Bericht | Arbeit / Gewerkschaften - Israel - Globale Solidarität - Kämpfe um Arbeit - Westasien im Fokus «Na klar, den Kapitalismus stürzen»

Grenzüberschreitende gewerkschaftliche Organisationsstrategien gegen Rechts

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Autor

Sefi Krupsky,

Bulqiza in Albanien
«Bulqiza ist wahrscheinlich die Stadt mit dem größten Reichtum unter der Erdoberfläche, und oben die mit der größten Armut» Blick auf Teile der Stadt Bulqiza in Albanien und des Chrom-Bergwerks, CC BY-SA 3.0, Albinfo, via Wikimedia Commons

Von albanischen Bergleuten bis zu russischen Kranführer*innen und US-amerikanischen Hotelangestellten: Vertreter*innen von Arbeitnehmer*innen aus der ganzen Welt fanden sich Anfang Dezember 2019 in Israel zusammen, um darüber zu diskutieren, was Gewerkschaften gegen den Aufstieg der populistischen Rechten tun können.
 

Die Bergleute in der albanischen Stadt Bulqiza konnten letzten Oktober einen kleinen, aber wichtigen Sieg verzeichnen, als das Gericht die neu von ihnen gegründete Gewerkschaft anerkannte. Laut lokalen Aktivist*innen für Arbeitsrechte riskieren Hunderte von Bergleuten täglich ihr Leben, ohne angemessene Sicherheitsbedingungen an ihrem Arbeitsplatz, für Niedriglöhne in einem der ärmsten Länder Europas. Aber die Freude über den errungenen Erfolg in der Stadt im Nordosten Albaniens hielt nicht lange an. Ihnen gegenüber stehen der reichste Mann Albaniens, Samir Mane, dem die Bergwerke gehören, die etablierten Machtzentren, denen es schwerfällt, die Existenz der neuen Gewerkschaft zu akzeptieren, sowie andere unerwartete riesige Kräfte, die Kräfte der Natur.

Sefi Krupsky (39) wurde in Rechovot geboren, wuchs in Nes Ziona auf und lebt heute in Tel Aviv. Er arbeitet seit fast 15 Jahren als Journalist, unter anderem für die hebräischen Medien Ha'aretz, das von Yedi'ot Achronot herausgegebene Wirtschaftsmagazin Kalkalist sowie Davar Rishon. Unter anderem war er Redakteur, Leiter der Nachrichtenredaktion und Reporter für Gesundheits- und Bildungsangelegenheiten. Krupsky veröffentlichte unter anderem: die Enthüllung eines Mechanismus zur Geldwäsche in der Verwaltung des Nationalen Diensts; die nicht staatliche genehmigte Infiltration extremistischer Evangelisten in israelische Schulen; laufende Berichterstattung, einschließlich verschiedener Enthüllungen über das israelische Gesundheitssystem.

Kurz nach dem Gerichtsurteil wurden zwei der führenden Aktivist*innen unter den Bergleuten entlassen. Die in Albanien bereits etablierte Gewerkschaft begann, die neue Gewerkschaft der Bergleute zu bekämpfen, laut den Aktivist*innen, auch mit physischer Gewalt. Zudem ereignete sich Ende November eine nationale Katastrophe, ein verheerendes Erdbeben, bei dem Dutzende Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden. Natürlich wurden die Protestaktionen und die gewerkschaftliche Arbeit bis auf Weiteres eingestellt.

Die Geschichte der Bergleute in Bulqiza wurde Anfang Dezember 2019 in Tel Aviv von Bora Mema erzählt, einer Aktivistin der Organisation «Politike», die Anfang 2019 in Albanien gegründet wurde, um Arbeitnehmer*innen in den Kontaktzentralen verschiedener Gewerbezweige gewerkschaftlich zu organisieren. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einem post-kommunistischen Land. «Bulqiza ist wahrscheinlich die Stadt mit dem größten Reichtum unter der Erdoberfläche, und oben die mit der größten Armut», sagte mir Mema in Bezug auf die Bergwerke, die die reichen natürlichen Ressourcen in der Umgebung abbauen, woraus aber die Einwohner*innen der Stadt kaum Nutzen ziehen. Mema nahm Anfang Dezember 2019 an einem dreitägigen Workshop teil, der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Akademie für Soziale Ökonomie in Zusammenarbeit mit Vertreter*innen von Gewerkschaften und in sozialen Fragen engagierten Organisationen aus Russland, der Slowakei, Tschechien, Serbien, Albanien, Slowenien, Frankreich, Deutschland, Belgien, der Schweiz, den USA, Uruguay, Chile, Argentinien und Israel veranstaltet wurde.

