Der hier vorliegende Band erscheint als Dokumentation eines kleinen Kongresses, der im Sommer 2016 aus Anlass des Todes von Arno Klönne stattfand. Die AutorInnen der 22 Beiträge entstammen mehrheitlich der Alterskohorte von Klönne, der jüngste ist der 1964 geborene Linkssozialismusforscher Christoph Jünke, der dann auch gleich den politisch pointiertesten und diskussionsfreudigsten Aufsatz beisteuert.
Zur Erinnerung die groben Lebensdaten von Klönne: Geboren im katholischen Milieu 1931, Dissertation 1955, engagiert in der Jugendbewegung, den Ostermärschen, der APO und im Sozialistischen Büro (SB) und in der Redaktion von deren Zeitschrift „links“. Mit fast 50 Jahren dann 1978 Professor für Soziologie in Paderborn. Unermüdlicher Autor vor allem zu den Themen Jugendbewegung, (Widerstand im) Nationalsozialismus sowie drittens (Geschichte der) Arbeiterbewegung.
Die Vielfalt der Beiträge spiegelt die breiten Interessen und Forschungsfelder von Klönne gut wider: Egon Becker etwa steuert eine qualitative Untersuchung zur Geschichte des Sozialistischen Büros bei. Georg Fülberth schreibt gewohnt speziell, aber umso lesenswerter über die verschiedenen Formate der linken Printmedien, die heute vor allem, so Fülberth noch als Zirkulare für eine kleine Zielgruppe existieren würden. Der von Klönne mitgeprägte „ossietzky“ (gegründet 1997) sei dafür, neben vielen anderen, ein Beispiel. Der Kunstpädagoge Peter-Ulrich Hein, der bei Klönne promovierte, schreibt über die Schnittmenge von Religiosität und messianischem Sozialismus, die sich vor allem auch in dem Bedürfnis zeige, Einblicke und Erkenntnisse zu ästhetisieren. Bei Klönne freilich sei der unvermeidlich damit einhergehende Romantizismus allerdings durch soziologischen Scharfsinn gebändigt gewesen. Detlef Siegfried berichtet über den 1960 ja bereits 29 Jahre „alten“ Klönne als Mittler zwischen den neuen hedonistischen Subkulturen und der Traditionslinken. Er erzählt detailliert von Debatten und Konflikten in und zwischen diesen beiden Milieus, wie sich etwa in verschiedenen „Musikzeitschriften“ wie zum Beispiel „Song“ (erschienen 1966-1970) zeigten.
Hein und Siegfried widmen sich direkt oder indirekt zwei Tatsachen, die auch in anderen Artikeln explizit auftauchen: Die Kader der ersten Generation des re-politisierten SDS (ab ca. 1961) hatten überdurchschnittlich oft eine Sozialisation in der Jugendbewegung bzw. in jungenschaftlichen Gruppen, wie auch zweitens dissidente kulturelle Aktivitäten und Highlights wie etwa die Festivals auf Burg Waldeck ihren Ursprung in diesem Milieu hatten und von dort, noch vor „1968“, ihre Impulse bezogen.
Es ist schon beeindruckend darüber zu lesen, wie Klönne über 65 Jahre lang publizierte, von 1950 bis zu seinem Tod 2015, wie er als produktiver Linkssozialist im katholisch-konservativen Ostwestfalen Kontakte zu verschiedenen politischen Milieus in der Bundesrepublik hielt – und gestaltete.
Klönne war Organisator und Unruhestifter, Protestler und Sozialforscher, bis 2004 Mitglied der SPD, und unermüdlicher Netzwerker. Er bewegte sich in dem unvermeidlichen Widerspruch, die von ihm favorisierte Selbstorganisation ja auch irgendwie organisieren zu müssen, ja sie zumindest befördern zu wollen. Jenseits von einigen Reflektionen über die Prägekraft der religiös imprägnierten Herkunft von Klönne auf sein langjähriges und intensives politisches Wirken erfährt der Leser und die Leserin hingegen über den privaten Menschen Klönne in diesem Band leider nichts, und das ist sehr schade. Denn so wäre ein runderes Bild entstanden und vielleicht auch noch besser erklärbar, warum solche Menschen heute so selten geworden sind.
Barbara Klaus/Jürgen Feldhoff (Hrsg.): Politische Autonomie und wissenschaftliche Reflexion. Beiträge zum Lebenswerk von Arno Klönne; papyrossa Verlag, Köln 2017, 302 Seiten, 20 EUR, ISBN 9783894386443