Nun durfte die staunende Öffentlichkeit lesen, dass das Saarland beim Insektenschutz „eigene Wege“ geht, was bedeutet, dass das Ministerium für Umwelt untätig bleibt. Außer es geht – wie so häufig – um die Umsetzung von Vorgaben des Bauernverbandes.
Sicherlich gibt es fragwürdige oder heikle Punkte im neuen Bundesnaturschutzgesetz, denn kein Gesetz dieser Welt oder die vielen krokodiltränenreichen Worte verantwortlicher Politiker*innen bringen auch nur ein Bienchen zurück. Vielmehr sollte gehandelt werden. Und genau dies unterlässt das saarländische Umweltministerium sträflich. Die Landwirte sollen genauso weiterwursteln dürfen, wie sie es bisher getan haben und so weiterhin ihren Beitrag zum Artensterben beitragen.
Sicherlich stellt sich der Rückgang der Artenvielfalt im Saarland (noch) nicht so dramatisch dar wie in anderen Bundesländern, insbesondere dort, wo die agroindustriellen Betriebe die Landschaften dominieren. Beispiel gefällig? Berlin, scheinbar ein zugebauter Moloch urbanen Lebens, dient inzwischen als „Wildtier-Auffangstation“, wo sich Fuchs und Hase gerne „guten Tag“ sagen, weil sie aus dem Umland dorthin fliehen. Nicht anders tun es die Insekten. Denn die Agrowüsten Brandenburgs und dessen unendlich weiten Nadelwälder bieten kaum noch ausreichende Lebens- und Nahrungsgrundlagen. Städter*innen mit ihrem Tick Blumen und Gemüse zu pflanzen, zu pflegen und sich an Wildtieren zu erfreuen, leisten heutzutage mehr für die Biodiversität als die ländlichen Gebiete zwischen Finsterwalde und Prenzlau.
Auf das Saarland heruntergebrochen heißt dies, dass seine dichten Bebauung den starken Artenschwund eher nicht zu dramatisch hat ausfallen lassen. Nicht unsere hiesigen Landwirte waren „vernünftig“, sondern wir haben den glücklichen Zufall unserer Geographie.
Erst im Dezember 2020 überraschte das Umweltministerium mit der Ankündigung, dieses Jahr eine Studie zu „Insekten-Sterben an der Saar“ auflegen zu wollen, obwohl es seit Jahren Mahner*innen mit dem Vorwurf des Quatscherzählens überzieht, wenn diese auf hiesigen Artenschwund und mangelnde empirische Daten hinweisen. Und nun klinkt sich das Saarland aus der Umsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes aus, obwohl es (noch) über keinerlei verlässliche empirische Daten verfügt. So etwas nennt man vorauseilender Gehorsam.
In dem Zusammenhang haben sich weder NABU noch BUND mit Ruhm bekleckert. Entgegen deren Kolleg*innen in anderen Bundesländern, hatte man hier nie Forderungen z.B. nach „glyphosatfreien“ oder „gentechnikfreien Zonen“ formuliert. Angesichts der Förderungen für deren Projekte und Infrastrukturen aus Mitteln des Umweltministeriums darf dies nicht verwundern. Kritik an den langjährigen Missständen werden allenfalls sehr kleinlaut formuliert oder auf globale Zusammenhänge geschoben. Womit der regionale Adressat: die Landesregierung und die Ministerialbürokratie wieder fein aus dem Schneider sind.
„Hauptsach gudd gess“ ist eines der Lieblingszitate unseres Umweltministers. Vielleicht sieht sich aktuell der Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes durch sie animiert, ausgerechnet jetzt auf fehlendes Gras hinzuweisen, dass den Rindern künftig nicht als Futtermittel zur Verfügung stünde und nun zu angeblich „weniger Lebensmitteln im Saarland“ führe und damit „importiert“ werden müsste. Dabei wissen alle Bauernverbandsfunktionäre sehr genau, dass alleine die im Saarland hergestellten Fleisch- und Milchmengen binnen eines Monats alleine nur über die Globus-Märkte verkauft werden können. Anders gesprochen: der Bauernverband verkauft sich und seine Landwirte schon seit Jahren als „Billigheimer“ zu Schleuderpreisen mit vermuteten Absatzgebieten in aller Welt. „Vermutet“ deshalb, weil genau dieser Bauernverband sich jeglichen Regionalisierungstendenzen, Wertschöpfungen und Nachverfolgungsmöglichkeiten erfolgreich entgegenstemmte. Im Klartext: alle Erzeugnisse aus der saarländischen Landwirtschaft, lassen sich über den regionalen Handel absetzen. Dieser würde sich sogar freuen. Doch das unterbleibt – bis auf lobende Ausnahmen – fast völlig.
Eine geschlossene Nahrungskette – vom Acker oder Stall, über Verarbeitung und Handel bis auf den Teller der Verbraucher*innen - böte den Vorteil, interpretierbare und hochwertige Produkte zu höherem Preise absetzen zu können, was auch der Natur bzw. der Biodiversität zu Gute käme. Statt wenige Arten von Turbokühen, hätten alte, teilweise vom Aussterben bedrohte Rinder- und andere Haustierarten (z.B. das Glanrind), wieder eine Chance. Statt weniger Getreidesorten, in denen nicht einmal mehr ein Kornblümchen wächst oder totgespritzt wird, ließen sich mit Emmer, Einkorn, Dinkel, Urgetreide aber auch Rot- und Gelbweizen sicher die Herzen der Bäcker erobern. Und damit sind wir noch gar nicht bei alten Obst- und Gemüsesorten, die andernorts sich einer Renaissance erfreuen, im Saarland aber ein Schattendasein fristen.
Überhaupt sollte ein Landesprogramm aufgelegt werden, das den kleinteiligen (!) Acker- und Gartenbau hebt. Bekanntermaßen wurde vor 50 Jahren viel mehr Landwirtschaft betrieben als heute. Flora- und Fauna galten als intakt. Also der Zeitraum, als Produkte für „aktiven Pflanzenschutz“ ihr Zerstörungswerk begannen und in der Agrolobby ihren größten Fürsprecher fanden.
Bestätigt vom angekündigten „eigenen Weg“ in Sachen „Insektenschutz“, glaube ich persönlich nach so vielen Jahren nicht mehr, dass Bauernverband und Umweltministeriums konstruktiv etwas zur Artenrettung beitragen. Außer mit reiner Symbolpolitik, wie die dümmliche Blühaktion „Saartenvielfalt“ in 2020, wo saarlandweit 30 Hektar von insgesamt 38.000 Hektar (!) Ackerfläche – also noch nicht einmal einer Promille - mit blühverlängernden Pflanzen bebaut werden. Und selbst dies hat sich der Bauernverband noch sponsern lassen.
Einzig politischer Druck könnte ein Umdenken bewirken. Als allererstes sollten inkompetente Kommentare – wie von Lothar Warscheid von der SZ – unterbleiben, da scheinbar in der zuständigen Redaktion keine seriöse Expertise in Fragen von Landwirtschaft und Biodiversität besteht.
Naturschutzverbände sollten sich selbst befragen, ob ihre konziliante Art und das Beifallspenden für den saarländischen „Sonderweg“, irgendein Insekt rettet oder ob nicht die Zeit gekommen ist, deutlich hörbarer auf den Tisch zu schlagen? Jedenfalls dürfen sie sich in nicht allzu ferner Zeit auf solche Fragen einstellen.