Nachricht | Afrika Zum dritten Mal: «Les Ateliers de la Pensée» in Dakar

oder der Aufbau einer Négritude 3.0

Information

«La Nuit de la Pensée»: Rama Yade, Achilles Mbembe, Edwy Penel, Christiane Taubira und Felwine Sarr (vlnr) diskutieren über «(Geopolitischen, ökologischen) Wandel der Welten» Foto: Armin Osmanovic

Die beiden Organisatoren Achille Mbembe und Felwine Sarr hatten für die dritte Ausgabe (30. Oktober bis 2. November) der Ateliers de la Pensée ein dichtes Programm mit Diskussionsrunden, Theater- und Filmaufführungen mit Gästen aus Afrika, Europa und US-Amerika zusammengestellt. Unter der Überschrift «Basculement des mondes et pratiques de dévulnerabilisation» («Wandel der Welten und Praktiken der Entverletzlichung»), war wieder ein breites Themenfeld gespannt, das das Publikum zum Mitdenken einlud.

Wie schon bei der vergangenen Ausgabe ging es selbstverständlich auch dieses Mal wieder um Dekolonisierung und Souveränität Afrikas, dabei spielte die Frage der Restitution von Kunst aus Afrika und der Reparation für Versklaverung und Kolonialismus eine herausgehobene Rolle. Aber auch die Frage der wirtschaftlichen Souveränität Afrikas, vor allem die Frage nach der Zukunft der Afrikanischen Union und der geplanten Freihandelszone Afrikas, aber auch der gemeinsamen Währung Westafrikas (ECO) spielten eine Rolle. Dies galt auch für die Themenfelder Identität und Überleben in Zeiten des globalen Klimawandels.

Wie die vergangenen Jahre gab es auch dieses Mal eine Abendveranstaltung («Nuit de la Pensée») – mit über 500 Teilnehmenden ein großer Publikumserfolg. Souleymane Bachir Diagneh von der Columbia University in New York führte in die Themen des Abends gedankenreich ein und bereitete damit den Raum für die Diskussion über Afrika und die Zukunft unseres Planeten. Leider geriet die Veranstaltung zu einer Art Diskussion über den Zustand Frankreichs. Dazu trug vor allem Edwy Plenel, Journalist von Mediapart, bei. Statt, wie erhofft, über die planetaren Herausforderungen zu sprechen, verfing sich Plenel in einer nostalgischen Betrachtung der Welt und ihrer Übel, in der Frankreich – selbstverständlich – eine herausgehobene Rolle spiele. Und auch die sozialistische Politikerin Christiane Taubira sprach an diesem Abend wenig über Afrika und zu viel vom besonderen Erbe Frankreichs. Und auch Rama Yade, in Dakar geboren, sprach nur wenig über Afrika. Yade war als Staatssekretärin Mitglied in der konservativen Regierung von Nicolas Sarkozy. Sarkozy wird bis heute wegen seiner Rede am 27. Juli 2007 in Dakar kritisiert, in der er den Afrikaner*innen den Eintritt in die Geschichte empfahl, als ob Afrika nie Teil der Weltgeschichte gewesen wäre. Yade schlug an diesem Abend einen ähnlichen Weg ein und legte den anwesenden Afrikaner*innen nahe, es ihr nach zu tun: selbstbewusst und erfolgreich zu sein – sie ist Professorin in Paris und arbeitet heute für die Weltbank.

Das Thema der Diskussionsrunde «Basculement (géopolitique, écologique) des mondes» («(Geopolitischer, ökologischer) Wandel der Welten») trat damit in den Hintergrund, auch wenn Felwine Sarr als Moderator versuchte, das abendliche Frankreich-Bashing zu beenden, das den französischen Botschafter herausforderte, offiziell Stellung zu beziehen. Daneben blieb Achille Mbembes Warnung vor der Politik der Europäischen Union, die er zur größten Bedrohung Afrikas erklärte, leider blass. In seinen Augen gestalteten europäische Zäune auf afrikanischen Boden Afrika zu einem großen Menschenreservoir um, aus dem nur noch jene nach Europa gelassen würden, die sich irgendwie als nützlich erweisen könnten. Warum man für die zentrale Veranstaltung drei von vier Diskutant*innen aus Frankreich eingeladen hatte, um die Welt von Afrika aus zu denken, werden sich die Verantwortlichen heute wohl selbst fragen.

Alles in allem nahm das Publikum die dritte Ausgabe der Ateliers de la Pensée, die sich als Hauptort der Diskussion das neue Museum der schwarzen Zivilisationen in Dakar ausgesucht hatten, sehr gut an. Der Veranstaltungsraum, der etwa 300 Menschen fasst, war übervoll und dieses Mal waren auch erstaunlich viele junge Menschen gekommen, was für die Zukunft der Ateliers und darüber hinaus hoffen lässt. So zeigt die Veranstaltungsreihe, wie wichtig der Ansatz der Organisatoren ist, ein Forum zu schaffen, wo Afrikaner*innen aus Afrika und der Diaspora sich austauschen können. Zunehmend entsteht so der Eindruck, dass sich hier ein Netzwerk à la Négritude 3.0 aufbaut.

Les Ateliers de la Pensée in den Medien

Le Monde Afrique:

A Dakar, les Ateliers de la pensée veulent transformer le paysage intellectuel africain

Le Point:

Ateliers de la pensée de Dakar : sublimer une humanité bafouée

Ateliers de la pensée de Dakar : des lumières dans la nuit

Le Quotidien:

Troisième édition des «Ateliers de la pensée» à Dakar : Penser la vulnérabilité du monde depuis l’Afrique

Youtube:

Ateliers de la Pensée: Entretien avec Felwine Sarr