Nachricht | Vukadinović (Hrsg.): Die Schwarze Botin 1976-1980; Göttingen 2020

Ein sperriges Buch zu einer «sperrigen» Zeitschrift

Information

Ein großes Thema der sich in den 1970er Jahren formierenden (zweiten) Frauenbewegung in Westdeutschland war die positive Bezugnahme auf die Vorstellung, dass Frauen anders, friedlicher, authentischer seien. Gegen dieses Phänomen einer «neuen Weiblichkeit» entwickelte sich früh Kritik; in der politischen Linken und an den Rändern des Feminismus. Gabriele Goettle (geb. 1946) und Brigitte Classen (geb. 1944) kommen aus der Frauenbewegung und treffen sich 1974 erstmals. Sie werden ein (lesbisches) Paar und dann die Herausgeberinnen der Zeitschrift «Die schwarze Botin». Diese erschien in erster Folge in 17 Ausgaben, zuletzt im Dezember 1980. Die Startauflage beträgt 1976 im Selbstverlag 3000 Exemplare.

Die satirisch-anarchistische Zeitschrift sorgte schnell für Kontroversen, kritisierte z.B. den «Schleim der Authentizität» ebenso scharf wie Alice Schwarzer und die Gründung der EMMA. Es gibt Boykottaufrufe. Abstraktion und Theorie werden hochgehalten. In ihr schreiben auch Frauen, die später als Schriftstellerinnen (noch) berühmter werden, wie etwa Elfriede Jelinek oder Gisela Elsner, oder andere, die bereits akademische Karrieren begonnen hatten oder später solche machen sollten (Elisabeth Lenk, Silvia Bovenschen und andere). Ein Kennzeichen sind die Beschäftigung mit Psychoanalyse und Linguistik, was auch von den guten Kontakten nach Frankreich herrührt, so dass Texte und Interviews mit z.B. Helene Cixous oder Luce Irigaray durch Übersetzungen ins Heft und somit nach Deutschland kommen.

Das Buch enthält nach der gut 50 Seiten umfassenden Einleitung über 60 sehr verschiedene Beiträge aus der Zeitschrift, vom Gedicht bis zum langen Theorietext. Vieles davon war vermutlich schon damals etwas «abseitig» und ist aus heutiger Perspektive schwer zugänglich, wenn nicht unverständlich. Hier hätte es einer Einordnung und besseren «Rahmung» bedurft.

Private Verwerfungen schlagen sich auf die Zeitschrift nieder. Die neiden Gründerinnen entzweien sich; die weitaus produktivere Goettle tut sich mit der Grafikerin Elisabeth Kmölniger (1947-2018) zusammen, Classen mit Branka Wehowski (1954-1993). Über die ökonomischen und strukturellen Bedingungen der Zeitschrift, etwa wie der Vertrieb erfolgte, erfährt die Leser*in leider nichts, obwohl Vukadinović, der als politischer Wissenschaftler als umstritten gelten dürfte, Interviews mit vielen damals Beteiligten geführt hat. Nicht Gegenstand des Buches ist die zweite Folge der Zeitschrift, die Classen, in Abgrenzung, wenn nicht im deutlichen Affront zu Goettle, zusammen mit Wehowski von 1983 bis 1987 herausgeben wird.

«Die schwarze Botin» war womöglich, wie der Verlag schreibt, die «radikalste Zeitschrift der westdeutschen Frauenbewegung»; sicherlich aber nicht «das bedeutendste feministische Periodikum in deutscher Sprache» wie der Herausgeber*in schreibt (S. 11). Insgesamt ein sperriges Buch zu einer «sperrigen» Zeitschrift.

Die Schwarze Botin. Ästhetik, Kritik, Polemik, Satire 1976-1980; Herausgegeben und mit einer historischen Einleitung von Vojin Saša Vukadinović. Mit einem literaturwissenschaftlichen Nachwort von Magnus Klaue und Christiane Ketteler; Wallstein Verlag, Göttingen 2020, 512 S., 36 EUR

Link zum Bestand der Zeitschrift «Die Schwarze Botin» in Bibliotheken.