Am 29. August 2018 lud der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 26 Student*innen aus den 13 BMBF geförderten Studienwerken Deutschlands zum Gespräch in seinen zweiten Amtssitz, der Villa Hammerschmidt in Bonn, ein. Als Schirmherr der Studienstiftung des Deutschen Volkes, war der Bundespräsident besonders daran interessiert, den Stipendiat*innen in einem Gespräch zuzuhören und die verschiedenen Gedanken zum Thema „Gelebte Demokratie und Teilhabe in und neben dem Studium“ kennenzulernen. Zusammen mit seiner Frau, Elke Büdenbender, entstand so ein rund 90-minütiger, interessanter Austausch mit dem Bundespräsidenten-Ehepaar rund um die Themen: Europapolitik, Chancengleichheit und Demokratie und Engagement. Großes Interesse hatte der Bundespräsident zu verstehen, wie sich das Studium, das oftmals alle vorhandenen Kapazitäten eines Studierenden in Anspruch nimmt, mit der Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeiten vereinbaren ließe.
Andrea Schlosser, beispielsweise, die seit April 2018 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung für ihren Zweifach-Master in Amerikastudien und Italianistik gefördert wird, empfindet es neben dem Studium und diversen Vorträgen bei internationalen Konferenzen als eine Pflicht, sich ehrenamtlich zu engagieren. Andrea, die einen Migrationshintergrund hat und der durch wunderbare Lehrer*innen ein sehr guter Schulstart in Deutschland ermöglicht wurde, empfand immer den Drang dieses erfahrene Glück, in die Arbeit von wohltätigen Organisationen einfließen zu lassen. So engagiert sich Andrea seit 2015 bei der Non-Profit-Organisation HEIMATSUCHER e.V., einem Verein, der gegen Rassismus und Antisemitismus sowie gegen das Vergessen des Holocaust ankämpft. HEIMATSUCHER e.V., beispielsweise, interviewt Holocaust-Überlebende, transkribiert diese Interviews, erstellt aus letzteren Materialien für den Schulunterricht und bietet in Schulen deutschlandweit Workshops zu dem Thema an. Bisher hat HEIMATSUCHER e.V. 4500 Schülerinnen und Schüler erreicht und sie zu sogenannten Zweitzeugen gemacht.
Besonderes Augenmerk lag auch auf dem Thema „Studium“ und wie Hochschulen für Migrant*innen oder „Arbeiterkinder“ durchlässiger werden könnten. Da sowohl Andrea wie auch ihr Co-Stipendiat Baris Sahin beide einen Migranten- sowie Arbeiterkind-Hintergrund haben, konnten sich beide an der Diskussion mit dem Bundespräsidenten beteiligen.
Baris Sahin ist seit April 2015 Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung und engagiert sich seit seiner Schulzeit in diversen Organisationen, die für eine pluralistische sowie gerechte Gesellschaft einstehen. Denn aufgrund seines alevitisch- kurdischen Migrationshintergrunds macht er in Deutschland noch immer Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung. So ist er im Auftrag der Alevitischen Gemeinde in Deutschland als Multiplikator gegen Rassismus und Antisemitismus in verschiedenen Bildungseinrichtungen unterwegs. Deshalb ist es für den Lehramtsstudenten eine Herzensangelegenheit politische Bildungsarbeit im Sinne der Rosa-Luxemburg-Stiftung voranzutreiben, um bspw. eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung der fortwährenden institutionellen Diskriminierung zu erreichen. Gerade seine ehrenamtliche Erfahrung bei „Arbeiterkind.de“ konnte dem Gespräch mit dem Bundespräsidenten damit einen antirassistischen Blick von Innen heraus gewähren.
Es war für beide Rosa-Luxemburg-Stipendiat*innen eine Möglichkeit auf gesellschaftliche Missstände und den bestehenden Rassismus in Deutschland und Europa aufmerksam zu machen. Darüber hinaus ermöglichte das Gespräch den augenscheinlich privilegierten Mitgliedern der Runde eine andere Perspektive zu erkennen und sich mit dieser auseinanderzusetzen.