Nachricht | International / Transnational - Europa Seit 20 Jahren kämpfen sie um Frauenrechte

Die Demokratische Frauenunion Polens DUK (Demokratyczna Unia Kobiet) beging in diesem Jahr ihr 20jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass fand Mitte September im Sejm, dem polnischen Parlament, eine zweitägige Konferenz statt, die dem Thema «Soziale Ausgrenzung und Armut von Frauen» gewidmet war.

Zwischen DUK und der Rosa-Luxemburg-Stiftung gibt es bereits seit vielen Jahren eine enge, vertrauensvolle Kooperation. Zu den TeilnehmerInnen der Konferenz gehörten u.a. neben dem Parteichef der Demokratischen Linken (SLD), Grzegorz Napieralski auch die Leiterin des Warschauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dr. Joanna Gwiazdecka.

Das Jahr 2010 wurde in der Europäischen Union bekanntlich zum Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen; die Konferenz richtete dabei den Fokus auf die spezifische Situation von Frauen. Die Schirmherrschaft hatte Sejmvizemarschall Jerzy Wenderlich (Fraktion Die Linke) übernommen.

Die Medien-Resonanz der durch die RLS unterstützten Tagung war beachtlich. Sehr ausführlich berichtete die links-liberale „Gazeta Wyborcza” darüber:
"Wir wollen hier ganz deutlich sagen, dass das Problem der Armut von Frauen existiert und dass es ein sehr ernstes  ist", erklärte die DUK-Vorsitzende Renata Berent-Mieszczanowicz. Die Teilnehmer der Konferenz wollten mittels dieser Debatte Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen. Hierbei ginge es um die Änderung von Gesetzen, um tatsächliche Gesellschaftspolitik, nicht um bloße sozialpolitische Maßnahmen. „Über Exklusion zu sprechen heißt nicht nur, über materielle Armut zu reden, sondern auch über den Mangel an Partizipationsmöglichkeiten in entscheidenden Bereichen. Dort, wo wirtschaftliche Fragen, wo für den Staat wichtige Fragen entschieden werden, gibt es uns Frauen einfach nicht", erklärte die DUK-Chefin. Nach ihrer Auffassung ist die Situation der Frauen in Polen schwierig. Formen der Betreuung in Pflegefamilien oder flexible Arbeitszeiten, die die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessern sollten, helfen den Frauen zwar, lösen jedoch das Problem in seiner Gesamtheit nicht. "Uns kommt es darauf an, dass die Menschen, und insbesondere die Frauen, aus der europäischen Integration das gewinnen, was man eine Steigerung der Lebensqualität nennt", so Berent-Mieszczanowicz.

Nach Ansicht von Grzegorz Napieralski müsse noch sehr viel Arbeit geleistet werden, um die Wahrnehmung der Rolle von Frauen im öffentlichen Leben zu ändern. "Es braucht Gewaltiges an Bildung (...), um zu zeigen und zu lernen, dass ein Mann und eine Frau in der gleichen Position arbeiten können und dafür gleich entlohnt werden müssen.” Er erinnerte daran, dass es zu Beginn der 1990er Jahre allen darauf ankam, so schnell wie möglich zu den internationalen Strukturen und zur Europäischen Union zu gehören. " Jetzt sind wir in der Europäischen Union (...), nur müssen wir uns heute fragen, ob die EU eigentlich in Polen ist. Die Standards, die in allen EU-Ländern verbindlich sind, die dort Norm sind und über die ganz selbstverständlich diskutiert wird, sind bei uns entweder oft Tabu oder Gegenstand ideologischen Krieges", sagte er. Diese Standards, die in vielen europäischen Ländern gelten, gebe es – jedenfalls, wenn es um Frauen geht – in Polen nicht. "Wir sind von diesen Standards sehr weit entfernt. Damit haben wir ein ganz großes Problem", so Napieralski.

Seine Fraktion befürworte die Verabschiedung eines nationalen Programms für den Bau von Kindergärten und Kinderkrippen. Nach der Geburt eines Kindes gebe in der Regel die Frau ihre Arbeit auf, bleibe zu Hause und ziehe das Kind auf, während der Mann die Chance hätte, weiter an seiner Karriere zu arbeiten. Daher müsse man Frauen dabei helfen, wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren, und zwar unter anderem mit Kindergärten und -krippen. Wichtig sei zudem, Vorschriften einzuführen, die Frauen und Männern gleichen Lohn für gleiche Arbeit ermöglichen.

