China ist mit mehr als 30 Prozent verantwortlich für die weltweiten CO2-Emissionen und damit absolut gesehen der größte Emittent. Wenn gleich sein Pro-Kopf-CO2 Ausstoß hinter den USA, Russland, Saudi-Arabien und Deutschland liegt. Zudem resultieren mindestens 35 Prozent der Emissionen Chinas aus der Produktion von Gütern für den Export und einiges auch aus der Wiederaufbereitung von westlichem Müll.
Laura Geiger ist Leiterin des Klimagerechtigkeitsprogramms Philippinen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Manila.
Um der enormen Produktionsleistung gerecht zu werden, baut China nach wie vor mit hoher Geschwindigkeit Kohlekraftwerke im In- und Ausland. China und besitzt mehr Kohlekraftwerke als jedes andere Land der Erde und doch muss erwähnt werden, dass diese mit neusten Filteranlagen ausgestattet werden und veraltete Kraftwerke stillgelegt.
Denn China hat ehrgeizige Ziele. Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen gegenüber 2005 um 65 Prozent reduziert werden. Und bis 2060 soll das Ziel von einer kohlenstoffneutralen (net zero) Wirtschaft und Gesellschaft erreicht sein. Dazu gibt es mehr als 2000 Vorschläge von der renommierten Tsinghua Universität. 2018 lieferten regenerative Energie bereits knapp 25 Prozent des Stroms. China ist ebenfalls Vorreiter und führend in der Produktion, Installation und Investition von Erneuerbaren Energien, das heißt Solar- und Windanlagen sowie Wasserkraft, 25 Prozent der installierten weltweiten Wasserkraft sind in China installiert. 2018 wurden eine Million E-Autos in China verkauft, mehr als in der restlichen Welt zusammen. Es gibt Pilotprojekte zu Wasserstoffnutzung und Brennstoffzellentechnik. 30 Prozent aller grünen Jobs hat China geschaffen.
Der staatlich geführte Umweltschutz hat vorrangig dazu beigetragen. Die Idee der ökosozialistischen Zivilisation ist fest im Programm der Kommunistischen Partei verankert. Neben einer stabilen Stromversorgung hat das Programm auch substantiell zur Armutsbekämpfung beigetragen.
Die Frage nach den negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen stellt sich bei allen Projekten, bei denen Gewinnmaximierung und geopolitische Interessen über sozialen und ökologischen Fragen stehen. Da ist das Projekt Seidenstraße keine Ausnahme.
Das Besondere an Chinas Megaprojekt ist die Dimension der Investitionen. Das bereitet vor allem den (westlichen) Regierungen Sorge, die ihren geopolitischen und ökonomischen Einfluss in diesen Regionen schwinden sehen. Die ökologische Sorge wirkt da manchmal nur vorgeschoben.
Welche ökologischen Herausforderungen zeichnen sich bereits ab?
Die CO2 Emissionen nehmen im besonderen Maße zu. Seit 2014 hat China in den Ländern der Seidenstraße fast sechsmal soviel in Kohlekraft investiert, als in Wind - und Solarenergie. Auch die Förderung weiterer Öl- und Gasvorkommen führt zu einer anhaltenden Abhängigkeit von fossilen Energien in diesen Ländern. Zusätzlich zu den Emissionen der Kohlekraftwerke kommen die Emissionen vom erhöhten Gütertransport durch Lkws, Züge und dem Schiffsverkehr außerhalb von China.
Prognosen zeigen, dass die Emissionen der Länder, die im Seidenstraßenprojekt involviert sind, zu einer dramatischen 3-Grad Erwärmung führen (die beteiligten Länder ausgenommen von China, machen bereits jetzt schon 28 Prozent der globalen Kohlenstoffemissionen aus). Das könnte bis 2050 auf 66 Prozent ansteigen selbst wenn sich alle anderen Länder an ihre Emissionsziele halten. Die Obergrenze des Ziels des Pariser Abkommens liegt bei zwei Grad für den weltweiten Temperaturanstieg und selbst das halten Wissenschaftler als fahrlässig.
Zudem führt der erhöhte Verbrauch von Rohstoffen zu einem weiteren ökologischen Raubbau an der Natur. Die Folge sind die Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen, Verschmutzung, Wegfall von Kohlenstoffsenken wie Wäldern. Die geplanten Projekte der Seidenstraße durchkreuzen 46 «Hotspots» der biologischen Vielfalt und erstrecken sich auf Korridoren mit über 1.700 Vogelschutz-Schlüsselgebieten sowie. Dem gegenüber stehen Chinas immense Anstrengungen bei Aufforstungsprojekten. Das weltweite größte Umweltprogramm mit einer Laufzeit von 72 Jahren, 5 Milliarden Investition/Jahr umfasst eine Fläche von 400.000 Quadratkilometer Wald – größer als ganz Deutschland. Bei der Beschreibung der ökologischen und Klima-Dimensionen wird jedoch deutlich, dass die Lösung nicht weitere Seidenstraßen Finanzierungsprojekte sein können, wie das bereits die USA und Europa planen. Es soll damit vor allem Druck auf China aufgebaut werden, um geopolitisch mitreden zu können.
China selber beschreibt die Seidenstraße als Alternative zu Protektionismus und den hegemonialen Bestrebungen der USA und Nordeuropa. Chinas Staatschef sagt dazu: Die Seidenstraße wolle eine globale Gemeinschaft kreieren für eine gemeinsame menschliche Zukunft.