Unter der Überschrift «Herausforderungen der gewerkschaftlich organisierten Arbeit angesichts der Aufstiegs der populistischen Rechten» diskutierten die Delegierten in verschiedenen Foren miteinander, insbesondere erzählten die «Con-Reds» («ebenfalls Roten» – ein während des Workshops häufig verwendeter Begriff) über ihre Kämpfe und Aktionen in ihren Heimatländern, bei denen sie gewalttätigen rechten Aktivist*innen gegenüberstehen, als auch Arbeitgeber*innen, dem Staat, Gerichtsverfahren und sogar kriminellen Vereinigungen, die im Arbeitsmarkt involviert sind.

In dem kleinen Konferenzsaal im Herods Hotel auf der Promenade in Tel Aviv, für den das Mittelmeer als angenehme und mitunter turbulente Kulisse dient, stellte sich heraus, dass die Herausforderungen, Schwierigkeiten und Mühen zwar für jede Gegend, Region oder Land spezifisch sind, sich aber dennoch zugleich ähneln. Mitunter sind sie sich zu ähnlich.

Die Vertreter*innen der Länder des ehemaligen Sowjetblocks zogen die meiste Aufmerksamkeit auf sich, und das nicht ohne Grund. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es in diesen Ländern organisatorische Rahmen, aber es waren solche, denen fast alle angehörten. In den Berichten der Vertreter*innen dieser Länder, die Mitglieder von neuen unabhängigen, aus Basisarbeit hervorgegangen Organisationen sind, war ein sich wiederholendes Muster zu erkennen: Die großen Organisationen bestehen nach dem Sturz des Regimes weiter, aber ihre Hauptaufgabe besteht nun darin, die Macht der Starken aufrechtzuerhalten. Als ich eine der Aktivist*innen fragte, ob diese Organisationen in der letzten Zeit etwas für Arbeitnehmer*innen getan hätten, antwortete sie mit einem Grinsen: «Beim letzten Feiertag der Arbeiterinnen, dem 8. März, haben sie Blumen an Arbeiterinnen verteilt».

Noch kein Durchbruch

Am zweiten Tag des Workshops, der sich zum Teil mit der Situation, mit der die Vertreter*innen dieser Länder konfrontiert sind, beschäftigte, gaben die drei russischen Aktivist*innen zu, dass mit den Bemühungen der Gewerkschaften in der Auseinandersetzung mit den starken Kräften der Wirtschaft und der Regierung bislang noch kein nennenswerter Durchbruch erlangt werden konnte. Olga Masson aus Moskau, ein ehemaliges Mitglied einer unabhängigen Gewerkschaft, der MPRA (die interregionale Gewerkschaft «Workers’ Association»), der es entgegen aller Wahrscheinlichkeit dennoch gelungen ist, einige kleine Erfolge zu erzielen, sprach ein wenig über die Schwierigkeiten, mit denen sie in Russland konfrontiert sind.

«Während des kommunistischen Regimes gab es im Grunde keine normalen Gewerkschaften. Es gab eine riesige Organisation, in der jede/r Mitglied war, und es bestand die Pflicht, Mitglied zu sein», erklärte sie. «Sie haben keine Arbeitskämpfe geführt, weil es angeblich ein Arbeiterstaat war, und es macht keinen Sinn für Arbeiter, einen Kampf gegen einen Arbeiterstaat zu führen. So beschäftigte sich die Organisation mit der Verteilung von Begünstigungen, wie Urlaub, Ferien und Geschenken. Da sie keine echte Gewerkschaft war, ging die Tradition des Arbeitskampfs während des damaligen Regimes verloren». Die lang-etablierte Organisation besteht auch heute noch und leistet, laut Masson, Arbeitnehmer*innen systematisch nur minimale Hilfe.

Sefi Krupsky: Wie schwer ist es für euch, Kämpfe zu führen?

