem Fall aber der eindeutige Bezug auf linke Werte und eine linke Politik, wie die im «Labour Manifesto» enthaltenen Vorschläge zum Beispiel zur Verstaatlichung der Eisenbahn und die dringend notwendigen Investitionen in Bildung und Gesundheitsfürsorge sowie der Duktus des gesamten Programms sind der endgültige Befreiungsschlag vom neoliberalen Blairismus, der die Labour Party nun beinah zehn Jahre beherrschte.
Damit ist in kurzer Zeit etwas gelungen, von dem selbst für den inneren Zirkel der linken Labour-Abgeordneten, insbesondere das Trio Jeremy Corbyn, Jon Trickett und John McDonnell, überraschend gewesen sein mag.
Noch bei Gesprächen zwischen uns in London im Januar herrschte Skepsis bei den beiden letzteren darüber, ob es überhaupt möglich sein würde, den Angriffen der anderen Flügel in der eigenen Partei ausreichend stand zu halten. Gerade einmal viereinhalb Monate später haben Corbyn und das «Labour Manifesto» der Partei den Tories bei den von ihnen selbst zur Stabilisierung ihres Brexit ausgerufen Wahlen, nicht nur einen gehörigen Schrecken ein- sondern auch noch die absolute Mehrheit abgejagt.
Labour und Corbyn haben die eigene Partei und auch ein klein bisschen die Wahlen gewonnen, auch wenn es zum absoluten Sieg nicht gereicht hat. Nun steht Theresa May mit dem Rücken zu gleich mehreren Wänden. Die Mehrheit verloren, Vertrauen verloren, keine Zustimmung zum harten Brexit-Kurs erlangt, die innere Sicherheit nicht sicher nach der Streichung von 20.000 Stellen bei der Polizei und gleich drei Anschlägen während des Wahlkampfes.
Mit der EU und dem wie immer in diesen Debatten dominanten Deutschland hat sie sich ziemlich verrannt. Angeblich bringt die britische Regierung immer wieder die Drohung des Abbruchs der Zusammenarbeit der Geheimdienste in die Verhandlungen ein. Das ist umso absurder, da die europäischen Geheimdienste, inklusive Norwegen und der Schweiz, fernab der EU-Institutionen im sogenannten «Berner Club» bereits seit Jahrzehnten kooperieren und jüngst mit diesem Verein einen neuen Wohnsitz in Den Haag bezogen haben.
Kurzum: Theresa May wird es mit ihrer Version des Brexit schwer haben, denn keine andere Partei unterstützt diese Version. Als ich am Abend der Wahl am 8. Juni kurz mit Paul Mason, dem britischen Journalisten und Unterstützer der Labour Kampagne spreche, sagt er «We probably not gonna win, but our task is to limit the damage.» («Wir werden wahrscheinlich nicht gewinnen, aber unsere Aufgabe ist es, den Schaden zu minimieren.») Das scheint gelungen.
Schade ist, dass Paul Masons Idee einer taktischen Allianz der Labour Party mit der Scotish National Party rechnerisch nicht aufgehen wird. Diese hatte er kürzlich in einem längeren Interview erläutert. Überraschend haben die linksliberalen Schottland-LiebhaberInnen viel verloren und verfügen nun nur noch über 35 ihrer bisher 56 Sitze. Bis zu dieser Nachricht schien bei einem knappen Vorsprung der Tories trotzdem noch ein Ausweg aus deren Alleinherrschaft möglich zu sein.
Diese bleibt Theresa May nun erhalten. Aber sie ist schwach und die Tories müssen sich jetzt ständig wechselnde Mehrheiten oder einen Koalitionspartner suchen. Darin liegt aber auch die Chance für einen vernünftigeren, wie von Labour konzipierten, Brexit. Europa darf sich auf lange und langweilige Detaildiskussionen gefasst machen.
Das linke Europa ist aber mit dieser Wahl wieder näher zusammengerückt. Die Erfolge von Jean-Luc Mélenchon in Frankreich und von Jeremy Corbyn in Großbritannien, auch wenn man nicht en Detail mit ihrer Politik übereinstimmen muss, haben gezeigt, dass man mit klarer Kapitalismuskritik ungeheuer mobilisieren kann. Nun gilt es gemeinsam auch die Europafrage mit klarer Kritik an den EU-Institutionen bei gleichzeitigem Werben für ein linkes und soziales Europa mit offenen Grenzen und einer progressiven Migrationspolitik anzugehen.