Nachricht | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Globalisierung - China - Die Neuen Seidenstraßen Die Belt and Road Initiative und zivilgesellschaftliche Partizipation

Chinesische Organisationen zwischen Staat, Entwicklung und Kooperation

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Neues Großprojekt: Der Wasserkraftdamm im Mekong, Januar 2019 in Luang Prabang, Laos
Neues Großprojekt: Der Wasserkraftdamm im Mekong, Januar 2019 in Luang Prabang, Laos shutterstock

Die Belt and Road Initiative (BRI) verändert Chinas Einbindung in die Welt. Die Initiative transportiert neben Menschen und Gütern auch Konzepte und Ideen von und nach China. Während chinesische Unternehmen bereits vor der BRI außerhalb Chinas aktiv waren, haben zivilgesellschaftliche Organisationen aus China bisher wenig Erfahrungen im Ausland gesammelt. Ihre staatliche Einbindung in China und im Rahmen der BRI birgt jedoch Konfliktpotential. Während die China-Kompetenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit gestärkt werden muss, braucht es alternative Wege für Organisationen aus China, um sich international aufzustellen und eine glaubwürdige sowie konstruktive Dialogarbeit zu gestalten.
 

Zivilgesellschaftliche Organisationen treten in China vorrangig in Kooperation mit und nicht in Opposition zu Partei, Staat und Wirtschaft auf. Ihr Handlungsspielraum und ihre thematische Aufstellung sind durch das autoritäre System der Volksrepublik geprägt. Der Übergang von zivilgesellschaftlichem Engagement zu staatlicher Lenkung dieses Engagements ist fließend. Durch die Belt and Road Initiative (BRI) expandiert die chinesische Wirtschaft über ihre nationalen Grenzen hinaus. Dabei wird das Verhältnis und Verständnis von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft von der Volksrepublik China in die Partnerländer transportiert.

Christian Straube arbeitet seit 2019 im China-Programm der Stiftung Asienhaus. Er hat Moderne Sinologie, Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaft Südasiens in Heidelberg und Beijing studiert und in der Sozialanthropologie in Halle (Saale) promoviert.

Die seit 2018 als Entwurf vorliegenden neuen Regularien für «soziale Organisationen» des Ministeriums für zivile Angelegenheiten sehen eine verstärkte interne Parteiarbeit und Orientierung an den Parteistatuten der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) von zivilgesellschaftlichen Organisationen vor. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich diese Kontrolle des Parteistaats in Zukunft auf die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit und den Dialog zwischen Organisationen aus China und den Partnerländern über die BRI einschränkend auswirkt. So wurde Nichtregierungsorganisationen (NGO) bereits während des ersten Seidenstraßenforums 2017 ein konkreter ergänzender Platz in der BRI zugedacht: die Verbesserung von people-to-people Beziehungen zwischen China und den Partnerländern.

Ein Platz in der BRI für zivilgesellschaftliche Organisationen aus China

Mit dem zweiten Seidenstraßenforum 2019 wurde deutlich, dass diese verengte Herangehensweise angepasst werden musste. Die ökologischen und sozialen Auswirkungen von BRI-Projekten waren und sind immens. Viele chinesische Unternehmen kommunizieren nicht ausreichend auf lokaler Ebene in den Projektländern. Ihre Arbeiter*innen leben meist separiert von der Lokalbevölkerung. Diese «Selbstisolation»  erzeugte eine negative Wahrnehmung von BRI-Projekten bei den unmittelbar betroffenen Menschen. NGOs in Partnerländern haben ihr ganz eigenes Selbstverständnis und traten chinesischen Unternehmen bis zum Projektstopp entgegen. Entscheidungsträger*innen auf chinesischer Seite wie auch in den Partnerländern haben erkannt, dass lokale Bevölkerungen und NGOs grundständig in die BRI eingebunden werden müssen. Die Initiative soll daher grüner, intersektoraler und gemeinnütziger werden.

Es bleibt die Frage, ob diese Einbindung durch geplante staatliche Steuerung überhaupt erfolgreich geschehen kann. Ein Blick auf die ersten Überblicksressourcen zum weltweiten Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen aus China mit BRI-Projekten offenbart vor allem eins: es dominieren regierungsorganisierte Nichtregierungsorganisationen, engl. government-organised non-governmental organisations (GONGO), und staatsnahe Stiftungen mit dem Fokus auf Entwicklung und Armutsbekämpfung, z.B. die China Foundation for Peace and Development und die China Foundation for Poverty Alleviation. Es sind jedoch auch eine Vielzahl anderer chinesischer Organisationen mit Ursprung im Ausland, in chinesischen Unternehmen oder in privater Initiative aktiv.

