Am 27. Mai 2021 stellte Anja Röhl in einem sehr gut besuchten Online-Vortrag ihre Thesen zur transgenerationalen Weitergabe von NS-Erziehung vor und zur Diskussion.
Die Geschichte der Kindheit unter dem Faschismus ist komplex. Faschismus und Krieg bilden eine Einheit im betreffenden Kind. Anders als in anderen Ländern hat die faschistische Erziehung das Erleben der deutschen Kriegskinder spezifisch geprägt. Die NS-Kindergeneration sollte hart wie Krupp-Stahl, skrupellos und zum Töten bereit sein, wer das nicht war (welches Kind war das schon von Natur aus?), der wurde geschmäht, gequält, geschliffen und grausam zurechtgestutzt. Neuere Kenntnisse über die Hitlerjugend widerlegen das Bild einer harmlosen Pfadfindertruppe. Die Kinder wurden schon ab 1933, noch im tiefsten Frieden, systematisch für den Krieg erzogen, im Krieg verheizt und nach dem Krieg als lediglich durch Krieg und Flucht traumatisiert angesehen.
Anja Röhl geht in ihrem Vortrag der Frage nach, in welcher Weise sich NS-Erziehung auf das Leben dieser Kinder nach 1945, auf ihre Elternkompetenz und ihre Berufstätigkeit (1949 bis 1989 in beiden deutschen Staaten) ausgewirkt hat. Sie erläutert, dass transgenerationale Weitergabe von NS-Erziehung eine unbewusste Angelegenheit ist, die sich durch eine besondere, in Teilen zerstörte Emotionalität vermittelt, für die die nachkommenden Generationen keine Erklärungen finden können. Daher sollen in dem Vortrag zunächst die Schäden der NS-Kindergeneration zwischen 33 und 45 in den Blick genommen und anschließend der Fokus auf die Auswirkungen dieser Schäden auf die nächste Generation gerichtet werden.
Die Referentin war von 1999 bis 2018 Sonderpädagogik-Dozentin mit den Schwerpunktthemen Geschichte der Pädagogik, Sonderpädagogik, Heilpädagogik, Frühpädagogik, Institutionelle Gewalt und Psychohistorie. Sie ist zudem als Journalistin und Buchautorin tätig. Zuletzt erschien von ihr „Das Elend der Verschickungskinder. Kindererholungsheime als Orte der Gewalt“.
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