Nachricht | Südosteuropa - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit Abfallkolonialismus in Bosnien-Herzegowina

Die Fortsetzung der Kriegslogik

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Blick von oben auf das Industriegebiet Lukavac, 20 km von Tuzla, Bosnien und Herzegowina, entfernt. Foto: Sanja Horić/Front slobode

In Bosnien-Herzegowina vergiftet der zurückgelassene Müll alter Fabriken Böden und Flüsse, Arbeiter*innen bezahlen für fehlende Schutzvorkehrungen mit Krankheit und Tod, Umweltunfälle verseuchen ganze Regionen. In seinem Essay zeichnet Damir Arsenijević die «schleichende Gewalt» der Umweltverschmutzung nach, und fragt, wie Umweltorganisationen, lokal Betroffene und ihre Unterstützer*innen im zerstörerischen Netz aus Armut und Vergiftung durchbrechen können.

In Tuzla in Bosnien-Herzegowina befindet sich das gefährliche, im Zerfall begriffene und verlassene post-industrielle Skelett der ehemaligen Chlor-Alkali-Anlage (in Bosnien bekannt unter der Abkürzung HAK). Die Anlage wurde zwischen 1972 und 1976 mit britischen und kanadischen Investitionen errichtet, dort wurde in großem Stil Chlor und Natriumhydroxid durch Quecksilberelektrolyse produziert. Das HAK-Werk war einer der größten Bergbau- und Chemieindustriekomplexe im sozialistischen Jugoslawien und beschäftigte rund 2.000 Arbeiter*innen, die aus verschiedenen Orten in Nordostbosnien stammten. Im Jahr 1979 investierte das japanische Unternehmen Mitsui in den Bau der Anlage HAK 2, in der das giftige Toluoldiisocyanat (TDI) hergestellt wurde, ein Material, das bei der Herstellung von Weichschaum verwendet wird. Zu dieser Zeit erreichte der Industriekomplex dank der Nachfrage seiner Produkte im In- und Ausland den Höhepunkt seiner Produktion und seines finanziellen Erfolgs. Jetzt, im Jahr 2021, ist die Anlage – als eine Art tickende Zeitbombe – mit riesigen Mengen Giftmüll belastet, der unbeaufsichtigt auf dem Boden des Geländes und unterirdisch in Rohren verborgen liegt, und mit weiteren giftigen Abfällen, die an nicht gekennzeichneten Stellen rund um die ehemalige Fabrik vergraben sind. Es ist ein wahrlich dystopischer Ort.

Eine Geschichte der Zerstörung

Das ehemalige HAK-Werk ist nicht nur ein Symbol für die Zerstörung des sozialistischen Jugoslawiens. Seit das Unternehmen Anfang der 2000er Jahre privatisiert wurde, lässt sich der verborgene Giftmüll als unsichtbares Denkmal für die Zerschlagung der gesamten jugoslawischen Industrie und das Verschwinden des sozialistischen politischen Subjekts Jugoslawiens – der Arbeiterklasse – verstehen, in deren Hand die Industrie des Landes lag. Im Jahr 2006 erwarb das polnische Unternehmen Organika einen Teil des HAK-Komplexes (im Zuge der Privatisierung in «Polihem» umbenannt) und entließ bereits 2007 die ersten Arbeiter*innen. Obgleich Organika zuvor versprochen hatte, die Produktion zu verdoppeln, entließ es Beschäftigte und begann, die Produktionsanlagen zu zerlegen und als Schrott zu verkaufen. Der Gewerkschaftsführer der HAK, Miralem Ibrišimović, berichtet: «Organika löste die Rettungsteams auf, halbierte die Zahl der Feuerwehrleute und Beschäftigten in den Produktionsstätten, stoppte die Anschaffung von Schutzausrüstung für die Arbeiter und stellte vor allem die Behandlung von Quecksilberabfällen ein, so dass das Quecksilber direkt in den Fluss Jala geleitet wurde.» (Ibrišimović, 15. Juni 2020)