Napieralski bezog auch Stellung zur Frage der paritätischen Quotierung. Aus seiner Sicht sei ein Gesetz nötig, das eine gleiche Verteilung der Plätze auf Wahllisten für Frauen und Männer garantiert.  "Ohne dieses Gesetz würde es schwierig sein, diese Paritäten zu verwirklichen. Gibt es kein Rechtsinstrument, wie es ein Gesetz darstellt, das eine entsprechende Aufteilung der Listenplätze von einer politischen Partei erzwingt (...), dann wird es sehr schwer, einen solchen Mechanismus in der Partei einzuführen”, sagte er.

Am Ende der Konferenz verabschiedeten die Teilnehmer eine Entschließung, die an die Regierung von Donald Tusk appelliert, sich des Problems der Armut von Frauen in Polen anzunehmen. Die Schlussfolgerungen der Konferenz werden der Ministerin für Arbeit und Soziales, Jolanta Fedak, zur Kenntnis gebracht.

Die Demokratische Frauenunion entstand im Jahr 1990 mit der Zielsetzung, sich u.a. für die berufliche Aktivierung von Frauen, die Förderung von Frauen in der Politik und der kommunalen Selbstverwaltung sowie für Gesetzesinitiativen einzusetzen, die gerade für Frauen relevant sind. Die erste DUK-Vorsitzende war Danuta Waniek; ihr folgte Jolanta Banach. Renata Berent-Mieszczanowicz führt die Union seit 2004 an.

„Die Demokratische Frauenunion ist wie ein Spiegel der polnischen Transformation. Es ist für uns keineswegs einfach gewesen, weil wir diejenige Organisation waren, die von Anfang an deklarierte, dass sie um die sozialen, darunter politischen, Rechte der Frauen kämpft, und dies hat nicht allen gefallen. Es scheint uns, dass wir auch mit unserem Beitrag den öffentlichen Diskurs und eine gewisse Solidarisierung der Frauen im Hinblick auf gemeinsame Ziele erreicht haben, denn immer mehr Organisationen sprechen davon, dass man auf die Politik Einfluss nehmen muss, damit diese gesellschaftliche Veränderung bewirkt“, betont Berent-Mieszczanowicz.

Für Waniek, heute Ehrenvorsitzende, ist das 20jährige Wirken der DUK ein herausragendes Ereignis in der Geschichte der Frauenbewegung nach 1989. Nur wenige Organisationen haben diesen Zeitraum überdauern können, hatten sie doch meistens Probleme finanzieller Natur. Frauen gehören zu den schlechter Bezahlten, wenn sie in den schwierigsten Phasen überhaupt Arbeit hatten, somit konnte man sich nur schwerlich darauf verlassen, dass sie über ihre Mitgliedsbeiträge ihre Vereinigung finanzieren. Die DUK ist hier eine Ausnahme, vielleicht deshalb, weil sie im Grunde genommen als Organisation der Intelligenz entstanden war, daher hatten ihre Mitglieder Berufe und darüber die soziale Basis gesichert“, sagte Waniek. Ihrer Meinung nach ist die finanzielle Lage der DUK heute besser, da sie – wie viele andere Nichtregierungsorganisationen – EU-Mittel nutzen kann.

Zu den größten Erfolgen der DUK rechnet Waniek die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. „Das war eine Organisation, die stets dahingehend agierte, sie war immer sehr offen. Unabhängig davon, dass wir in der Koalition mit der SLD waren, haben wir nie den Dialog mit Menschen ausgeschlossen, die vielleicht etwas andere politische Einstellungen haben als wir. Ein Grundkriterium war aber der Kampf um die Verteidigung der Frauenrechte“, machte Waniek deutlich.

Nach ihrer Einschätzung ist eine der derzeit größten Herausforderungen für die DUK die Notwendigkeit, die Beteiligung von Frauen im öffentlichen Leben zu erweitern. Zum Testfeld werden hier die bevorstehenden Kommunalwahlen, betonte sie.  „Paritäten sind Paritäten, aber man muss über die Zusammenstellung der Wahllisten entscheiden, dann erst können wir uns davon überzeugen, was hinter diesen Paritäten steht, ob die linken Parteien die Anstrengung unternehmen, dass sich gerade auf den ersten drei Plätzen ihrer Wahllisten die Namen von Frauen finden“, hob sie hervor.

Im Rahmen der Konferenz gedachten die DUK-Aktivistinnen einer ihrer Gründerinnen – der bei der Flugzeugkatastrophe von Smolensk tragisch ums Leben gekommenen Izabela Jaruga-Nowacka, ehemalige Vizepremierministerin und Ministerin für Sozialpolitik in der Regierung Marek Belkas.

Quelle: gazeta.pl, 10./11.09.2010    
Bearbeitung: Susanne Kramer-Drużycka, Michael Glaß