Die Kampfform des Streiks hat auch in Deutschland in den vergangenen Jahren wieder eine Renaissance erlebt. Sowohl DGB-Gewerkschaften als auch kleinere Gewerkschaften wie Cockpit haben mehr oder weniger erfolgreich ihre Lohnforderungen mit dieser Form der Auseinandersetzung unterstrichen. Auch der Buchmarkt hat diese Renaissance des Themas gewürdigt – beginnend mit Michael Kittners Studie „Arbeitskampf. Geschichte – Recht – Gegenwart“ über Streiks in Deutschland bis hin zu der Arbeit von Peter Birke über „Wilde Streiks im Wirtschaftswunder: Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik und Dänemark“. Dennoch deckt gerade der von Holger Marcks und Matthias Seiffert herausgegebene Sammelband noch eine Lücke ab. Es geht, wie sie es im Vorwort formulieren, um eine Schilderung von großen Streiks als historische Ereignisse. Sie haben sich dabei auf elf, exemplarische Streiks im 20. Jahrhundert fokussiert. Diese werden in lebendiger Form als Streik an sich dargestellt und mit einem historischen Abriß der Geschichte der Arbeitskämpfe im jeweiligen Land und der Biographie eines wesentlich am Streik beteiligten Gewerkschaftlers (Frauen kommen diesbezüglich leider zu kurz!) kontextualisiert. Dabei handelt es sich größtenteils um Originalbeiträge, die von Anarcho-SyndikalistInnen beigesteuert wurden und bis auf wenige Ausnahmen durch und durch lesenswert sind. Der Ursprung des Sammelbandes liegt in der gleichnamigen Artikelserie, der in der Zeitschrift „Direkte Aktion“ 2005 erschien. Dementsprechend ist dieses Buch in erster Linie an AktivistInnen gerichtet – und nicht an ein rein wissenschaftliches Publikum.
Den Auftakt bildet der Migranntenstreik von McKees Rocks (1909), der eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Industrial Workers of the World (IWW) spielte und ein Beispiel für die Überwindung von Spaltungsmechanismen innerhalb der ArbeiterInnenklasse darstellt. Weiterhin werden die Streiks im Ruhrgebiet (1919), der Aufstand in Patagonien (Argentinien), die antifaschistische Tätigkeit der Internationalen Transportarbeiter Förderation (ITF) bis hin zum SchülerInnenstreik in Südafrika 1976, womit der Band auch den rein westeuropäischen Blickwinkel verläßt, und den Streiks im öffentlichen Dienst 1995 in Frankreich beleuchtet. Eingerahmt sind die elf Kapitel über Streiks durch ein Vor- und Nachwort sowie ein umfangreiches Glossar. Hervorhebenswert ist zudem, daß an jedes Kapitel eine kommentierte Bibliographie anschließt. Alles in allem ist es ein sehr spannend zu lesender und lehrreicher Sammelband geworden, dessen Lektüre SyndikalistInnen nur ans Herz gelegt werden kann.
Maurice Schuhmann
Holger Marcks / Matthias Seiffert: Die großen Streiks: Episoden aus dem Klassenkampf, Unrast Verlag Münster, April 2008, 14,80 Euro, 264 S., ISBN: 978-3897714731.
Zuerst erschienen in CONTRASTE der Monatszeitung für Selbstorganisation, Nr. 290 (November 2008); Publikation mit freundlicher Genehmigung des Autors.