Liebe Leser*innen,
Corona hat es uns noch einmal schmerzlich ins Bewusstsein gerufen: Gesundheit und Armut sind zwei Seiten derselben Medaille. Denn geringes Einkommen, beengte Wohnverhältnisse, Stress und Diskriminierungserfahrungen beeinflussen, wie alt wir werden und wie gesund wir leben können. Das bedeutet zum Beispiel für die Landeshauptstadt, dass sich insbesondere Münchner*innen aus sozial benachteiligten Stadtteilen nicht nur häufiger mit Corona anstecken, sondern sie auch ein höheres Risiko für einen besonders schweren Krankheitsverlauf haben und sie von einer höheren Hospitalisierungsrate betroffen sind. Diese soziale Ungleichheit wird durch eine unzureichende haus- und kinderärztliche Versorgung in den benachteiligten Stadtteilen verschärft und zeigt sich in allen großen Städten der Bundesrepublik in ähnlicher Weise.
Aus diesen Beweggründen haben wir die Frage bearbeitet, wie und unter welchen Rahmenbedingungen Kommunen medizinische Versorgungszentren gründen können. Das Ziel der lokalen Gesundheitszentren ist die Bekämpfung dieser sozialen Ungleichheit. Mit den Versorgungszentren soll die mangelhafte medizinische Infrastruktur ausgeglichen und eine problemorientierte und ganzheitliche Betreuung sichergestellt werden, die auch der sozialen Dimension von Gesundheit gerecht wird.
Diese Frage beschäftigt aber nicht nur den städtischen Bereich. Durch den Mangel an Hausärzt*innen auf dem Land, ist die ärztlichen Versorgung auch im ländlichen Raum für Kommunalpolitiker*innen ein brisantes Thema.
Mit dem vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten wird deutlich, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, integrierte Versorgungszentren in kommunaler Hand zu gründen. Die Hürden sind bewältig- und leistbar für Kommunen. Dieses Instrument ist Kommunen seit dem Jahr 2015 gegeben. Wesentlich ist dabei eine ganzheitliche Betrachtung, in deren Kern die Verbindung von medizinischem Versorgungszentrum und anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel Räumen für Selbsthilfe, steht.
Eines machen die aktuellen Zahlen aber auch deutlich: Für Investoren sind medizinische Versorgungszentren derzeit eine sehr lukrative Anlagemöglichkeit. Doch wenn sich private Investoren nun in die ambulante Versorgung einkaufen, wird die Privatisierung des Gesundheitssystems fortgesetzt. Eine Privatisierung des Gesundheitssystems hat bei den Krankenhäusern schon stattgefunden. Nun gilt es, für die kommunale Ebene bei der ambulanten Versorgung nachzusteuern. Im Sinne einer patientenorientierten Gesundheitsversorgung und nicht eines profitorientierten Systems.
Das vorliegende Gutachten ist am Beispiel Münchens konzipiert, die Ergebnisse sind allerdings auf viele Städte und Regionen in der Bundesrepublik übertragbar.
Mit solidarischen Grüßen
Stefan Jagel Niklas Haupt
Fraktionsvorsitzender, DIE LINKE Rosa Luxemburg Stiftung Bayern -
im Stadtrat München Kurt Eiserner Verein
November 2021