Die Privatisierung der HAK-Anlage hat die Lebensgrundlage der Beschäftigten nachhaltig ruiniert und tut es noch. Die Fabrik, die einst den Arbeiter*innen selbst gehörte, wurde zerstört und die Umwelt mutwillig verschmutzt. Die Industriebrache HAK, die Arbeitslosen und die geschundene Umwelt stehen in einem scharfen Gegensatz dazu, wie die Anlage zwischen den späten 1970er Jahren, als sie gebaut wurde, und den frühen 1990er Jahren betrieben wurde, als der Krieg gegen Jugoslawien begann. Alle ehemaligen HAK-Beschäftigten, die ich interviewte, erklärten einstimmig, dass sie sich während der sozialistischen Ära sicher und gut aufgehoben fühlten, obgleich sie mit so gefährlichen Chemikalien arbeiteten. Es waren Richtlinien zur Arbeitssicherheit in Kraft, und alle Mittel zur Umsetzung dieser Richtlinien waren verfügbar. Enes Husarić, einer der von mir befragten HAK-Angestellten, erklärt: «Wir hatten unsere eigenen medizinischen und zahnärztlichen Einrichtungen im HAK, einschließlich eines medizinischen Labors, das während aller drei Schichten in Betrieb war […]. Wenn man abends Zahnschmerzen hatte, ging man zum Zahnarzt in der Fabrik […]. Heutzutage bekommt man nicht einmal im großen medizinischen Zentrum in der Stadt einen Arzttermin […]. Neben der Feuerwehr gab es Rettungsteams, jedes Team mit einem eigenen Fahrzeug […], und wenn mir jemand sagt, ‚Du musst dich im HAK doch unsicher gefühlt haben‘, frage ich zurück: ‚Wieso soll ich unsicher gewesen sein?‘ Jedes Mal, wenn ich die HAK-Fabrik betrat, fühlte ich mich sicherer als irgendwo sonst. Weil wir dort alles hatten, was wir brauchten.» (Husarić, 29. September 2020)

Enes Husarić gibt Zeugnis von dem enormen Verlust an Fürsorge für die Beschäftigten und die Gemeinschaft, der mit der Zerstörung des HAK-Komplexes einherging. Dieser Verlust steht in engem Zusammenhang mit einer toxischen Bedrohung, die über die ethnischen Spaltungen hinausgeht, die im Krieg 1992‑1995 in Form von Massenhinrichtungen und Konzentrationslagern ihren blutigen Anfang nahmen und in der «Nachkriegszeit» von autoritär-gesinnten ethnischen Eliten aufrechterhalten wurden, Spannungen, die die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina weiter auszehren und verarmen. Wie lässt sich die Geschichte der eigenen Zerstörung und der erlittenen Verluste gemeinschaftlich aufarbeiten, ohne in die ideologische Falle zu tappen, zu glauben, der Zusammenbruch des Sozialismus sei unvermeidlich gewesen? Wie kam es dazu, dass der industrielle Giftmüll im Zuge der Privatisierung des HAK-Komplexes liegengelassen oder gar vergraben wurde? Und vor allem: Wie können wir als Gemeinschaft, die in der Nähe der HAK-Anlage lebt, herausfinden, welche Mengen an Giftmüll unsere Lebensgrundlagen bedrohen und wo diese Abfälle vergraben sind? Wie kommen wir davon ab, die mutwillige Verschmutzung durch den Privateigentümer Organika als notwendiges Übel der Privatisierung und damit als vollendete Tatsache abzutun? Warum bestehen wir nicht stattdessen darauf, dass die Verantwortlichen – auch auf politischer Ebene – zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn wir uns dessen bewusst sind, dass die bestehenden rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen unzureichend sind, um die Verletzungen und das Leid der Gemeinschaften und HAK-Mitarbeiter*innen zu verhindern? Kurzum, welche Art von Gerechtigkeit stellen wir uns vor und möchten wir für unsere Gemeinschaften durchsetzen?

Diese Fragen wurden 2018 für mich und meine Kolleg*innen von der Workers University in Tuzla immer drängender, nachdem wir Berichte gehört hatten, dass Metallsammler*innen, die in den Überresten der HAK-Anlage nach Schrott suchten, giftigen Gasen ausgesetzt waren und einige von ihnen daran starben.

