Nachricht | Altieri: Rosi Wolfstein-Frölich; Leipzig/Berlin 2021

Zur Biographie einer Linkssozialistin

Information

Geboren 1888 in einer säkularisierten jüdischen Familie im preußischen Witten führt ihr politischer Weg sie zuerst in die SPD, wo sie auf dem linken Flügel aktiv ist. Von dort geht es schnell in die KPD, für die Wolfstein 1921 bis 1924 sogar im Preußischen Landtag sitzt. 1929 wird sie schließlich als Angehörige des «rechten Flügels» ausgeschlossen. Aktiv in der KPD-Opposition, tritt sie wie ihr Partner, der 1884 geborene Paul Frölich, 1931 in die heute unbekannte, aber damals einige Zeit durchaus wichtige Sozialistische Arbeiterpartei(SAP) über. 1942, da bereits fast 10 Jahre im Exil und ein Jahr in New York, ziehen die Frölichs sich auch aus der SAP zurück. 1948 erst heiraten die beiden, 1951 (Wolfstein ist 63 Jahre alt) kehren sie in die Bundesrepublik zurück, treten wieder in die SPD ein, da sie den Weg der KPD und der SED ablehnen. Leider stirbt Frölich, der 1939 eine der ersten Biographien über Rosa Luxemburg veröffentlicht hatte, und auch als ihr zumindest zeitweiliger Nachlassverwalter gilt, bereits zwei Jahre später.

Altieri erzählt in knapper und treffender Form das Resultat seiner mehrjährigen Forschung zum Leben und Engagement der Sozialistin, die bereits 1916 auf dem linken Flügel der SPD aktiv und mit Rosa Luxemburg auch privat befreundet ist.

Insgesamt 18 Jahre leben die Frölichs im Exil, anfangs getrennt, sie in Belgien, er in der Tschechoslowakei, dann zusammen in Frankreich, von wo aus ihnen, nicht zuletzt durch die Hilfe von Varian Fry, 1941 die Flucht nach New York gelingt. Diese Zeit hat Rosi Frölich nachhaltig beeinflusst. Zum einen ist ihr Netzwerk deutlich gewachsen und sie hielt über Jahrzehnte Kontakte nach Belgien, in die USA und nach Israel. Sie reist sogar noch mehrmals in die USA und sogar nach Jugoslawien. Politisch richtet sich ihr Blick aber hauptsächlich wieder auf Deutschland. Sie wird zu einer innerparteilichen Kritikerin der SPD, greift Parteigrößen wie Herbert Wehner direkt, Helmut Schmidt eher indirekt an, macht gar Willy Brandt Vorwürfe. Von der SPD wird sie weitgehend ignoriert, erst zu ihrem 90. und dann zum 95. Geburtstag und letztlich bei ihrer Beisetzung und späteren Trauerfeier «geehrt». Sie interessiert sich sehr für die weiblichen Opfer des Stalinismus, geht vielen Einzelschicksalen nach, macht Überlebende ausfindig und erkundigt sich nach dem Verbleib ehemaliger Genossinnen. Dem Schicksal der NS-Opfer, insbesondere z.B. ihrer eigenen Schwestern, ging sie nie wirklich nach. Vielleicht, um es nicht an sich heranzulassen.

Altieris Text ist eine gelungene Schilderung des Lebensweges, wobei durch seine Kürze die politischen Entwicklungen und Konflikte etwas kurz kommen. Mit dieser kleinen Publikation liegt der erste gesamtbiografische Text über eine Jüdin und entschiedene Antistalinistin vor, der Auskunft über eine sprichwörtliche Jahrhundertbiographie gibt. Wolfstein hat ein Leben gelebt, in dem das Streben nach einer gerechten Gesellschaft bis zu ihrem Tod 1987 sehr stark war.

Wer mehr über das Ehepaar Frölich-Wolfstein erfahren will, kann dann in absehbarer Zeit zur in Buchform erscheinenden Dissertation von Altieri greifen, die 2018-2021 an der Universität Potsdam unter der Betreuung durch Frank Jacobund Mario Kesslerentstanden ist.

Riccardo Altieri: Rosi Wolfstein-Frölich. Sozialdemokratin und Antimilitaristin; Hentrich & Hentrich Verlag, Leipzig/Berlin 2021, 66 Seiten, 8,90 EUR