Dokumentation Die Transformation der Lausitz ‚nach der Kohle‘ und die Sorben/Wenden

Tagung in Kooperation mit der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und dem Sorbischen Institut am 2. Dezember 2017 in Cottbus/Chóśebuz

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Im Gespräch Fabian Jacobs (Sorbisches Institut Bautzen/Budyšin), Johannes Heimrath (Publizist, Herausgeber der Zeitschrift Oya -anders denken, anders leben), Torsten Mack (Vorsitzender des Rates für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Landtag Brandenburg) und Pfarrer Burkhard Behr (Leiter des „Zentrums für Dialog & Wandel in der Lausitz“ der evangelischen Kirche) [v.l.n.r.]; Foto: Daniel Häfner

Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Debatte um die Zukunft der Lausitz und insbesondere die Braunkohle grundlegend verändert. Standen sich vor kurzer Zeit zwei Sichtweisen kontrovers und scheinbar unversöhnlich gegenüber, so hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Braunkohletagebau seinem Ende zugeht. Mithin stellt sich nur noch die Frage, in welchem Zeitraum die Einstellung erfolgen soll. Zugleich wendet sich die öffentliche Strukturdebatte auch der Frage „Was kommt nach der Braunkohle?“ zu. Dabei werden die Versäumnisse und die Folgen der bisherigen Debatte deutlich. Es fehlen zum einen schlüssige Konzepte und zum anderen wirkt die aus der heftigen Kontroverse resultierende Spaltung in vielfältiger Weise nach. Die Debatten verlaufen weiter, relativ unabhängig voneinander, in fragmentierten und voneinander isolierten Netzwerken; das Misstrauen zwischen den bisher konkurrierenden Gruppen besteht weiter und selbst ein gemeinsames positives Verständnis dessen, was die Lausitz als Region jenseits der Braunkohle und angesichts differenzierender, sozioökonomischer Bedingungen und institutionell-administrativer Grenzen eigentlich verbinden soll, scheint kaum erkennbar.

Das Schicksal der sorbischen/wendischen Minderheit ist eng mit der Lausitz verbunden. Aus diesem Grunde sollte man annehmen, dass Sorben/Wenden und ihre Institutionen sich in der Debatte um die Transformation in besonderer Weise engagieren. Es wäre zu vermuten, dass die sorbische/wendische Kultur für ihre Angehörigen eine Bindung an die Region darstellt, die sie veranlasst, an Stelle einer Exit-Option – den Weg aus der Region hinaus – häufiger die Voice-Option – das Engagement für und Investition in die Region – zu wählen. Für Sorben/Wenden, deren Gemeinschaften, Sprache und Kultur durch den Braunkohletagebau in ihrem angestammten Siedlungsgebiet durch Umsiedlungen und Zuwanderungen massiv in Mitleidenschaft gezogen wurden, können sich Chancen und Spielräume für eine Revitalisierung der Minderheitenkultur ergeben. Die sorbische/wendische Kultur stellt somit ein Repertoire dar, das als gemeinsame Ressource für lokale und regionale Entwicklungsstrategien genutzt werden könnte. Vor dem Hintergrund eines wachsenden Interesses der regionalen Wirtschaftsförderung für die ökonomische Relevanz einer Kreativ- und Kulturwirtschaft stellt sich die Frage, welche Spielräume bestehen, dieses kulturelle Repertoire nachhaltig wirtschaftlich zu nutzen und zugleich die Minderheitenkultur zu stärken.

Über die eigenen Interessen der sorbischen/wendischen Minderheit hinaus, ist die sorbische/wendische Kultur ein wesentlicher Teil einer gemeinsamen regionalen Identität. Als alleiniger Träger einer regionalen Identität ist sie aber sicher nicht ausreichend und auch ihr Geltungsanspruch ist umstritten.

Diese Diskursstränge bündelte die im Dezember 2017 durchgeführte Abschlussveranstaltung einer fünfjährigen Konferenzreihe, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Sozialwissenschaftliche Umweltfragen an der Brandenburgisch-Tech-nischen Universität Cottbus-Senftenberg und dem Sorbischen Institut durchgeführt hat. Der Titel war dabei Programm und so eröffnete das Reden von Transformation die Chance, andere Konzepte wie Buen Vivir / Das gute Leben zum Beispiel einzubinden – meint doch Strukturwandel bisher allzu häufig Strukturabbau.

Steffen Groß von der BTU Cottbus-Senftenberg stellte in seinem Beitrag „Die Transformationsperspektiven der Lausitz aus Sicht der Institutionenökonomik“ vor allem auf die Notwendigkeit ab, selbst gestaltend in den Wandlungsprozess einzugreifen und ihn nicht nur passiv hinzunehmen. Daniel Häfner machte unter anderem auf die Leerstellen aufmerksam, die die Überbetonung der Kohle-Thematik mit sich bringt, und nannte insbesondere die Sorgen der 7.500 klein- und mittelständischen Unternehmen oder Handwerksbetriebe, die keine Nachfolge finden. An Groß anknüpfend forderte er insbesondere die Sorben/Wenden auf, sich stärker in die Debatte einzumischen: einerseits spielen sie in den zuletzt veröffentlichten Studien zur Lausitz kaum eine Rolle, andererseits sollten sie an den zukünftig in den Strukturwandel fließenden Fördergeldern partizipieren (können). Zudem wies er auf die begriffliche Unschärfe hin, wenn ca. 200 Institutionen gegenwärtig für sich in Anspruch nehmen, im Namen der
Lausitz zu sprechen und dabei Bezug nehmen auf so Unterschiedliches wie das Kohlerevier, die Wirtschaftsregion oder das historische, die Ländergrenzen überschreitende Gebiet. Auch Lutz Laschewski mahnte in seiner Zwischenbetrachtung „Von den indigenen Rechten zur regionalen Transformation“ an, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, statt auf Fördermittel vom Bund zu warten.

In bewährter Weise folgte den theoretischen Überlegungen die Vorstellung praktischer
Ansätze. Susanne Hose vom Sorbischen Institut lotete die Potentiale und Ambivalenzen der Kampagne Krabat als Dachmarke aus, die via Krabat-Radwanderweg einzelne Orte der Ober- und Niederlausitz vorstellt und miteinander verbindet, aber auch regionale Produkte und Kulturereignisse vermarktet. Trotz der Gefahr einer Musealisierung durch den Bezug auf die sorbische Sagengestalt ist der Krabat-Verein ein gelungenes Beispiel einer konstruktiven Begleitung des Strukturwandels von unten. Vom Lausitzer Zentrum europäischer Minderheiten in Schleife erzählte ihr Kollege Fabian Jacobs. Diese Idee war das Ergebnis einer Zukunftswerkstatt und macht sich die geographische Lage wie auch die sprachliche Kompetenz der Sorben/Wenden für den europäischen Brückenschlag zu nutze.

Das abschließende Podiumsgespräch ging dann auch der Frage nach, wie die Sorben/Wenden, ihre Institutionen und Repräsentanten die Transformation der Lausitz als Chance begreifen und nutzen können. Dabei wurden neben Zielstellungen, Spielräumen und Ressourcen auch mögliche Strategien thematisiert, um auf Unterstützung und Akzeptanz zu stoßen.