Dokumentation „Das Problem heißt noch immer Kapitalismus“

Neujahrsempfang der Peter Imandt Gesellschaft und dem Regionalbüro der Rosa Luxemburg Stiftung in Saarbrücken

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Kapitalismusanalyse, Kunst / Performance

Neujahrsempfang der Peter Imandt Gesellschaft und dem Regionalbüro der Rosa Luxemburg Stiftung in Saarbrücken mit Dieter Klemm und Vridolin Enxing, Ex-„Floh de Cologne“.

Wer kennt das nicht? Neujahrsempfänge dienen meist unbekannten Menschen zur Selbstdarstellung verbunden mit gegenseitigen Lubhudeleien und endlosen Reden. Konsequenz: das meist tapfere Publikum dämmert schon nach kurzer Zeit weg und wacht erst beim Gläseranstoßen aus seinem Sekundenschlaf.

Nicht so beim Jahresauftakt von Peter-Imandt-Gesellschaft und dem Regionalbüro der Rosa Luxemburg Stiftung in Saarbrücken. Auf dem ersten politischen Empfang eines jeden Jahres im Saarland, hat man sich und die Zuschauer*innen daran gewöhnt, die wichtigsten Ereignisse des Vorjahres Revue passieren zu lassen und kommende Herausforderungen zu benennen. Dieses Mal hat diese wieder der Vorsitzende Michael Quetting übernommen, der insbesondere auf die Gefahren von rechts hinwies.

Als besondere Gäste konnte Quetting „alte Bekannte“ aus seiner politischen Vergangenheit im Filmhaus begrüßen. Dieter Klemm und Vridolin Enxing, beides ehemalige Mitglieder der Kölner Deutschrock-Band „Floh de Cologne“ reisten in die Landeshauptstadt, um mit Leonie Munz und Dr. Jürgen Albers über „Beatmusik & Klassenkampf“ zu talken.

Als Auftakt war ein Film mit den raren Filmzeugnissen über die Band zu sehen. Während heutzutage jede Feierabendband unzählige selbst gemachte Clips bei Youtube einstellt, war man in den Jahren 1969 bis 1979 für lebende Bilder meist aufs Fernsehen angewiesen. Genau also die Zeit, in der „Floh de Cologne“ von den Öffentlich-Rechtlichen weitgehend boykottiert wurde und viele Auftritte leider undokumentiert blieben.

1966 als Studenten-Kabarett in Köln gegründet, versuchten „Floh de Cologne“ als erste in Deutschland eine politische Aussage mit Rock – damals sagte man noch „Beatmusik“ - zu verbinden. Texte und Musik standen gleichberechtigt nebeneinander. Galt beim klassischen Kabarett die Musik eher als ein Pausenfüller, verbanden die „Flöhe“ beide Elemente zu einer einzigen Show. 1968 entstand ihre erste Platte „Vietnam“ (gemeinsam mit Dieter Süverkrüp), der ein denkwürdiger Auftritt bei den Essener Song Tagen folgte. „Fließbandbabys Beat-Show“ galt als erste vollständig eigene Produktion, irgendwo zwischen Pop und Politik. „Die Flöhe“ avancierten bei Plattenverkäufen und Tourneegeschäft zur erfolgreichsten deutschen Kabarettgruppe und standen der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und Deutsche Kommunistische Partei (DKP) nahe. Die (bürgerliche) Presse überschlug sich in Folge mit Schmäh-Kommentaren, was die Band wenig beeindruckte.

Auf die Frage angesprochen, wie sie heute Politik und Kunst zusammengehen, antwortete Klemm, dass für sein Gefühl weit weniger politische Künstler gäbe als in den 60er bis 80er Jahren. Daher sei auch die Kunst, im politischen Sinne, belangloser geworden. Enxing stimmt dem zu, verweist aber auf eine gewisse Globalisierung und bestimmte Genres, die immer noch gesellschaftliche Widersprüche thematisieren, wie z.B. amerikanischer Rap oder Hiphop.

„Floh de Cologne“ galt seinerzeit als „DKP-Band“, was natürlich nicht stimmte. Zwar war man Mitglied, doch trat man für viele andere marxistische Organisationen auf. Außerdem darf nicht übersehen werden, wie groß in den 70er Jahren das künstlerische Umfeld der DKP war. Jedenfalls weit größer als das politische, wenn man auf die Wahlergebnisse mit gerade einmal 0,3 Prozent schaut.
Warum „Floh de Cologne“ und viele andere Künstler*innen sich der DKP annäherten, lag sicher nicht an der Partei selbst, sondern an der Idee des Marxismus-Leninismus. Damals wurde mehr analysiert und reflektiert. Denn wer eine befriedigende Antwort darauf haben wollte, warum die Fabriken nicht denjenigen gehörten, die darin arbeiten, der kam seinerzeit an einer Kommunistischen Partei nicht vorbei.

Ursprünglich waren die Studenten der Theaterwissenschaften als Kabarett-Truppe sehr erfolgreich, wollten aber nicht das klassische Kabarettpublikum, wie Zahnärzt*innen oder Steuerberater*innen bespaßen und so in eine künstlerische Sackgasse einbiegen. Reizvollere Herausforderungen sah man darin, Schüler*innen und Auszubildende zu erreichen und zu aktivieren.
Zunächst blieben die alten Kabarettbesucher*innen weg, während neue erst nach und nach in die legendären Shows kamen. Das Zielpublikum erreichte die Band mit 200 bis 250 Auftritten pro Jahr bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1983.
Immer hat die Band ausschließlich von den Gagen gelebt. Es gab keine Subventionen wie an staatlichen Theatern oder Schecks aus Moskau oder Ost-Berlin, die man auch nicht angenommen hätte.
Als Unterstützer*innen konnte man auf Multiplikatoren, wie Gewerkschaften, Jugend- und Studentenverbände zählen. „So wie wir aussahen, war es ein Wunder, dass wir überhaupt unter Arbeitern beliebt waren“, meint Enxing. „Jedenfalls scheinen diese seinerzeit aufgeschlossener, als man heute den Eindruck hat.“ Mit marxistischem Gedankengut sympathisierten viele in der Gewerkschaft. Zumindest gab es noch Gewerkschaften, die gewerkschaftsnahe Kunst förderten. Heute ein eher seltenes Phänomen...

Auf die Beliebtheit der Texte befragt, sagte Klemm: „Wir hatten das Glück, dass seinerzeit der Kapitalismus viel leichter zu verstehen oder anzufassen war. Abs, Flick und Konsorten ließen sich leicht attackieren. In Zeiten von „Black Rock“ ist dies deutlich komplizierter geworden.“ Und Enxing auf die aktuellen Entwicklungen der Umweltbewegung angesprochen: „CO² ist nicht das Problem. Das Problem heißt noch immer Kapitalismus.“