Nachricht | Wirtschafts- / Sozialpolitik - International / Transnational - Südliches Afrika - Commons / Soziale Infrastruktur - Ernährungssouveränität Welternährungstag 2020: «Wir werden nicht geschätzt»

Landarbeiter*innen in Simbabwe gehören zu den am meisten benachteiligten Menschen weltweit

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Nokutula Mhene,

Tabak-Erntearbeiter*innen in Simbabwe
Blanke Hände, schwere Last. Für manche gehört das zur täglichen Arbeit. Arbeiter*innen bei der Tabak-Ernte in Simbabwe, Foto: Jan Urhahn, Rosa-Luxemburg-Stiftung

Fast 700 Millionen Menschen weltweit hungern. Besonders auf dem afrikanischen Kontinent hat sich die Situation in den letzten Jahren verschlechtert. Die Lebens- und Arbeitsrealitäten von Landarbeiter*innen werden in Debatten über den Hunger oft übersehen. Grund genug für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Arbeitsbedingungen für Landarbeiter*innen in Simbabwe genauer unter die Lupe zu nehmen.

Simbabwe liegt im südlichen Afrika. Das Land hat mit massiven wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu kämpfen und Millionen von Menschen leben in absoluter Armut. Simbabwe hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten weltweit, gleichzeitig ist die grundlegende öffentliche Infrastruktur zusammengebrochen.

Landarbeiter*innen gehören zu den ärmsten und am stärksten marginalisierten Menschen in Simbabwe und müssen sich mit Hungerlöhnen zufriedengeben. Trotz der Landreform im Land bestehen nach wie vor dieselben Klassenbeziehungen zwischen Farmbesitzern auf der einen und Landarbeiter*innen auf der anderen Seite, auch wenn die meisten Farmbesitzer heute Schwarz sind. Trotz Veränderungen in der politischen Führung und der Regierungspolitik des Landes haben die Ausbeutungsverhältnisse des Kapitalismus dazu geführt, dass Landarbeiter*innen weiterhin unterdrückt werden.

Nokutula Mhene, Mitarbeiterin im Programm Ernährungssouveränität der Rosa-Luxemburg-Stiftung sprach mit Janet und Peter (ihre Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert), Landarbeiter*innen auf einer Tabakplantage in Macheke, Simbabwe, über ihr Leben und die Herausforderungen, denen sie sich täglich stellen müssen.

Nokutula Mhene: Wie sieht das Leben als Landarbeiter*in in Simbabwe aus?

Das Leben als Landarbeiter*in ist sehr schwierig. Unsere Arbeit ist sehr einseitig. Die Farmbesitzer sagen uns, entweder macht ihr, was ich euch sage oder ihr könnt gehen. Wir haben keine Mitsprachrechte. Das gefällt uns nicht. Wir als Arbeiter*innen müssen in Angelegenheiten, die uns betreffen, mitsprechen dürfen.

Wie sind Eure Arbeitszeiten?

Wenn wir Tabak ernten, dann beginnen wir die Arbeit um 6:30 Uhr und arbeiten bis 18 oder 18:30 Uhr. Wir haben eine 15-minütige Teepause und eine 30-minütige Mittagspause, aber den Rest der Zeit arbeiten wir. Einige von uns arbeiten im «Tunnel»[1], wir stehen sehr früh auf und beginnen die Arbeit um 6 Uhr im Tunnel und verbringen dort den ganzen Tag. Im Tunnel ist es sehr heiß. Für diese extrem schwierige Arbeit bekommen wir keinen höheren Lohn.

Macht Euch die Arbeit Spaß?

Die Arbeit unter den aktuellen Bedingungen ist schwierig. Wir sind unglücklich und arbeiten für sehr wenig Geld. Die Farmbesitzer hören nicht auf unsere Klagen. Wir haben auch das Gefühl, dass es ein System von Günstlingswirtschaft und Segregation auf den Betrieben gibt.

Seid Ihr der Meinung, dass ihr für Eure Arbeit angemessen bezahlt werdet?

Wir erhalten ein monatliches Gehalt von etwa 550 simbabwischen Dollar ohne irgendwelche zusätzlichen Leistungen (zum offiziellen Kurs vom Februar 2020 entsprach dies 31,81 US-Dollar, zum informellen Kurs jedoch nur 19,30 US-Dollar[2]). Wir haben keine Wahl, da es kaum Jobs gibt. Obwohl es vor Kurzem eine landesweite Vereinbarung zur Erhöhung der Löhne und Leistungen für Landarbeiter*innen gab, sind unsere Gehälter weiterhin gering.[3] Auf anderen Farmen werden monatlich 850 simbabwische Dollar gezahlt (das entspricht 47,48 US-Dollar zum offiziellen Kurs und 29,31 US-Dollar zum informellen Kurs) oder sogar 1.200 simbabwische Dollar (offiziell: 69,40 US-Dollar, informell: 49,37 US-Dollar). Viele Landarbeiter*innen werden bar bezahlt, aber unser Lohn wird auf der Bank eingezahlt. Für uns ist es sehr schwierig an das Geld auf der Bank heran zu kommen. Mit dem Gehalt von 550 simbabwischen Dollar muss ich alleine Maismehl für 140 Dollar kaufen. Außerdem Schulbücher für die Kinder, da diese nicht mehr von der Regierung zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen Ausgaben für Kleidung und alles weitere, was wir für unseren Haushalt brauchen. Unser Gehalt reicht bei Weitem nicht aus, um über die Runden zu kommen.