Olga Masson: «Unser Hauptproblem ist ein strukturelles. Da wir die Tradition des Kampfes verloren haben, geht es bei uns in erster Linie darum, vor Gericht zu klagen. Auf diese Weise organisiert die Organisation keine Arbeitnehmer*innen in gemeinsamen Aktionen. Wir versuche es, aber es ist ein schwieriger und langwieriger Prozess, und sobald es uns etwas gelingt, stellen sich uns die Arbeitgeber*innen mit all ihrer Macht und allen ihnen verfügbaren Mitteln entgegen».

Was machen sie zum Beispiel?

«Sie rufen sofort die Polizei, wenden sich an die russischen Sicherheitsbehörden und versuchen, uns zu verklagen und gerichtliche Verfügungen zu erwirken. Bislang hatten wir noch keinen Erfolg».

Habt Ihr Euch alternative Aktionen überlegt?

«Klar, aber wir müssen zuerst die Leute organisieren, denn im Moment machen unsere Genossen immer wieder die gleichen Fehler. Es ist nämlich so: Es reichen drei Mitglieder aus, um eine Gewerkschaft zu gründen. Und dann wenden sich diese drei an den/die Arbeitgeber*in und sagen: ‹Schau, wir haben eine Gewerkschaft›. Daraufhin beginnt der/die Arbeitgeber*in einen Kampf gegen diese drei, während alle anderen Arbeitnehmer*innen im Betrieb außen vor bleiben und lediglich unbeteiligte Beobachter*innen sind».

Trotz der pessimistischen Note in Massons Beschreibung spricht sie auch über die Erfolge, die ihre gewerkschaftliche Organisation erzielen konnte. So konnten zum Beispiel die Arbeitnehmer*innen im südlichen von Moskau gelegenen Benteler Werk, einer deutschen Firma, die Teile für die Autoindustrie produziert, durch einen dreitägigen Streik alle ihre Forderungen durchsetzen.

War das möglich, weil es sich um ein internationales Unternehmen handelt?

«Ja, zumindest zum Teil. Wir haben intensiv nachgeforscht und sind zu dem Schluss gekommen, dass Volkswagen und dieses Benteler Werk eng miteinander verknüpft sind. So zum Beispiel das System der kostengünstigen Fertigung von Bestandteilen die direkt von dem Benteler Werk an Volkswagen geliefert werden, ohne dass Volkswagen für diese ein Lager eingerichtet hat. Das heißt, wenn die Produktion in dem Benteler Werk gestoppt wird, fehlen diese Bestandteile bei Volkswagen und deren Produktion kommt zum Erliegen. Das ist ein enormer Verlust für sie».

Berufsausbildung im Ausland

Während das bisher Berichtete weit entfernt von der Situation der gewerkschaftlichen Arbeit in Israel klingt, wird die nächste von den russischen Aktivist*innen berichtete Geschichte israelischen Leser*innen sehr vertraut vorkommen. Andrey Bitkov, wie Olga Masson ein Mitglied von MPRA, berichtet über den Kampf der Kranführer*innen in der Stadt Kasan, die derzeit einen Bauboom erlebt. «In der Stadt gibt es nur zirka 200 ausgebildete Kranführer*innen, die zu niedrigen Löhnen in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten. In diesem Jahr haben sie sich an uns mit der Bitte um Hilfe gewendet. Da wir in der Stadt nicht vertreten waren, baten wir dortige linke Aktivist*innen um Hilfe und organisierten über soziale Netzwerke Gespräche mit ihnen».

Bitkov erklärt: «Bei uns ist die Situation ähnlich wie in Israel. Es gibt einen Bauboom, sehr viele der Arbeitnehmer*innen im Baugewerbe sind Arbeitsmigrant*innen und die Aufsicht in Bezug auf die Sicherheit am Arbeitsplatz ist minimal. Der Lohn von Kranführer*innen ist sehr niedrig, ein Stundenlohn von zirka drei Dollar. Wir forderten eine Verdoppelung des Stundenlohns, feste Anstellungen und Sicherheit am Arbeitsplatz».

