Nachricht | Untergetaucht. Eine junge Frau überlebt in Berlin.

Buchpräsentation Marie Jalowicz Simon: Untergetaucht. Eine junge Frau überlebt in Berlin 1940–1945 im Prager Büro der RLS

Information

Autorin

Monika Nakath,

Als Gast konnte Dr. Dr. h.c. Hermann Simon begrüßt werden, der 1949 als Sohn jüdischer Eltern geboren wurde. Er wuchs in Berlin auf, studierte an der dortigen Humboldt-Universität und wurde 1975 promoviert. Er ist Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin-Centrum Judaicum, leitete diese seit 1988 über 27 Jahre lang und prägte sie maßgeblich.

Simon beschäftigte sich in seinen zahlreichen Publikationen insbesondere mit der Geschichte von Juden in Deutschland. Bekannt wurde er u.a. als Herausgeber der Reihen «Jüdische Miniaturen», «Jüdische Memoiren» und der Schriftenreihe des Centrum Judaicum. Zu erwähnen sind weiterhin zahlreiche, von ihm initiierte Ausstellungen z.B. über Juden in der frühen Filmwelt oder auch über Juden in Berlin zwischen 1938 -1945.  Am 12. Januar 2018 erhielt er für sein Wirken den Ehrendoktortitel des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin.

Hermann Simon berichtete einführend, dass seine Mutter Marie Simon, geb. Jalowicz, lange Zeit über ihre dramatische Lebensgeschichte schwieg. Sie hatte die NS-Diktatur in Berlin «untergetaucht» überlebt. Erst kurz vor ihrem Tod gelang es ihm, die Erinnerungen daran auf Tonband aufzunehmen. Marie Simon starb 1998 in Berlin. Sie hinterließ dem Sohn mit diesem «Tagebuch» ein Vermächtnis. Auf Grundlage der überlieferten 77 Tonbänder erstellte in den folgenden Jahren die Autorin Irene Stratenwerth zusammen mit Hermann Simon den Band.

Dem Publikum wurden mehrere Textstellen präsentiert, die die Familiensituation der jungen Marie zu Beginn der 1940er Jahre, ihren Lebensalltag als jüdische Zwangsarbeiterin bei der Firma Siemens, die Flucht vor der Deportation in die Illegalität sowie eine Helferin beim Überlebenskampf beschrieben.

Zeithistorische Fotos von Marie und anderen Beteiligten sowie ein eingespielter Ausschnitt aus den Tonbandaufzeichnungen illustrierten die dramatische Lebenssituation der jungen Jüdin. Der Bericht von Marie Simon ist von schonungsloser Offenheit geprägt.

Es ist die Geschichte des Überlebenskampfes einer jungen Frau im nationalsozialistischen Deutschland; es sind viele Geschichten, die in ihrer Außergewöhnlichkeit auch die Ambivalenz zwischen Verfolgten und ihren Helfern aufzeigen. Strahlende Helden lernt man bei den Helfern nicht kennen.

Hermann Simon schlussfolgert in seinem Nachwort, wenn seine Mutter ihn eins gelehrt habe, dann dies: «Es gibt eben nicht schwarz-weiß, es gibt bestenfalls grau.»

Es folgte eine intensive Diskussion, in deren Mittelpunkt die beeindruckende Persönlichkeit von Marie Jalowicz stand. Nachgefragt wurde aber auch der methodische Umgang des Historikers Hermann Simon mit den autobiographischen Erinnerungen der Mutter. Er berichtete, dass er alle Namen und Sachverhalte - soweit möglich – überprüft hatte und betonte den langwierigen Weg zu dem vorliegenden Band, der nun seinerseits ein einzigartiges Zeitdokument darstellt. Er wurde inzwischen in verschiedene Sprachen übersetzt. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass autobiographische Zeugnisse im Rahmen der aktuellen Erinnerungs- und Gedenkkultur immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Die Veranstaltung war Bestandteil von Aktivitäten der RLS anlässlich des 80. Jahrestages des Novemberpogroms von 1938 in Deutschland.

Das Buch ist in deutscher und tschechischer Sprache im Handel erhältlich.

Deutsch: Marie Jalowicz Simon: Untergetaucht.  

Tschechisch: Marie Jalowiczová Simonová: Přežila jsem Hitlera.