Trotz ganz unterschiedlicher Arbeit erhalten wir alle den gleichen Lohn. Während der Erntesaison werden keinerlei Überstunden aufgeschrieben. Das alles ist den Farmbesitzern egal. Ihnen ist wichtig, dass die Arbeit erledigt wird. Sie kümmern sich nicht um uns Arbeiter*innen. Wir werden nicht wertgeschätzt.

Verfügt ihr über eine angemessene Schutzausrüstung?

Obwohl wir die Farmbesitzer darum gebeten haben, arbeiten wir ohne Schutzausrüstung. Selbst dann, wenn wir die Tabakpflanzen mit gefährlichen Pestiziden besprühen. Die Gummistiefel, die ich trage, habe ich vor drei Jahren bekommen. Dem Farmbesitzer geht es darum, die Kosten zu senken, und wenn das bedeutet, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen, dann soll es so sein.

Habt Ihr während der Arbeit Zugang zu sauberem Trinkwasser?

Wir trinken das Wasser direkt aus einem offenen Damm, das maschinell dorthin gepumpt wird. Dieses Wasser wird nicht gereinigt. Das ist ein Gesundheitsrisiko, denn dort können ganz einfach schlimme Krankheiten wie Cholera entstehen.

Könnt ihr Eure Beschwerden äußern und werden sie von dem Farmbesitzer ernst genommen?

Nein, wir können unsere Beschwerden nicht vorbringen. Wir haben zwar einen Ausschuss von Arbeiter*innen, aber der ist infiltriert worden, so dass Arbeitsrechtsverletzungen nicht geahndet werden. Vor Kurzem ging es um die Frage der Kündigungsfrist, bei der der Farmbesitzer sagte, dass man nicht innerhalb von 24 Stunden kündigen kann, wenn man eine neue Arbeitsstelle gefunden hat, sondern drei Monate vorher –  auch wenn das gar nicht dem Gesetz entspricht. Es gibt auch Verleumdungen unter den Arbeiter*innen. Selbst wenn sie sich untereinander beschweren, wird jemand zum Farmbesitzer gehen und es ihm sagen. Ein Beispiel: Manche Arbeiter*innen können aus gesundheitlichen Gründen nicht alle Arbeiten erledigen. Wenn ein(e) Arbeiter*in zum Beispiel Brustschmerzen hat, kann er oder sie nicht im «Tunnel» arbeiten. Wenn sie dieses Problem zur Sprache bringen, wird ihnen gesagt, dass sie den Betrieb ja einfach verlassen könnten. Das bedeutet, dass ich mich, selbst wenn ich an einer Krankheit leide, aus Angst vor Repressalien nicht traue das zu sagen.

Gibt es spezielle Herausforderungen für Frauen?

Frauen haben keinen Zugang zu angemessenen Hygieneeinrichtungen, die ihre Würde gewährleisten. Dies ist besonders während der Menstruation schwierig.

Würdet Ihr wollen, dass Eure Kinder auch Landarbeiter*innen werden?

Ich möchte nicht, dass meine Kinder Landarbeiter*innen werden. Momentan sind wir nicht einmal in der Lage, angemessene Kleidung für die Kinder zu kaufen oder sie in die Schulen zu schicken, die sie meiner Meinung nach verdient hätten. Ich hatte die Hoffnung auf ein besseres Leben. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich hoffen, kein Landarbeiter zu werden. Wir werden hier unterdrückt. Die Farmbesitzer tun so, als wenn wir ihnen gehörten. Wir sind nur hier, weil wir keine andere Wahl haben.
 

Übersetzung: Jan Urhahn, Rosa-Luxemburg-Stiftung


[1] Anmerkung der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Der «Tunnel» ist eine Trocknungsanlage für Tabak. Als unsere RLS-Kolleg*innen den «Tunnel» besuchten, hatten sie das Gefühl wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der Hitze (über 50° C) fast ohnmächtig zu werden.

[2] In Simbabwe spielen informelle Märkte eine große Rolle und der Staat ist kaum dazu in der Lage diese zu kontrollieren. Auf ihnen werden unter anderem Währungen und Benzin gehandelt, die förmlich an jeder Straßenecke verkauft werden. Dies gilt insbesondere für den Geldumtausch. Das hat dazu geführt, dass es in Simbabwe faktisch zwei Wechselkurse gibt: einen offiziellen Wechselkurs des simbabwischen Dollar gegenüber dem US-Dollar sowie einen informellen Wechselkurs. Letzt genannter ist der Kurs, der für die meisten Bewohner*innen des Landes relevant ist, weil der Zugang zu Devisen über das offizielle Bankensystem kaum möglich ist.

[3] Die Gehälter werden in Simbabwe regelmäßig angepasst. Bei der letzten Anpassung der Löhne im Juli 2020 lag die Untergrenze des monatlichen Lohnes für Landarbeiter*innen bei 2.260 simbabwischen Dollar (offiziell: 35,46 US-Dollar, informell: 22,60 US-Dollar) und die Obergrenze bei 4.520 simbabwischen Dollar pro Monat (offiziell: 70,98 US-Dollar, informell: 45,20 US-Dollar).