Bitkov berichtete, dass sie eine Kampagne starteten, Spenden sammelten und einen Streik organisierten, in der Hoffnung, dass zirka 80 Kranführer*innen ihre Arbeit niederlegen würden. Aber bedauerlicherweise «haben nur 30 Kranführer*innen gestreikt, so dass die Arbeit auf den meisten Baustellen der Stadt nicht unterbrochen wurde. Wir haben viel Lärm gemacht, aber keine handfesten Resultate erzielt. Die Kampagne hatte jedoch auch positive Auswirkungen. Sie führte zu Solidaritätsdemonstrationen von Kranführer*innen in anderen Teilen Russlands und hat das Thema auf die Tagesordnung gebracht».

Im Gegensatz dazu klangen die von den US-amerikanischen Teilnehmer*innen beschriebenen Schwierigkeiten ganz anders, aber nicht weniger kompliziert. Es war besonders interessant zu erfahren, wie man/frau originell mit dem kapitalistischen System umgeht, das dazu neigt, keine Kompromisse einzugehen. Professor Gordon Lafer, ein Spezialist für Arbeitsfragen an der Universität von Oregon, berichtete während des Workshops über diese Vorgehensweisen. Er beschrieb einen Arbeitskampf in der Hotelbranche auf Hawaii. Dort mussten die Reinigungskräfte ein Kontingent von Dutzenden von Zimmern pro Tag erfüllen.

Selbst das populärste Mittel, ein Streik, sogar ein unangekündigter Streik, hat nicht geholfen. Die Arbeitnehmer*innen legten um 6 Uhr morgens ihre Arbeit nieder, aber laut Lafer waren bereits um 9 Uhr desselben Tags alle Stellen im Hotel mit neuen Leuten besetzt. Was kann man/frau tun? Man/frau nutzt sein/ihr Wissen und arbeitet mit den zur Verfügung stehenden Mitteln.

Die Aktivist*innen hatten bemerkt, dass die meisten Tourist*innen, die nach Hawaii und insbesondere in dieses Hotel kommen, Japaner*innen sind. Daher wurde beschlossen, ein Komitee zum Aufruf eines Boykotts einzurichten, das sich mit Informationen an Reisebüros in Japan wendet. Sie versandten Flugblätter und führten Aufklärungsgespräche. Und tatsächlich ging die Zahl der Tourist*innen, die in das Hotel kamen, zurück. Prof. Lafer beschrieb, wie das Hotel versuchte, auf fragwürdige Weise gegen die Arbeitnehmer*innen vorzugehen, aber «das Gericht fällte eine Entscheidung gegen das Hotel, und die Reisebüros in Japan erklärten, dass sie keine weiteren Tourist*innen schicken werden, solange der Status der Arbeitnehmer*innen nicht geregelt ist».

Generell zeigte der Workshop, dass sich nicht nur in ultra-kapitalistischen Ländern Organisationen und Gewerkschaften ständig darum bemühen, originelle und innovative Wege zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmer*innen zu finden. Ein Beispiel dafür ist die finanzielle Unterstützung von Arbeitnehmer*innen, während sie eine Berufsausbildung in Ausland machen, damit sie danach in ihrem Fach besser qualifiziert sind und größere Aussichten haben, eine Anstellung zu finden. Andere Beispiele sind mit dem Verständnis des technologischen Wandels und seiner Bedeutung für den Kampf um Rechte und deren Schutz verbunden, sowie auch das Verständnis der «Me-Too»-Revolution und ihre Bedeutung für den Schutz von Arbeitnehmerinnen an ihrem Arbeitsplatz.

Während Verhandlungen nicht zu viel trinken

Es wurden auch interessante und originelle Tipps für Verhandlungen mit dem Management und Regierungsvertreter*innen gegeben. Beispielsweise empfahl einer der Teilnehmer*innen aus eigener Erfahrung, nicht zu viel während der Verhandlungen zu trinken, da die Gespräche abgebrochen werden könnten. Teilnehmer*innen aus der Ukraine berichteten von einem Fall in einem Bergwerk, bei dem sich die Ehepartner*innen und Kinder der Bergleute an dem Protest beteiligten, manchmal zu aktiv (einem der Manager*innen wurde seine Kleider zerrissen).