Aldin Bejhanović ist ein Metallsammler, der durch die Gifte des HAK-Werks eine Lungenembolie erlitt. «Wir haben in Schächten Rotgussventile von den Rohren abmontiert. Immerhin gab es Arbeit. Aber nach einiger Zeit kamen die Fässer zum Vorschein. Es stank […]. Es stank so stark, dass mir die Augen weh taten. Ich konnte es nicht länger aushalten […]. Ich hörte eine Weile auf, aber später kamen ich, mein Vater und ein Nachbar zurück, um weitere Rohre zu zerlegen. Und so sind wir damit in Kontakt gekommen. Wir wussten nicht, dass es giftig war. Die Stelle war nicht einmal gekennzeichnet», erklärt er. Über die Vergiftung berichtet er: «Ich geriet außer Atem, sobald ich mich bückte, um etwas aufzuheben, und ich habe mich etwa 14 Tage damit rumgeschleppt. Ich dachte, es läge an den Zigaretten.» «Und dann überkam es mich, ich fiel zu Boden und mir wurde schwarz vor Augen. Ich habe es nicht mehr bis zu meinem Auto geschafft.» (CIN, 2018) Der Onkel von Bejhanović hatte noch weniger Glück; seine Lungen wurden durch das giftige Gas aus den von ihm zerlegten Rohren verätzt.

Kapitalismus und Privatisierung

Heute lagern in den rostigen Rohren des entkernten HAK-Skeletts noch immer mehr als 47 Tonnen ruhendes, hochentzündliches Propylenoxid. Die Rohre sind von 120 verlassenen und korrodierenden Fässern umgeben, aus denen seit über einem Vierteljahrhundert langsam Quecksilber, Kadmium und Arsen ins Erdreich sickern. Aus dem Boden rund um den HAK-Komplex ragen schwarze Hügel krebserregender Toluoldiisocyanat-Abfälle (TDI), die die Umrisse der vielen Deponien in dem Niemandsland zwischen Anlage und Wohngegenden formen. Die genaue Größe und die genauen Standorte dieser Deponien sind weder von der Regierung noch von einer anderen offiziellen Stelle dokumentiert. Die einzigen Menschen, die sich in die Nähe der tödlichen HAK-Ruine begeben, sind die verarmten und arbeitslosen ehemaligen Industriearbeiter*innen, die das Gelände zerlegen und nach Metallschrott durchsuchen, um ihn zu verkaufen. Infolge dieser «Arbeit» sind sie regelmäßig Giftmüll ausgesetzt, was aufgrund ihrer Exposition zu einer statistisch hohen Zahl von vorzeitigen Todesfällen führt: entweder durch Unfälle oder durch einen quälenden «langsamen» Tod aufgrund chronischer Krankheiten, die sie entwickeln (ebd.).

Die Geschichte von Aldin Bejhanović zeigt, wie vielschichtig Gewalt sein kann. Sie reicht von offensichtlicher und massiver Gewalt – wie Exekutionen und Massengräber während des Krieges, der Zerschlagung von Unternehmen im Zuge ihrer Privatisierung oder der Gewalt, die von Umweltkatastrophen ausgeht – bis zu versteckten Formen von Gewalt, wie der Folgen von toxischen Abfällen und toxischen Narrativen für unseren Körper und Geist. Diese Verknüpfungen sind «zutiefst biologisch, da Körper und Selbst aus dem Material der toxischen Orte konstruiert sind, die sie einst bewohnten. Wenn sich verschiedene Toxine im Körper anreichern, wird der vermeintlich träge ‚Hintergrund‘ des Orts zum Wirkstoff des Selbst» (Alaimo, 2010, S. 102).

Der zurückgelassene und versteckte Giftmüll in der HAK-Ruine ist nicht nur ein Überbleibsel der Privatisierung und der Ausschlachtung der Fabrik. Der Giftmüll und die kontaminierte Umwelt sind Stoffe, die ihre Wirkung kontinuierlich entfalten. Um zu verstehen, welche strukturelle Position der zurückgelassene industrielle Giftmüll einnimmt und welchen Wert er in Bezug auf Bosnien-Herzegowina hat, müssen wir die Diskussion in den Kontext der Zerschlagung der im sozialistischen Jugoslawien stark gewerkschaftlich organisierten Arbeiterklasse einordnen.

Anfang der 1990er Jahre wurde die Arbeiterklasse in der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina das erste Opfer des Raubtierkapitalimus. Dessen Söldner*innen, die ethno-nationalistischen Eliten, die den Kapitalismus nach Jugoslawien bringen sollten, nahmen die Arbeiterklasse ins Visier, richteten sie im anschließenden Krieg und Völkermord hin und verscharrten sie in geheimen Massengräbern, die über das ganze Land verstreut sind. Unterstützung erhielten sie dabei von internationalen rechten und paramilitärischen Kräften, darunter auch Mitglieder der Goldenen Morgenröte. Dies wurde als Übergang zum Kapitalismus bezeichnet.