Beispiele chinesischer Organisationen in BRI-Kooperationen

Als eine der führenden chinesischen NGOs auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung führt das Global Environmental Institute (GEI) aus Beijing nicht nur Projekte in BRI-Ländern wie Myanmar oder Kenia durch. GEI hat sich zudem mit den strukturellen Rahmenbedingungen für chinesische Organisationen und ihren Projekten im Ausland beschäftigt. So waren chinesische Organisationen in der Vergangenheit vorrangig in der humanitären und medizinischen Hilfe durch staatliche Entwicklungshilfemaßnahmen involviert. Der GEI-Bericht «Chinese NGOs ‹Going Global›» hält fest, dass unzulängliche chinesische Regularien, fehlende Finanzmittel und mangelnde Kapazitäten sowie Erfahrung chinesische Organisationen davon abhalten, Projekte im Ausland umzusetzen.

GEIs Empfehlungen um chinesischen Organisationen in ihrem internationalen Engagement zu helfen sind grundlegend und spiegeln die Veränderungen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wider. Sie reichen von einer Abkehr des materiellen Verständnisses von Entwicklung bis zu neuen Regularien und Gesetzesänderungen in China. Chinesische GONGO müssen neu ausgerichtet werden, weg von der Projektimplementierung und hin zur Spendenvergabe an andere Organisationen. Chinesische Organisationen benötigen mehr aktive Netzwerkarbeit untereinander und nachhaltige Kooperationen mit internationalen NGO.

Der chinesische Dachverband China Association for NGO Cooperation (CANGO) aus Beijing führte 2018 ein Forschungsprojekt zur Umwelt- und Sozialverantwortlichkeit chinesischer Unternehmen mit International Rivers aus den Vereinigten Staaten durch. Im Fokus standen zwei Dammprojekte in Laos und Kambodscha sowie das Verhältnis zwischen Lokalbevölkerung, zivilgesellschaftlichen Organisationen und den beteiligten chinesischen Unternehmen. Während CANGO vornehmlich die Akteursgeflechte um die Staudammprojekte untersuchte, ging International Rivers unternehmerischen Sorgfaltspflichten bis zum Ausschluss einer Projektumsetzung aufgrund der Tragweite des Eingriffes in die Natur nach.

In seinem Jahresbericht hält CANGO fest, welche Lernprozesse auf der Seite chinesischer Unternehmen angestoßen werden mussten: von der Überzeugung auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu kooperieren, Informationen auszutauschen und Vorschläge der Lokalbevölkerung anzunehmen bis zur Einrichtung dauerhafter Kommunikationskanäle zwischen Unternehmen, Regierungsstellen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. International Rivers kritisierte, dass chinesische Unternehmen zu projektfokussiert vorgehen, internationale Standards nicht einhalten und häufig unzureichend vom Partnerland kontrolliert werden. Wie CANGO betont die Organisation die fehlende Transparenz in den Umwelt- und Sozialverträglichkeitsverfahren.

Viele international tätige NGO haben ihren nationalen Kontext verlassen, um bestimmte wirtschaftliche Akteur*innen und globale Wertschöpfungsketten zu verfolgen. Dabei konnten sie bei betroffenen Menschen und lokalen Organisationen Anknüpfungspunkte durch ihre Watchdog-Funktion in Bezug auf staatliches und wirtschaftliches Handeln finden. Die gemeinsame Kritik führte zu Solidarisierung und Vertrauen. Ein im Rahmen der BRI vorgesehener Platz für chinesische Organisationen in Ergänzung zu wirtschaftlichen Akteuren aus China bietet wenig Solidarisierungsmöglichkeiten. Vertrauen kann zudem nicht aufgebaut werden, wo anti-chinesische Ressentiments in der Bevölkerung durch die Verflechtung von Lokalpolitik mit wirtschaftlichen Interessen entstanden sind.

Die BRI im Kontext von Chinas globalem Engagement

Durch die BRI tritt der chinesische Staat und die KPCh aktiv auf, um die politischen Rahmenbedingungen von Chinas Einbindung in die Welt neu zu verhandeln. In diesem Sinne ist die Initiative als eine chinesische Parteistaatskampagne zu verstehen, um die innenpolitische Position der chinesischen Regierung zu stärken: sie definiert ein strategisches Ziel, ist kein umfassender zentraler Masterplan und fungiert vielmehr als Marketing-Label für chinesische Projekte im Prozess der Neuverhandlung von Chinas Rolle in der Welt. Zahlreiche Investitionsprojekte existierten bereits bevor Xi Jinping 2013 die Errichtung «wirtschaftlicher Gürtel der Seidenstraße» ankündete.

