Manchmal sind sie dort eben auch einfach nur widerlich. Ansonsten gab es heute wieder Anschauung in Sachen «Wie bastele ich mir eine Endverbleibserklärung?»
Bericht vom 23. Prozesstag am 10. Dezember 2018
Der Bahnstreik machte auch vor dem Gericht nicht halt, erst mit 45 Minuten Verspätung waren alle Prozessbeteiligten vor Ort. Heute wurden keine Zeugen vernommen, sondern nur einige neue Dokumente durch Verlesen in den Prozess eingeführt. Laut dem Vorsitzenden Richter sind sowohl Zollkriminalamt als auch das Gericht immer noch damit befasst, die erst kürzlich neu aufgetauchten Mails der Angeklagten Marianne B. sowie ihres mittlerweile verstorbenen Vorgesetzten Axel H. zu sichten.
Im Laufe des Prozesstages wurde klar, dass der Verteidiger von Marianne B. ein echtes Eigentor geschossen hat. Er hatte darauf bestanden, den gesamten Mailbestand von Frau B. in den Prozess einzuführen, er wollte darüber wohl nachweisen, dass sie nur eine unbedeutende und einflusslose Sachbearbeiterin war. Tatsächlich haben diese Mails und zwei neu aufgetauchte Ordner eher das Gegenteil bewirkt. Alle heute eingeführten Dokumente, viele davon mit handschriftlichen Notizen von Marianne B., machten vor allem zwei Dinge deutlich: Sie war über vieles informiert, und sie hatte als eine der wenigen bei Heckler & Koch einen genauen Überblick über die Verträge und Lieferungen.
Spannend war vor allem eine Excel-Liste aus einem der beiden neu aufgetauchten Ordner von Marianne B. Diese Liste mit Stand vom 5. März 2007 gibt eine Übersicht zu den G36-Lieferungen im Jahre 2006 mit Vertragsnummer, Anzahl der Waffen, Datum der Endverbleibserklärung mit den darin genannten Empfängern, sowie eine weitere Spalte mit den Endverwendern. Wie gesagt: Zwei verschiedene Spalten für mögliche Endverwender ein und desselben Vertrages.
Bei einigen der Kaufverträge im Jahre 2006 stand dort unter der Endverbleibserklärung «futuros peticionarios», was so viel heißt wie «künftige Besteller». In der anderen Spalte war vermerkt «Endverwender siehe Anlage». Eine Anlage zu dem Dokument gibt es allerdings bislang nicht, Frau B. konnte sich auch nicht daran erinnern.
Der Vorsitzende Richter frage Marianne B., wieso sie sich denn Gedanken um den Endverwender mache? Entweder stehe der fest, oder er stehe nicht fest. Er bekam sich gar nicht wieder ein, O-Ton: «Allein schon die Fragestellung! Allein schon die Fragestellung!» Er verwies dann darauf, dass dieser Vertrag geschlossen wurde, nachdem klar war, dass die deutschen Genehmigungsbehörden einfach nur «futuros peticionarios» nicht akzeptieren würden, weil bei «künftigen Bestellern» eben nicht ausgeschlossen ist, dass auch «verbotene» Staaten beliefert werden. Die Information über diesen neuen Vertrag war nicht an die Genehmigungsbehörden weitergeleitet worden (siehe Prozesstag 13 und 22), insofern könnte diese Liste bei einer möglichen Verurteilung wegen Erschleichens einer Genehmigung noch eine Rolle spielen.
Spannend dann auch noch ein Mailwechsel zwischen den Mexiko-Beteiligten bei Heckler & Koch aus dem Mai/Juni 2007. Wie aus dem Handbuch «Endverbleibserklärung stricken leicht gemacht»:
Der HK-Vertreter in Mexiko kündigt stolz an, dass die Unterlagen zu einem Vertrag fertig seien, die Endverbleibserklärung sei allerdings «offen – geht das so?».
Rückfrage aus Oberndorf: «Was heißt offen?»
Einen Tag später kommt die Antwort aus Mexiko: «Ich habe noch mal alle bisherigen Endverbleibserklärungen und die darin genannten Bundesstaaten durchgesehen, deshalb schlage ich jetzt folgende Liste vor ...»
Antwort aus Oberndorf: «Die Enduser sind alle ok, bis auf Jalisco, bitte weglassen.»
Vier Tage später schickt Mexiko dann die entsprechend angepasste Endverbleibserklärung.
In diesem Mailwechsel dann auch der denkwürdige Satz des damals zuständigen Vertriebsmenschen, Axel H., dass sie Mexiko auch ohne die «Scheiß FX05» erobern werden. Zur Erinnerung: Das FX05 ist das in Mexiko gebaute Gewehr, das dem G36 sehr ähnlich sieht, aber angeblich eine mexikanische Eigenentwicklung ist.
Das war es für dieses Jahr, der Prozess geht am 10. Januar weiter. Noch ist unklar, ob dann schon einer der verbliebenen Zeugen gehört wird oder nicht. Als weitere Prozesstermine sind alle Donnerstage im Januar vorgemerkt.