Dann griff der Raubtierkapitalismus nach den Fabriken, an denen sich internationale Unternehmen bereicherten, machte Zehntausende arbeitslos, schlachtete die Fabriken aus und hinterließ postindustrielle Brachflächen, in denen nicht näher bezifferbare Mengen an verstecktem Sondermüll an unbekannten Orten vergraben sind. Während der gesamten 2000er Jahre wurden die Gewerkschaften durch politischen Druck und Bestechungsgelder geschwächt, während Streiks der Arbeiter*innen gegen Fabrikschließungen mit Polizeigewalt aufgelöst wurden. Diese strukturelle Gewalt diente als Vorwand, die Umweltbedrohungen herunterzuspielen, und die Arbeiter*innen waren – individuell und kollektiv – zu sehr mit dem Kampf um ihre Lebensgrundlage beschäftigt, als dass sie bereit gewesen wären, ihre Lebensgrundlage aufzugeben, um künftige Umweltkatastrophen verhindern zu können. Dies wurde Privatisierung genannt.

Blick auf das Industriegebiet Lukavac, 20 km von Tuzla entfernt. Foto: Sanja Horić/Front slobode

Goldrausch an den Flüssen

Jetzt macht sich der Raubtierkapitalismus an den natürlichen Ressourcen des Landes zu schaffen – an Wasser und Luft, Wäldern und Land – und verändert ganze Ökosysteme, um Platz für Wasserkraftwerke zu schaffen (Neslen, 2015b). Das stellt eine Bedrohung für den gesamten Balkan dar, wie Ulrich Eichelmann, der Direktor von RiverWatch, einer in Österreich ansässigen Nichtregierungsorganisation, erklärt: «Was wir hier auf dem Balkan im Moment erleben, ist ein Goldrausch an den Flüssen […]. Ich denke manchmal, dass die westlichen Länder, die diesen Degradierungsprozess finanziell unterstützen, keine Ahnung haben, was sie zerstören. Es gibt in Europa nichts, was auch nur annähernd mit diesem Flusssystem vergleichbar wäre.» (Neslen 2015a) Das wiederum wird als Wachstum bezeichnet.

Diese Wachstumslogik führt zu ökologischer Instabilität, dem hauptsächlichen Treiber für die politische und soziale Instabilität in Bosnien-Herzegowina heutzutage, da verseuchte Böden, Wasser und Luft kein Leben mehr fördern oder erhalten können. Dadurch ist die Bevölkerung dazu gezwungen, entweder ihren langsamen Tod hinzunehmen oder aus den verseuchten Gebieten zu fliehen.

Ich möchte die Untrennbarkeit von ökologischer Instabilität, internationaler Finanzierung, Gewalt und Macht analysieren und sichtbar machen. Dazu werde ich zunächst den Perspektivwechsel skizzieren, den wir in Bezug auf die gefährdete Umwelt vollziehen müssen: den notwendigen radikalen Wandel in der Art und Weise, wie wir uns der ökologischen Instabilität nähern und über sie sprechen. Dieser Wandel stellt die Perspektive der Unvermeidbarkeit in Frage, die üblicherweise unterstellt wird: «Man kann nichts tun, um das zu stoppen oder zu verhindern.» Dem müssen wir entgegenstellen, dass ökologische Instabilität eine Form von Gewalt ist und als solche behandelt und entsprechend darauf reagiert werden sollte, zum Beispiel, indem ihre Folgen, die Verantwortlichen und Wiedergutmachungsmaßnahmen aufgezeigt werden. Ich werde neben der HAK-Fabrik zwei weitere Beispiele aus Bosnien-Herzegowina untersuchen, die zeigen, wie das internationale Kapital – durch den Abfallkolonialismus – Werte aus lokalen Industrien extrahiert hat und weiterhin extrahiert, ohne Rücksicht auf das Leben der lokalen Bevölkerung zu nehmen. Die Menschen werden überflüssig gemacht, desensibilisiert und fallen der ausbeuterischen Marktlogik zum Opfer. Auf diese Weise setzen das internationale Kapital und seine Komplizen, die lokalen autoritären Eliten, Umweltverschmutzung als Waffe ein, um Armut zu verschärfen und aus der lokalen Bevölkerung gefügige Körper zu machen, die den Ausbeutereliten billige Arbeitskraft liefern.