Um die prognostizierten Emissionen abzuwenden, muss vorrangig auf die Installation Erneuerbarer Energien gesetzt werden. Neben dem Export von Technologien sollten vor allem auch umweltverträgliche Gesetzgebungen exportiert werden, damit das im Klimaabkommen vereinbarte 2-Grad-Ziel tatsächlich gehalten werden kann. Für die geplanten Entwicklungsprojekte der Seidenstraße, die nun viele Emissionen zur Folge haben werden, kann die Konsequenz allerdings nicht sein die Entwicklung einzustellen, sondern der Westen sollte die Bewertung an den Möglichkeiten messen und nicht nur an moralischen Werten vornehmen. So könnte ebenfalls ein Technologietransfer oder faire Kredite und Abkommen vom Westen in diesen Ländern dazu beitragen, sozial-ökologisch verträgliche Entwicklung voranzubringen.
Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen verpflichtend für Großprojekte sein, das betrifft nicht nur die Seidenstraße. Das kann nach Abwägung auch bedeuten, dass ein Projekt nicht umgesetzt werden kann. Es sollte mehr Transparenz geschaffen werden, zum einen, um nachvollziehen zu können, welche Firmen an welchen Projekten beteiligt sind. Zum anderen, um die Umweltdaten besser verifizieren zu können auch das betrifft nicht nur die Seidenstraße. Da dies aber ein Projekt mit bisher nie dagewesenen Folgen bedeutet, müssen definitiv neue Wege in der Zusammenarbeit gefunden werden.
Drei Ansätze
Erstens muss die Teilhabe der Betroffenen und der Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozessen verstärkt werden, so dass sich eine «globale Gemeinschaft der Verantwortung» bilden kann. Wenn sich das Ideal von individueller Freiheit weiterhin durchsetzt, unabhängig von den damit einhergehenden Konsequenzen für Mensch und Natur, wird durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Schaden einer Klimakatastrophe nicht abgewendet werden können. Hardin thematisiert das Problem in «Tragedy of the Commons» bereits 1968. Elinor Ostrom veröffentlichte 1990 die Theorie, dass Gemeinschaften die sich kennen und darauf angewiesen sind in der Zukunft zusammen zu arbeiten, eher bereit sind ein gemeinschaftsbasiertes Ressourcenmanagement zu betreiben. Eventuell verfolgt China mit seinem Staatsmodel einige dieser Aspekte bereits und ist uns voraus?
Zweitens kann es, sobald es eine gemeinsame Vision und Verantwortung gibt, auch zu einer höheren Akzeptanz durch die Bevölkerung kommen, wenn Klima- und Ressourcenschutz staatlich verordnetet werden, auch wenn das gegen die Interessen der Wirtschaft geht. Einige Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von Öko-Autoritarismus, dies scheint ebenfalls einigen Wissenschaftlern eine sinnvolle Lösung für unsere Klimaproblematik zu sein.
Gleichzeitig zeigt auch das Beispiel China, das staatsgeführte Umweltprogramme sich mehr an den Resultaten orientieren als an Werten wie Transparenz und Gerechtigkeit, individuelle Rechte können in diesem Prozess leicht untergraben werden.
Drittens müssen internationale Abkommen gesetzlich verankert und verbindlich umgesetzt werden. Da die internationalen Klimaverhandlungen seit Jahren kaum Fortschritte vorweisen können, stellt sich die Frage, in wieweit China mit dem Projekt der Seidenstraße die politischen Möglichkeiten auch nutzen wird, um Klimaschutz voranzubringen. Die aktive und konstruktive Rolle Chinas zeigte sich im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen bereits. Das würde ein ungeheures Potenzial entfalten, wenngleich das Mitspracherecht und die Transparenz weiterhin in vollem Umfang gewährleistet werden müssten.
Ob der Spagat zwischen vorzeitig erfüllter Klimaziele Chinas des Pariser Abkommen für 2020 und steigenden Emissionen durch die Investitionspolitik der Seidenstraße gelingt, bleibt abzuwarten. Inwieweit die Verantwortung der Länder und ihrer Expansionspolitik Konsequenzen in den Klimaverhandlungen haben wird ist ebenfalls fraglich.
Es wird vermutet, dass China nicht nur die Länder der Seidenstraße mitziehen könnte, sondern auch zum Beispiel Deutschland, schaut man sich die spärlichen Fortschritte beim Klimaschutz (unter anderm die Verkehrswende) hierzulande an.
Chinas Staatschef Xi Jinping habe sich für eine «grüne, gesunde, intelligente und friedliche» Seidenstraße ausgesprochen und die kooperierenden Länder aufgefordert, dafür den Umwelt- und Naturschutz zu verbessern. «Jedes Vergehen gegen die Natur räche sich irgendwann und es liegt in seinem ureigenen Interesse, sein Land davor zu bewahren», sagt er.
Deshalb stellt sich weiterhin die Frage, welcher radikale Weg muss gegangen werden, um überlebensfähig zu sein. «Kann der Planet einen liberal-demokratischen Prozess verkraften, wenn die Gefahren so akut sind?» fragt Yifei Li, Professor Shanghai University.
Der globalen Gemeinschaft muss klar sein. dass man Verantwortung nicht mehr externalisieren kann. Die Anstrengungen müssen von allen unternommen werden.