Nachricht | COP26 Medienbilder, Streiks & Proteste

Zu Beginn der Klimakonferenz in Glasgow versucht sich die britische Regierung als führend in der Klimapolitik zu präsentieren – und soziale Bewegungen aus der ganzen Welt kämpfen darum, trotz der schwierigen Umstände ihre Positionen sichtbar zu machen.

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Clare Hymer,

Demonstrant*innen während einer Klimaprotestaktion in London im Vorfeld der 26. UN-Klimakonferenz. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Frank Augstein

Nach einem Jahr Pause wegen der Pandemie treffen sich in Glasgow die Staatsoberhäupter zum 26. Treffen der Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP26). Die Erwartungen sind hoch: Während die britische Regierung unter Boris Johnson verspricht, der Gipfel werde endlich die Maßnahmen voranbringen, die so dringend nötig sind um die globale Erwärmung einzudämmen, weisen Kritiker*innen darauf hin, wie klimaschädlich sich das Land selbst verhält – und unternehmen alles, um auch in Zeiten der Pandemie und angesichts des ungleichen Zugangs zu Impfungen ihre Kritik hören zu lassen.

Vom 31.Oktober bis zum 12. November treffen sich die Staatsoberhäupter der Welt zur 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow, mit dem erklärten Ziel, ehrgeizige Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu beschließen. In den Tagen vor Beginn der Konferenz zeigten sich zwei sehr unterschiedliche Bilder des Vereinigten Königreichs: Ein Bild, in dem das Gastgeberland der diesjährigen COP26 als internationaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz gilt, der kühn den Weg zu einer saubereren, grüneren Welt einschlägt. Und ein anderes, in dem das Land – vielleicht mehr als alle anderen Klimasünder der Weltein wahrer Klimaverbrecher ist.

Es ist nicht schwer zu erraten, welches Bild die britische Regierung zu zeichnen versucht. Premierminister Boris Johnson – der noch 2015, im Jahr des letzten großen UN-Klimagipfels, in einer Telegraph-Kolumne über die Klimaforschung spottete – scheint nun eine Kehrtwende vollzogen zu haben und verspricht «dringende Maßnahmen» zur Bewältigung der Krise, während der Ratsvorsitz behauptet, «Großbritannien könne in dieser Hinsicht sehr stolz sein».

Das allerdings entspricht keineswegs der Wahrheit, wie sich offenbart. Um das zu zeigen, werfen wir einen Blick auf die britischen Ziele für die COP26, die derzeitige und frühere Klimapolitik des Landes und die Bemühungen von Klima-Aktivist*innen und Klimabewegungen, die Agenda des Gipfels neu zu gestalten.

«Kohle, Autos, Geld, Bäume»

Zunächst macht es Sinn, sich den Hintergrund der COP26 näher anzuschauen. Nachdem der Gipfel 2020 wegen der Pandemie verschoben wurde, ist 2021 ein Hauptziel, die Verhandlungen über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 abzuschließen, demzufolge die Länder die globale Erwärmung auf «deutlich unter 2 °C» über dem vorindustriellen Niveau begrenzen und 1,5 °C anstreben wollen.

Neben den offiziellen Zielen gab die britische Regierung für ihre Prioritäten auf der COP26 einen aus vier Wörtern bestehenden Slogan bekannt: «Kohle, Autos, Geld, Bäume». Ein weiterer Temperaturanstieg könne verhindert werden, so die Behauptung, wenn die Länder bis zum Ende des Jahrzehnts erhebliche Veränderungen in diesen vier Bereichen vornähmen.

Betrachten wir diese Bereiche der Reihe nach. Erstens fordert Großbritannien die reichen Länder auf, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, andere Staaten sollen bis 2040 folgen und alle sollen sich verpflichten, keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen. Die Bilanz des Vereinigten Königreichs, so Johnson, sei der Beweis dafür, dass dies möglich sei, da Kohle heute nur noch zwei Prozent der Stromproduktion ausmache, während es vor fünf Jahren noch rund 25 Prozent gewesen seien.

Clare Hymer ist Redakteurin bei Novara Media, einem unabhängigen linken Medienportal mit Sitz im Vereinigten Königreich. Novara Media wird im November in Glasgow über die COP26 berichten.

Übersetzung von Camille Elle & André Hansen für Gegensatz Translation Collective.

Zweitens ruft Johnson andere Länder auf, «dem britischen Beispiel zu folgen und mit fossilen Brennstoffen betriebene Verbrennungsmotoren abzuschaffen». Er erklärte, dass Großbritannien den Verkauf neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge bis 2030 verbieten werde und ab 2040 weltweit nur noch emissionsfreie Fahrzeuge verkauft werden sollten. Drittens müssten die Industrieländer, um die ersten beiden Ziele zu erreichen, ihre früheren Zusagen zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umstellung ihrer Wirtschaft einlösen und jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar bereitstellen.

Viertens rief die Regierung zu mehr Ehrgeiz bei der Anpflanzung von Bäumen auf, denn «Bäume gehören zu den besten natürlichen Schutzvorrichtungen gegen den Klimawandel». Es hieß, wer «Kohlenstoffneutralität will, muss auch einen Baumüberschuss wollen». Demnach sollten «bis 2030 weltweit viel mehr Bäume gepflanzt werden als verschwinden».

