Nachricht | Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 2: «Nehmen Sie das raus, dann geht das weiter.»

Endverbleibserklärungen sind ein nutzloses Instrument der Exportkontrolle.

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Autor

Jan van Aken,

Ausschnitt einer Endverbleibserklärung (EUC for war weapons)
Ausschnitt einer Endverbleibserklärung (EUC for war weapons) Quelle: BAFA

In ihrem Bemühen, den eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, belasten Angeklagte die Genehmigungsbehörden. Und stellen fest, was wir schon immer wussten: Endverbleibserklärungen lassen sich nicht kontrollieren und sind ein völlig nutzloses Instrument der Exportkontrolle.

Ein Bericht vom 2. Prozesstag am 17. Mai 2018.

Der zweite Prozesstag lieferte einige bemerkenswerte Aussagen, vor allem des Angeklagten Peter B., ehemaliger Geschäftsführer von HK. Im Grunde machte er klar, dass das heutige Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte nicht funktioniert – schon ein wenig frivol, wenn man bedenkt, dass seine Firma mit genau diesem kaputten System jahrelang Millionengewinne gemacht hat.

Peter B. wurde vom Vorsitzenden Richter zu seiner Einlassung am zweiten Prozesstag befragt. Nach seiner Aussage haben ihm sowohl Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums (BMWi) als auch des Auswärtigen Amtes (AA) mitgeteilt, dass es Schwierigkeiten gäbe, wenn dieser oder jener mexikanische Bundesstaat in der Endverbleibserklärung stehe. Ihm sei gesagt worden: «Wir würden vorschlagen, nehmen Sie das raus, dann geht das komplikationslos weiter.» So kam es dazu, dass man in Mexiko neue Endverbleibserklärungen ohne diese Staaten eingeholt habe. Es wird spannend sein, ob im späteren Prozessverlauf bei der Vernehmung von Zeugen aus den Ministerien auch herausgearbeitet wird, warum die Genehmigungsbehörden derart aktiv nach Wegen gesucht haben, eigentlich nicht genehmigungsfähige Waffenlieferungen doch noch möglich zu machen.

Und dann kam der Generalangriff von Peter B. auf das Genehmigungsverfahren und vor allem auf die Endverbleibserklärungen. Letztere sind ein zentraler Bestandteil der deutschen Rüstungsexportkontrolle: Der zu beliefernde Staat sichert darin zu, dass die Waffen ausschließlich im eigenen Land verbleiben. Nur bei Vorlage einer solchen Endverbleibserklärung wird überhaupt eine Genehmigung ausgestellt. Peter B. meinte dazu bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter, dass das Ministerium sich fragen müsse, ob das mit den Endverbleibserklärungen überhaupt funktioniere. Auch die Bundesrepublik könne nicht kontrollieren, ob Saudi-Arabien seine Endverbleibserklärung einhält. Aus seiner Sicht sei das schlicht ein falsches Instrumentarium, das nicht greift. Recht hat er, der Herr B. – denn die Endverbleibserklärungen sind nur ein Stück Papier, an das sich ein Staat halten kann oder eben auch nicht. Kontrolliert wird das nicht. Jede Frittenbude in Deutschland wird da besser überwacht als die Waffenindustrie, denn bei der Frittenbude kommen immer wieder mal ein Kontrolleur vorbei und überprüft die Einhaltung der Regeln. Bei Waffenexporten passiert das bislang praktisch gar nicht.

Der Vorsitzende Richter wollte dann noch wissen, warum die Streichung bestimmter Bundesstaaten von den Behörden wohl angeregt worden sei. Antwort Peter B.: Das habe man mit der zweifelhaften Menschenrechtslage begründet. Man wollte wohl gegenüber Nichtregierungsorganisationen sagen können, es würden keine Waffen in Bundesstaaten mit Menschenrechtsverletzungen geliefert. Und beim BMWi habe es geheißen, sonst bekommen wir das beim AA nicht durch. «Das BMWi als Wirtschaftsministerium war natürlich eher der Industrie zugeneigt und eher geneigt, Genehmigungen zu erteilen, wie das Auswärtige Amt.»

Aus Sicht von Peter B. wurde mit den Genehmigungen konkret eine Ausfuhr nach Mexiko genehmigt – mit dem Versprechen der Mexikaner, diese Waffen nicht weiterzuleiten an solche Bundesstaaten, die nicht in der Endverbleibserklärung aufgeführt sind. Diese Formulierungen sind insofern interessant, weil bereits am ersten Prozesstag deutlich wurde, dass die Verteidigung vor allem darauf abzielt, dass die Endverbleibserklärungen gar nicht Bestandteil der Genehmigung sind – auch Peter B. nennt sie hier nur ein «Versprechen der Mexikaner».
 