Ökologische Instabilität als Form von ökologischer Gewalt: die Nachkriegszeit in Bosnien-Herzegowina

Worauf beziehen wir uns, wenn wir den Begriff «ökologische Gewalt» verwenden? Spektakuläre Formen von Gewalt sind in Bezug auf die Umwelt unmittelbar sichtbar und zeigen rasch Wirkung. Diese Gewaltausübung erfolgt entweder durch die direkte Ausbeutung und Zerstörung natürlicher Ressourcen oder in Form des sogenannten «Abfallkolonialismus», womit hauptsächlich die Beseitigung und die Verbringung von Giftmüll aus privilegierten und wohlhabenden Ländern in Länder, die in Armut gehalten werden, bezeichnet wird. Erstmals offiziell verwendet wurde der Begriff «Abfallkolonialismus» in der Arbeitsgruppe des Umweltprogramms der Vereinten Nationen im Rahmen der Aushandlung des Basler Übereinkommens, als afrikanische Länder ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck brachten, dass reiche Länder aus Europa und Nordamerika auf afrikanischem Boden Giftmüll entsorgen (Porter, Brown, & Chasek, 2000, S. 105). Angesichts der Privatisierung, die nicht nur zum Verfall des HAK-Komplexes, sondern auch anderer Fabriken führte, auf die wir später noch eingehen werden, sollten wir jedoch die Bedeutung dieses Begriffs erweitern. Der Begriff des «Abfallkolonialismus» sollte zum einen auch jede Form der vom Finanzkapital vorangetriebenen Deindustrialisierung bezeichnen, von der gierigen Ausbeutung von Fabriken, deren Ausschlachtung bis hin zum Abzug von Kapital aus den Gemeinden, in denen diese Fabriken angesiedelt sind. Zum anderen sollte er auch den Moment bezeichnen, an dem sich die Verantwortlichen zurückziehen, Giftmüll hinterlasse und sich nicht darum sorgen, dass in den Gemeinden Arbeitslosigkeit grassiert und toxische Narrative zirkulieren. Die Gier des neoliberalen Kapitalismus kann als ein Aspekt eines viel größeren und organisierten Phänomens betrachtet werden, das sich als perverse Struktur begreifen lässt (Long, 2008). In einer solchen Struktur stützt sich der neoliberale Kapitalismus auf «Zweideutigkeit, Illusionen, Ausflüchte, Tricks, Absprachen und Täuschungen» und führt zu pseudopolitischen Reaktionen «oder einer ‚als ob‘-Politik, bei der viel Energie in die Festlegung von Zielen, Vorgaben und Indikatoren und den entsprechenden Nachweis gesteckt wird, dass sich die eigene Leistung in Richtung dieser Ziele bewegt» (Hoggett, 2013, S. 60, 68).

Schleichende Gewalt

Es gibt auch eine Form der Gewalt, die schwer wahrzunehmen ist und sich nur langsam bemerkbar macht: die so genannte «schleichende Gewalt», die «im Laufe der Zeit und außer Sichtweite stattfindet, eine Gewalt der zeitverzögerten Zerstörung, die über Zeit und Raum verstreut ist, eine zermürbende Gewalt, die typischerweise überhaupt nicht als Gewalt angesehen wird» (Nixon, 2011, S. 2). Dies ist die Gewalt, die von Landminen und Giftmüll ausgeht, die im Bosnien-Herzegowina seit dem Ende des Krieges alltäglich ist. Sie macht Menschen zu Wegwerfware und stellt damit eine Fortsetzung der Kriegslogik dar. Im Bosnien-Herzegowina der Nachkriegszeit bedeutet Frieden nicht mehr als die Abwesenheit von militärischen Konflikten, und er wird als noch schrecklicher erlebt, weil sich in dieser Art von Frieden die Profitlogik, die von Menschen als verwertbaren und entbehrlichen Objekten ausgeht, normalisiert hat. Diese Gewalt «sedimentiert» allmählich und macht sich erst viel später bemerkbar, zum Beispiel durch die endlosen, unsichtbaren Todesfälle unter bosnischen Bürger*innen. Sie stellen eine Fortsetzung der Kriegsverletzungen dar, obgleich sie in unserem Alltag nicht präsent sind, weil es keine dauerhafte Instanz gibt, die diese Todesfälle als solche anerkennen und registrieren könnte.

