Nachricht | Emil Nolde und der Nationalsozialismus

Ausstellung zeigt Rassismus und Antisemitismus des Künstlers auf

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Emil Nolde, Reife Sonnenblumen, 1932, Öl auf Leinwand, 73,5 × 89 cm, Detroit Institute of Arts, Gift of Robert H. Tannahill © Nolde Stiftung Seebüll

Der 1956 im Alter von 89 Jahren verstorbene Emil Nolde kann als einer der deutschen «Staatskünstler» des Expressionismus gelten. Kaum eine_r der deutschen Künstler_innen dieser Periode wurde so oft gedruckt. Die Aquarelle dieses enorm produktiven Künstlers sind weltberühmt. Seine antisemitischen und rassistischen Äußerungen und seine Nähe zum Nationalsozialismus waren in der Forschung schon länger bekannt. In einer auf der Auswertung des jetzt erstmals zugänglichen Nachlasses basierenden Ausstellung werden sie nun an prominenter Stelle umfangreich dokumentiert, begleitet von enormer Presseresonanz. Kanzlerin Merkel hat Nolde jedenfalls aus ihrem Arbeitszimmer verbannt.

Die Ausstellung zeigt in Briefen, Tagebuchauszügen und anderen Dokumenten wie Nolde nach, und auch schon vor 1945, seine Biografie steuert und zurechtkonstruiert; oder wie er Kontakte zu jüdischen Kunsthändlern abstreitet. Im Sommer 1941 erhält er Berufsverbot, er ist bis dahin aber einer der bestverdienenden Künstler Nazi-Deutschlands. Einige seiner Bilder sind zwar 1937 Teil der ersten Ausstellung «Entartete Kunst» in München, werden aber nach seinem Protest entfernt und in den anderen Stationen nicht mehr gezeigt. Dass von Nolde während des Nationalsozialismus so viele Bilder beschlagnahmt werden, liegt schlicht daran, dass noch 1935 das Folkwang Museum in Essen 455 Werke, darunter 210 Gemälde, von ihm ankauft. Ein jahrzehntelang behauptetes «Malverbot» sieht anders aus.

Die entscheidend von der 1957 gegründeten Nolde Stiftung in Seebüll gesteuerte Nolde-Rezeption, in der auch Werner Haftmann, der spätere Direktor der Nationalgalerie, eine bedeutende Rollespielt, baut Nolde zur Identifikationsfigur und Projektionsfläche einer kulturellen Moderne auf, die im Nachkriegswestdeutschland gebraucht wird.

Die Ausstellung enthält zwar auch um die 100 Originale von Nolde, besticht aber vor allem durch die Dokumente. Sie ist also eher textlastig, und ordnet die Person Nolde auch in die Kunstdebatten der Weimarer Zeit und der Epoche vor 1939 ein, also vor allem die Frage, inwiefern der Expressionismus über seinen ihm von interessierter Seite zugeschriebenen «nordischen Charakter» auch kompatibel mit der Kunstpolitik des NS-Staates ist. Eine Debatte, die es z.B. auch in und um «Worpswede» gab.

Die Ausstellung zeigt die interessengesteuerte Kunstpublizistik, sie dekonstruiert zumindest einige Legenden. Haftmann, der bei der Legendenbildung mitwirkte, wird interessanterweise noch heute auf der Website http://werner-haftmann.de/ als einer der «großen unbeirrbaren Streiter(n) für die Kunst im 20. Jahrhundert» bezeichnet.

Als Resultat der Auswertung des Nachlasses ist im Prestel Verlag eine zweibändige umfangreiche Publikationen mit Beiträgen bzw. Dokumenten erschienen.

Angesichts des enormen Besucherandrangs ist es zu empfehlen, vor einem Besuch die Website zu konsultieren und ggf. zeitgebundene Tickets zu erwerben und damit Wartezeiten beim Einlass zu vermeiden.

Emil Nolde - Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus; Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart – Berlin, Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin. Noch bis 15. September 2019.