Befragung des Angeklagten Wolfram M.

Der Angeklagte Wolfram M. äußerte sich persönlich. Er sei seit 2005 stellvertretender, seit dem 7.1. 2009 Vertriebsleiter gewesen. Mit Voraussetzungen zur Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen sei er nicht befasst gewesen, dafür habe HK eine eigene Abteilung. Allerdings sei es bei HK allgemein – und auch ihm – bekannt gewesen, dass es in Mexiko und Indien eine besondere Genehmigungslage gab mit Blick auf die einzelnen Bundesstaaten. Zum Schluss seines Statements kämpfte er mit den Tränen, es mache ihn fassungslos, dass er hier Angeklagter sei, er habe sich in seinem Leben nie etwas zu Schulden kommen lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Angehörigen der Verschwundenen von Ayatzinopa das auch so sehen.

Sein Anwalt hatte am ersten Prozesstag darauf hingewiesen, dass die möglichen Taten von M. nach zehn Jahren absolut verjähren würden, da ihm nur Fahrlässigkeit vorgeworfen wird. Dem widersprach die Staatsanwaltschaft an diesem Prozesstag. Der Vorsitzende Richter reagierte darauf, indem er auf die «komplexe Materie» verwies und sagt, dass zu klären sei, welche Strafnormen überhaupt Anwendung fänden. Eine Klärung habe vorab nicht herbeigeführt werden können. Aber Verfahrenshindernisse würden von Amts wegen stets geprüft. Wenn, dann komme es zu einem «freisprechenden Urteil». «Wir sehen die Problematik, wir arbeiten mit Hochdruck daran.» Es blieb offen, ob dies heißen könnte, dass M. in absehbarer Zeit via Freispruch von der Anklagebank verschwindet und damit nur noch vier der ursprünglich sechs Angeklagten übrig wären.
 

Der Angeklagte Joachim M.

Er war von 2006 bis zum 31. 8. 2007 Geschäftsführer bei HK. Er selbst bzw. sein Anwalt inszenierten ihn als überaus gesetzestreuen Staatsbürger. So habe er im Jahre 2006 interveniert, als der damalige Gesamtgeschäftsführer Waffenlieferungen nach Taiwan über dubiose Konstruktionen plante. Er, Joachim M., habe damals Kontakt zum Unternehmenseigener Heeschen aufgenommen und klargemacht, dass derartige Vorgehensweisen für das Unternehmen absolut inakzeptabel seien.

M. setzte dann den Angriff auf den Status der Endverbleibserklärungen fort, der bereits am ersten Prozesstag von der Verteidigung begonnen worden war. Die vom mexikanischen Verteidigungsministerium freiwillig ausgestellten Endverbleibserklärungen seien vom Rechtscharakter her Erklärungen, mit denen seitens der mexikanischen Behörden eine Selbstbindung innerhalb der mexikanischen Nationalitätsgrenzen dokumentiert werden sollten. Eine Nichtbeachtung durch die mexikanischen Behörden hätte die Lieferungen von HK nicht illegal gemacht, wäre aber sicher zum zukünftigen Beurteilungsmaßstab geworden. Joachim M. habe keinerlei Kenntnis von der erklärungswidrigen Endbestimmung der Waffen gehabt, die unwahren Angaben aus Mexiko hätten letztlich auch ihn getäuscht.

Interessant noch ein kurzer Zwischenruf von Joachim M. an anderer Stelle. Das Verhältnis von HK und Mexiko sei zerstört worden, weil die Mexikaner begonnen hätten, eine Raubkopie des G36 zu fertigen. Der Anwalt von Heckler & Koch widersprach dann sofort der Darstellung, dass das mexikanische Gewehr eine Raubkopie sei, es handle sich vielmehr um eine eigene Produktion.
 

Die Sachbearbeiterin Marianne B.

Bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter sagte sie, sie habe aus E-Mails mitbekommen, dass Endverbleibserklärungen ausgetauscht worden seien. Ihr sei klar gewesen, dass der Austausch mit Bedenken des BMWi zu tun hatte. Zur Häufigkeit, in der das vorgekommen ist, sagte sie: «Das war schon ein paar Mal.» Und es ging immer um Mexiko, weil sie wehrtechnisch mit keinem anderen Land befasst war.
 

Ausblick

Die nächsten beiden Prozesstage finden am 5. und 7. Juni 2018 statt. Dort wird sowohl die Angeklagten Wolfram M. und Joachim M. zu ihren Einlassungen und Peter B. zu diversen Emails befragt werden.