Wenn der Charakter von Menschen als Wegwerfware zur Normalität wird, drängen sich einige Fragen auf: Wie ist es möglich, dass dieses Phänomen an der Politik vorbeizugehen scheint, und wie kommt es, dass die betroffenen Gemeinschaften keinen Widerstand leisten? Zur Beantwortung dieser Fragen sollten wir uns dieses Phänomen als eine Art organisierte Verleugnung auf gesellschaftlicher Ebene vorstellen. Diese Art der Verleugnung geht typischerweise mit einer zynischen Haltung einher, basierend auf dem Gedanken «Ich weiß sehr wohl, dass dies geschieht, aber …», der sich reibungslos in die perverse Struktur des neoliberalen Kapitalismus einfügt. Im Gegensatz zur reinen Negation findet bei der Verleugnung ein Umgang mit der Verlustangst in Form einer systematischen und organisierten Vermeidungsstrategie statt. Weintrobe (2013, S. 7) weist darauf hin, dass «je mehr die Realität systematisch gemieden wird, indem sie unbedeutend gemacht oder verzerrt wird, desto mehr Angst baut sich unbewusst auf, und desto größer ist die Notwendigkeit, sich durch weitere Verleugnung zu schützen. Langfristig kann die Verleugnung zu einer Spirale der Verharmlosung der Realität führen, die mit einem unterschwelligen Angstaufbau verbunden ist, und das macht sie gefährlich».

Darin liegt eine gute Basis für einen passenden politischen Lösungsansatz für das Problem des Abfallkolonialismus. Offen aufzuzeigen, dass es notwendig ist, ständig wachsam gegenüber der sich über lange Zeiträume hinweg vollziehenden, schleichenden Gewalt zu sein, bedeutet anzuerkennen, dass bislang unausgesprochene Wirkungen solcher Gewalt existieren. Die Anerkennung davon, dass solche Zeugnisse der Gewalt existieren, ist die Vorstufe dazu, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Menschen, ihre Familien und ihre Geschichten gehört werden können und werden. Rob Nixon (2011, S. 6) argumentiert: «Von chemischen Stoffen und Strahlung ausgehende Gewalt zum Beispiel wird in das Körperinnere verlagert und im Rahmen dieser Somatisierung entwickeln sich zelluläre Mutationsdramen, die – insbesondere in den Körpern der Armen – weitgehend unbeobachtet, undiagnostiziert und unbehandelt bleiben. Aus einer narrativen Perspektive vollzieht sich ein solches unsichtbares, mutagenes Theater langsam und mit offenem Ende und entzieht sich dem geordneten Abschluss, den definierten Grenzen, die ihm von den visuellen Orthodoxien von Sieg und Niederlage auferlegt werden.»

Gefrorene Zeit

Und in der Tat wird in einem Nachkriegsszenario wie Bosnien-Herzegowina, wo die Grenze zwischen Sieg und Niederlage fließend ist, Zeit meist als gefrorene Zeit wahrgenommen, in der das Leben sozusagen auf Eis liegt. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Krieges in Bosnien-Herzegowina ist die Sorge über den Konflikt in diesem Land wieder groß. Die Menschen in Bosnien-Herzegowina befinden sich in der Schwebe zwischen dem noch nicht ganz beendeten Krieg und einer Zukunft, die noch nicht begonnen hat. Die Sieger*innen des Krieges, also jene Eliten, die vom Krieg profitierten und die Bürger*innen von Bosnien-Herzegowina mit Landminen, versteckten Massengräbern und hinterlassenem Giftmüll in die Armut trieben, haben die kommende Zeit – ja die Zukunft selbst – für sich beansprucht und verpfändet. Diese Landminen, versteckten Massengräber und giftigen Abfälle führen zu einer sich schleichend vollziehenden Zerstörung. Sie folgen ihrer eigenen zeitlichen Logik und stellen gleichzeitig eine ständige Bedrohung dar. Das Friedensabkommen etablierte das, was Steff Jansen (2014, S. 90) «Zwischenzeit» nennt, als ein liminaler Zustand, eine «Endlosschleife» der Entpolitisierung, die die Menschen in einen nicht enden wollenden «Übergang» zum Kapitalismus versetzt. Was in einem solchen Übergang geschaffen wird, ist ein «Opfer», und zwar in Form einer privilegierten identitären Position in der ethnokapitalistischen Ordnung. Ein Opfer, das für immer um das verlorene Objekt trauert, das vor ihm jedoch versteckt und zurückgehalten wird. Die Botschaft, die die autoritären ethnischen Eliten der Kompradorenkapitalist*innen an die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina senden, lautet, dass die Menschen wertlos und entbehrlich sind.

