Pressemeldung | Systemrelevante Berufe – Welche es sind und wie man sie aufwertet

Aktuelle Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlicht

Cover der Studie "Systemrelevante Berufe. Sozialstrukturelle Lage und Maßnahmen zu ihrer Aufwertung"

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor einem Jahr wurden plötzlich jene Berufstätige viel beklatschte Held*innen, die mit ihrer Arbeit in den Worten der Kanzlerin „den Laden am Laufen halten“. Seither wird darüber diskutiert, mit welchen Maßnahmen solche Tätigkeiten aufgewertet werden können – sowohl was die Bezahlung als auch die öffentliche Wertschätzung angeht.

Eine zielgerichtete und nachhaltige Aufwertung systemrelevanter Arbeit kann am besten erreicht werden durch eine Kombination aus Sonderzahlungen – zur Entschädigung für die Belastungen der letzten Monate – und substanziellen Lohnerhöhungen, begleitet von einer Stärkung der Tarifbindung sowie Maßnahmen zur Zurückdrängung des Niedriglohnsektors. Ebenso wichtig sind Maßnahmen gegen Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen, wozu eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, ein Ausbau der Kinderbetreuung sowie die Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle gehören. Zu diesem Ergebnis kommt Philipp Tolios, Autor der Studie „Systemrelevante Berufe. Sozialstrukturelle Lage und Maßnahmen zu ihrer Aufwertung“ im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die heute in Berlin veröffentlicht wurde.

Trotz der Unterschiedlichkeit der als systemrelevant geltenden Berufe – zu ihnen zählen sowohl Ärzt*innen als auch Reinigungskräfte, IT-Systemadministrator*innen und Kraftfahrer*innen, Lehrer*innen und Kranken- und Altenpfleger*innen, Kassierer*innen und Beschäftigte in der Verwaltung – teilt die übergroße Mehrheit gemeinsame Merkmale.

Dazu zählen:

•    „Social Pay Gap“: 52 Prozent der systemrelevant Beschäftigten arbeiten im Sektor der personenbezogenen Dienstleistungen, und damit in dem Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsgehältern.

•    „Skill Pay Gap“: Auf allen Anforderungsniveaus – vom „Helfer“ über die „Fachkraft“ und die „Spezialistin“ bis hin zur „Expertin“ – sind die Löhne geringer als in den nicht systemrelevanten Berufen, wobei es den größten Unterschied bei den un- und angelernten Tätigkeiten gibt.

•    „Gender Pay Gap“: Knapp 60 Prozent der systemrelevanten Berufe wird von Frauen ausgeübt. Die Debatte um die Systemrelevanz vieler sogenannter „Frauenberufe“ stellt somit eine Chance dar, einen Beitrag zur Überwindung des Gender Pay Gap zu leisten.

•    „Respect Gap“: Die Debatte um systemrelevante Tätigkeiten stellt die meritokratische Ordnung in Frage, nach der die Ungleichheit in Bezahlung und sozialer Anerkennung vor allem mit dem formalen Bildungsstand legitimiert wird. Spätestens seit Corona wissen wir: Die Bedeutung einer Tätigkeit für das Gemeinwesen hängt nicht am Bildungsstand.

Erstmals werden zu diesem Thema Daten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) und der Berufsstatistik der Bundesagentur für Arbeit in einer Studie ausgewertet und dabei nach Qualifikationsstufen unterschieden.

Jannine Hamilton
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