Während jedoch chinesische Unternehmen seit Jiang Zemins Losung des «Hinausgehens» international aktiv sind, wird die Internationalisierung zivilgesellschaftlicher Organisationen aus China erst seit dem Beginn der BRI forciert. Chinesische Organisationen betreten eine weite und komplexe Kooperationslandschaft mit China. So war die chinesische Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern von Beginn an stark handelsorientiert und involvierte eine Vielzahl von Akteur*innen.

Chinesische Finanzströme konzentrierten sich bisher auf den Energie-, Transport- und Industriebereich in Partnerländern. Die mit viel Kapital ausgestatteten Staatsunternehmen obliegen der direkten Aufsicht des Staatsrats durch die Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen. Provinzunternehmen erschließen sich durch BRI-Entwicklungsprojekte neue Absatzmärkte. Privatunternehmen folgen in deren Schatten oder auf ganz eigenen Wegen.

Umfassenden chinesischen Ressourcen zur Umsetzung von Projekten stehen dabei oft sehr beschränkte Kontrollmittel der Partnerländer und mangelhafte Regierungsführung gegenüber. Gleichzeitig begegnen Projektbeteiligte aus China einer breiteren zivilgesellschaftlichen Landschaft mit staatsnahen Organisationen als auch gut organisierten, international vernetzten NGOs. Entsprechend ist es auch für zivilgesellschaftliche Organisationen aus China, die von den chinesischen Strukturen in ihrer Rolle geprägt wurden, eine Herausforderung insbesondere zu letztgenannten Organisationen in Partnerländern Vertrauen aufzubauen. Der Verdacht der Kooption und des White Washing von Projekten steht stets im Raum, wo zivilgesellschaftliche Organisationen lediglich als Erfüllungsgehilfinnen zur Projektimplementierung eingesetzt werden. Es ist noch nicht abzusehen, ob und wie die nachhaltige Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen an nun mit dem Label «BRI» versehenen Projekten konkret aussehen wird.

Kooperationen mit chinesischen Organisationen der Zivilgesellschaft 

Um «500 Kooperationspartnerschaften zwischen NGOs entlang der BRI» mit Nachhaltigkeit aufzubauen, so wie es das zweite Seidenstraßenforum 2019 festgehalten hat, müssen Organisationen aus der chinesischen Zivilgesellschaft ihren eigenen Weg «hinaus» finden. Eine staatliche Initiation von NGO-Partnerschaften und Genehmigung ausgewählter zivilgesellschaftlicher Akteur*innen von chinesischer Seite wird den Aufbau von Vertrauen in Partnerländern der BRI erschweren. Chinesische Organisationen müssen mehr über den sozialen und ökologischen Kontext von BRI-Projekten erfahren. Dies kann nur durch neue unabhängige Dialogformate gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort geschehen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in BRI-Partnerländern müssen in ihrer China-Kompetenz gestärkt werden. Der Austausch mit chinesischen Organisationen, die das Wirtschaftswachstum in ihrem Land und dessen Konsequenzen für Mensch und Umwelt kritisch begleitet haben, ist dabei essentiell. Die Externalisierung des chinesischen Wirtschaftsentwicklungsmodells kann nur durch die Linse von Chinas eigener wirtschaftspolitischer Laufbahn seit der Reform- und Öffnungspolitik verstanden werden. China-Kompetenz ist zudem gefragt, um die Dynamiken zwischen der Vielzahl chinesischer Entwicklungsakteure entlang der BRI lesen zu können. Die in den Vor- und Nachteilen chinesischer Entwicklungszusammenarbeit verwurzelten kontinuierlichen Aushandlungsprozesse zwischen Lokalbevölkerungen, Unternehmen, Entwicklungsbanken und staatlichen Stellen können nur von einer China-kompetenten starken Zivilgesellschaft mitgestaltet werden.

Initiativen zur Stärkung der Internationalisierung von chinesischen Organisationen, wie z.B. den von der Asia Foundation geförderten Handbüchern für soziale Organisation aus China, müssen ausgebaut werden. Neben dem Fokus auf den Kapazitäten einer Organisation muss deren Fähigkeit zur Teilnahme am internationalen Diskurs über die BRI und zur Dialogarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in BRI-Partnerländern gestärkt werden. Dies ist nur möglich, wenn sich Kooperationsräume zur gemeinschaftlichen Wissensbildung mit Hilfe von gemeinsamer «aktionsorientierter Forschung» zu BRI-Projekten auf Basis von Vertrauen, gemeinsamen Projekten und Kritikfähigkeit eröffnen. Ob zivilgesellschaftliche Organisationen aus China die Nachhaltigkeit von BRI-Projekten und die Lebensumstände der betroffenen Menschen verbessern werden, wird sich daran ablesen lassen, inwieweit diese Organisationen aus China auf den lokalen Kontext in den Partnerländern eingehen und der Dialog mit der Zivilgesellschaft vor Ort auf Augenhöhe stattfindet.