ArcelorMittal verschmutzt Zenica

Die Prognosen darüber, wie sich die schleichende Gewalt in Bosnien-Herzegowina auf das Land auswirkt, sind düster. Bosnien-Herzegowina wird vom UN-Umweltprogramm, bezogen auf die Zahl der durch Luftverschmutzung verursachten Todesfälle pro Kopf, als das zweittödlichste Land der Welt eingestuft (UNEP, 2018). In einigen Gebieten um Tuzla und Zenica führt die Umweltverschmutzung durch Kohlekraftwerke zu Krebserkrankungen in Rekordhöhe. Die Schwefeldioxidemissionen (SO2) überschritten die zulässigen Grenzwerte zeitweise um das 166-fache, wie zum Beispiel 2015 in Zenica (Geoghegan und Ahmetasevic, 2017). Das Wärmekraftwerk Tuzla zählt zu den zehn größten CO2-Verursachern in Europa (Initiative Unmask My City). Die Luftverschmutzung kostet Bosnien-Herzegowina jedes Jahr geschätzte 21,5 Prozent seines BIP (UNEP, 2018). Die Europäische Umweltagentur veröffentlichte noch erschreckendere Zahlen der durch Verschmutzung verursachten Todesfälle. In ihrem Bericht über die Luftqualität in Europa 2020 schätzt sie, dass in Bosnien-Herzegowina jedes Jahr die unglaubliche Zahl von 60.500 Lebensjahren durch Luftverschmutzung verloren geht (EUA-Bericht 09/2020, S. 109).

Seit Jahren warnen Aktivist*innen in Zenica die Öffentlichkeit vor der Luftverschmutzung und organisieren sich, um ihr ein Ende zu bereiten. Im April 2014 ging ich durch die Straßen von Zenica und sah an den Gebäuden Graffitis in Schablonentechnik mit der Aufschrift: «Mittal nas truje» [Mittal vergiftet uns].

Gedenken nur im Exil

Der Name Mittal war mir jahrelang als jenes Unternehmen bekannt, das den Eisenerzbergwerkskomplex in Omarska im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina gekauft hatte, der 1992 bosnischen Serb*innen als Konzentrations- und Folterlager für mehr als 5.000 bosnische Bürger*innen diente. Im Jahr 2005 versprach Mittal Steel – heute ArcelorMittal – den Überlebenden des Konzentrationslagers eine Gedenkstätte an diesem Ort zu finanzieren und zu errichten, hielt dieses Versprechen jedoch nicht ein (Hodžić, 2012). Als ArcelorMittal 2012 bestätigte, dass Eisenerz aus der Omarska-Mine für den Bau des Aussichtsturms ArcelorMittal Orbit in London als Wahrzeichen der Olympischen Spiele verwendet worden war, wurde eine Initiative ins Leben gerufen, um den ArcelorMittal Orbit in «The Omarska Memorial in Exile» umzubenennen (Schuppli, 2012). Für Mittal waren die Überlebenden des Konzentrationslagers Omarska Menschen, denen es keine Aufmerksamkeit zu schenken galt, die somit also zum Schweigen gebracht werden sollten . Doch seine giftigen Emissionen und seine toxische Politik des Schweigens sind für den Tod der Bürger*innen von Zenica verantwortlich.

ArcelorMittal ist der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt. Das Unternehmen steht auf der Rangliste der größten Luftverschmutzer der Welt an 40. Stelle (Toxic 100 Air Polluters Index, 2020). In regelmäßigen Berichten von Aktivist*innen und Journalist*innen aus verschiedenen Ländern, von Südafrika über Frankreich und Tschechien bis nach Bosnien-Herzegowina, wird immer wieder darauf verwiesen, dass ArcelorMittal an seinen unterschiedlichsten Standorten Umweltstandards missachtet und für toxische Prekarität sorgt.