Diese Zielsetzungen sind jedoch völlig unzureichend und stehen im krassen Widerspruch zum Handeln der Regierung in anderen Bereichen. Während das Vereinigte Königreich andere Länder zum Kohleausstieg auffordert, hat es zahllose Kohleprojekte in Entwicklungsländern finanziert und diese damit an fossile Brennstoffe gebunden. Zudem läuft derzeit ein Genehmigungsverfahren für ein neues Kohlebergwerk in Cumbria. Elektroautos mögen nett klingen, die Elektrofahrzeugindustrie ist jedoch weitaus ressourcenintensiver und umweltschädlicher als die kollektive Lösung, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Die Forderung nach mehr Finanzierung für den globalen Süden ist zwar berechtigt – doch es gab bisher nur wenig Bewegung im Hinblick auf die versprochenen 100 Milliarden jährlich. Wo Geld zur Verfügung gestellt wurde, geschah dies häufig in Form von Darlehen zu marktüblichen Konditionen und nicht durch Zuschüsse. Baumpflanzungen und andere «naturnahe Lösungen» scheinen auf den ersten Blick einfach umzusetzende Maßnahmen für einen wirksamen Klimaschutz zu sein. Diese «Lösungen» werden aber häufig in Form von Ausgleichsmechanismen umgesetzt, die nichts dazu beitragen, den Emissionsausstoß tatsächlich zu verringern, und oft verheerende Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften und Gemeinschaften im Globalen Süden haben.

Kurz gesagt: Während die britische Regierung mit dem Finger auf den Rest der Welt zeigt, nutzt sie ihre Position als Gastgeberin der COP26 für eine enorme Greenwashing-Offensive. Das werden die Klimabewegungen jedoch nicht hinnehmen.

Neue Punkte auf die Tagesordnung setzen

Wie schon in der Vergangenheit werden auch zum diesjährigen Klimagipfel Zehntausende Aktivist*innen aus aller Welt anreisen, die mit dem Tempo der Verhandlungen und den präsentierten «Lösungsvorschlägen» alles andere als zufrieden sind. Dieses Jahr werden die Vertreter*innen der Zivilgesellschaft allerdings bei ihrem Versuch, auf weiterreichende Verpflichtungen zu drängen, auf noch mehr Hindernisse stoßen als sonst.

Schon in der Vergangenheit war es für Menschen aus dem globalen Süden oft schwierig, überhaupt zu den Gipfeln zu gelangen – vier der letzten fünf Gipfeltreffen fanden in Europa statt und die Reisekosten waren entsprechend hoch. Die Kluft zwischen Nord und Süd wurde durch Covid-19 weiter vertieft. Die Mehrheit der Bevölkerung der ärmeren Ländern ist noch immer nicht geimpft – auch weil die reichen Länder die Patentfreigabe der Impfstoffe blockieren. Viele Aktivist*innen aus dem globalen Süden – oder auch Delegierte – können also schlicht nicht nach Glasgow reisen. Und selbst diejenigen, die anreisen werden, sehen sich mit Wucherpreisen für die Unterkunft konfrontiert, denn die Airbnb-Preise belaufen sich auf fast 30.000 Pfund pro Woche. Bezeichnenderweise erklärte der frühere britische Verhandlungsführer Sir David King ausdrücklich, dass der allgemeine «Zirkus» sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Initiativen in diesem Jahr besser vermieden werden sollte, da er ein Gesundheitsrisiko darstelle.

Aktivist*innen organisieren sich dennoch, um sich in Glasgow Gehör zu verschaffen. Ihre Anwesenheit bei der Klimakonferenz – insbesondere die Präsenz der von der Klimakrise am stärksten Betroffenen – sei für ein Mindestmaß an Transparenz eines solchen Gipfeltreffens entscheidend, sagen sie. Die COP26 Coalition, ein in Großbritannien ansässiger Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Initiativen und Einzelpersonen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, hat eine Reihe von Forderungen für den Gipfel formuliert. Dazu gehören die Ablehnung von fossilen Brennstoffen, von Ausgleichsprojekten und anderen Scheinlösungen, sowie Forderungen nach einem «gerechten Übergang» und der Verpflichtung zur Entschädigung und Umverteilung gegenüber indigenen Gemeinschaften und dem globalen Süden. Auch lokale Forderungen werden für Aufmerksamkeit sorgen, insbesondere die Kampagne gegen eine neue Bohrgenehmigung für das Cambo-Ölfeld westlich der Shetland-Inseln, die Johnson derzeit absegnen will, sowie die Streiks der Eisenbahner*innen und Müllwerker*innen, die das Interesse der Arbeiter*innen an den Bemühungen zur Dekarbonisierung unterstreichen. Um diesen Themen mehr Nachdruck zu verleihen und die Legitimität des COP-Verfahrens in Frage zu stellen, wurde für Sonnabend, den 6. November, ein «weltweiter Aktionstag» ausgerufen. Am Tag davor ist außerdem ein Jugend-Klimastreik geplant.

Covid-19 wird sicher ein Hindernis für diese Mobilisierungen darstellen. Die Aktivist*innen werden dennoch versuchen, ihren Protest auf die Straße zu bringen, auch angesichts eines zunehmend autoritären Staates, der entschlossen ist, diesen zu unterdrücken. Während die schottische Polizei erklärte, dass die Polizeiarbeit bei der COP26 «entgegenkommend, freundlich und verhältnismäßig» sein werde, befürchten Aktivist*innen, dass die Hinzuziehung von Polizeikräften aus anderen Teilen des Landes dies untergraben wird. Dazu gehören die englischen Streitkräfte, die bereits stillschweigend ein neu geplantes Polizeigesetz anwenden, das weithin als Angriff auf das Demonstrationsrecht kritisiert wird. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass ein Klimagipfel begleitet wird von der Niederschlagung von Protesten. Mit den Problemen, die Covid-19 aufwirft, werden die Bewegungen jedoch vor Herausforderungen gestellt, denen sie so noch nie gegenüberstanden.