Am dritten und letzten Tag des Workshops hörten die Teilnehmer*innen einen interessanten aktuellen Bericht von Alan Sable, dem Direktor von UNI Global Union Americas. In Chile begannen die Proteste im Oktober 2019, nachdem die Tarife für öffentliche Verkehrsmittel gestiegen waren, und seitdem werden die Proteste fortgesetzt, trotz der hartnäckigen Versuche des Regimes sie einzudämmen.

«Wir arbeiten in Chile an dem Aufbau von Gewerkschaften. Das Problem ist, dass es nur acht Mitglieder bedarf, um eine Gewerkschaft zu gründen. So gibt es viele Splittergruppen und kaum eine starke Organisation. Wir haben daran gearbeitet, die Mitgliederzahlen in den Gewerkschaften zu erhöhen, und haben geholfen, eine Gewerkschaft im Bereich der privaten medizinischen Dienste aufzubauen – und diese Gewerkschaften beteiligen sich jetzt an den Protesten.»

Sable beschrieb, wie sich der neoliberale Staat verändert. Jedoch handelt es sich seiner Meinung nach um ein sehr enges Zeitfenster, dass es zu nutzen gilt. Falls dies nicht gelingt, wird es keine wesentliche Veränderung geben. «Aus der Geschichte wissen wir, dass sich solche Fenster schnell wieder schließen können. Meines Erachtens besteht die Herausforderung jetzt darin, dafür zu sorgen, dass konkrete Veränderungen eintreten, insbesondere in Bezug auf Mindestlohn, Krankenversicherung, Renten und Bildung».

Neben den historischen Einsichten kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die neuen Gewerkschaften versuchen, mit neuen Ideen und verbesserten Mechanismen in die Zukunft zu schreiten, weil es vielleicht nicht ausreicht, sich nur auf Arbeitsgerichte, Streiks und Sanktionen sowie Demonstrationen und Petitionen zu stützen. Zumindest nach außen hin entsteht der Eindruck eines intensiven Bemühens um eine Art High-Tech-Konfiguration von Arbeitskämpfen, eine Art Techno-Gewerkschaft – kleine, unabhängige Systeme, die große Veränderungen in Gang setzen, ohne auf die etablierten und veralteten Mechanismen vor Ort zurückzugreifen, auch nicht auf jene, die angeblich dazu gedacht sind, den Arbeitnehmer*innen zu dienen.

Nitzan Tenami, eine der beiden Generalsekretär*innen der Gewerkschaft Ko'ach LaOvdim, fasste dies am Ende des Workshops zusammen, als sie sagte, sie «sehe hier eine Art Achse zwischen den europäischen Ländern und Israel, entlang der Gewerkschaftler*innen anfangen zu verstehen, dass man sich auf die alten Strukturen nicht verlassen kann.» Ihrer Meinung nach steht das im Gegensatz zum US-amerikanischen Modell, wonach «jede Organisation für sich arbeitet, ohne zu versuchen auf die große Politik Einfluss zu nehmen. Das ist sehr interessant und plötzlich hat es mich aufgerüttelt. Wir dürfen uns nicht ducken und unseren Kopf nicht einziehen.»

Kurz bevor sich die Teilnehmer*innen zu einem Drink (nur einen, vielleicht angesichts der Einsicht über das Trinken während Verhandlungen) versammelten, kündigten die russischen Aktivist*innen eine Spende in Höhe von 200.000 Euro für den Kampf der albanischen Bergleute an. So blieb die Solidarität nicht nur im theoretischen Bereich.

Bevor die Teilnehmer*innen den Workshop verließen, wurden sie gebeten einen Fragebogen auszufüllen und anzugeben, was ihnen der Workshop gegeben hat und welche Aktion sie beabsichtigen nach ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsländer durchzuführen. «Sei es den Kapitalismus weltweit zu stürzen, oder eine Einzelaktion in Bezug auf etwas in Eurer näheren Umgebung», hieß es. Einer der Teilnehmer*innen hob den Kopf und antwortet: «Na klar, den Kapitalismus stürzen».
 

Der Artikel erschien ursprünglich auf Hebräisch in Sicha Mekomit, am 14. Dezember 2019.

Übersetzung von Ursula Wokoeck Wollin.
 

Lesetipp: Assaf Bondi, Koach La-Ovdim - Eine Gewerkschaft von unten