Im Jahr 2004, als die damalige Mittal Steel Eigentümerin des Stahlwerks in Zenica wurde, verpflichtete sie sich, «alle angemessenen Investitionen in den Umweltschutz zu tätigen» (Geoghegan und Ahmetasevic, 2017). Seit ArcelorMittal seine Stahlproduktion in Zenica 2008 wieder aufnahm, sieht seine Bilanz wie folgt aus: Das Werk wurde zeitweise ohne die erforderlichen Umweltgenehmigungen betrieben (zwischen 2014 und 2017) (ebd.); von den geplanten 4.000 Beschäftigten arbeiten nur noch 2.500 im Werk; obgleich das Werk 80 Prozent der Staub- und Schwefeldioxidbelastung aus der Vorkriegszeit verursacht, liegt die Stahlproduktion heute bei nur einem Drittel der Produktion vor dem Krieg (Lemeš, 2021). Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts im Jahr 2021, haben Umweltaktivist*innen und Lokaljournalist*innen seit der Wiederaufnahme der Stahlproduktion Jahr für Jahr immer wieder über die braunen und orangefarbenen Asche- und Staubwolken berichtet, die aus dem Stahlwerk ausgestoßen werden, ohne dass die Regierung von Bosnien-Herzegowina gesetzliche oder umweltpolitische Vorschriften erlassen oder sich ArcelorMittal in irgendeiner Weise darum gekümmert hätte. Allein im Jahr 2019 stuften die Behörden der Föderation Bosnien und Herzegowina Zenica als die Stadt in Bosnien und Herzegowina mit der schlimmsten Luftverschmutzung ein. Die ganze Zeit über hat ArcelorMittal diese ökologischen Vorfälle als «einmalige» Ereignisse heruntergespielt, die sich nicht wiederholen würden (siehe Klix 2012, 2015, 2017, 2018, 2019a, 2019b, 2019c, 2021). Jetzt aber hat die Luftverschmutzung in Zenica ein Maß erreicht, dass selbst die Böden vergiftet sind. Jüngste Untersuchungen über einen Zeitraum von fünf Jahren zeigten eine derart hohe Kontamination der Böden in der Umgebung von Zenica mit Schwermetallen, dass auf ihnen angebaute Lebensmittel nicht für den Verzehr durch den Menschen geeignet sind (Lemeš, 2021).

Teil des verlassenen Industriegebiets am westlichen Rand von Tuzla. Foto: Sanja Horić/Front slobode

Protest gegen Luftverschmutzung

Im Dezember 2012 organisierte die Umweltorganisation Eko Forum aus Zenica einen Massenprotest von Bürger*innen gegen die Luftverschmutzung. Sie gingen zu Tausenden auf die Straße, prangerten die Mitverantwortung lokaler Behörden an der Luftverschmutzung in der Stadt an und forderten die Installation von Filtern in den ArcelorMittal-Werken (siehe 7dana.info, 2012). Im Jahr 2017 war das Unternehmen ohne die erforderlichen Umweltgenehmigungen tätig, da die vorherigen Genehmigungen 2014 und 2015 erloschen waren. Die lokalen und föderalen Behörden leisteten dieser Situation de facto Vorschub, sie drohten, «wenn der Druck gegen die Verschmutzer anhält, werden wir (Bosnien-Herzegowina) den ausländischen Investor abschrecken und 2.500 Menschen ihre Arbeit verlieren» (Lemeš, 2021). Dank unzähliger rechtlicher Schlupflöcher, die aus einem Memorandum of Understanding mit der Regierung vom 16. Januar 2014 hervorgingen, wurden keine Strafen gegen ArcelorMittal für die Verschmutzung von Zenica auferlegt.

Im Jahr 2015 entschieden die Aktivist*innen des Eko Forum, den Rechtsweg zu beschreiten. Sie reichten offiziell Klage gegen die Vertreter*innen des Unternehmens ArcelorMittal wegen Umweltverschmutzung ein und erstatteten außerdem Anzeige gegen den damaligen Bundesminister für Umwelt und Tourismus und den Leiter der Bundesaufsichtsbehörde wegen Fehlverhaltens im öffentlichen Dienst. Anfang 2019 wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Sarajevo die Klage gegen die beiden Beamten mit der Begründung zurück, dass sie angesichts der Komplexität des Problems Anstrengungen unternommen hätten, um die Situation zu verbessern (ebd.). Was ArcelorMittal betrifft, so gab die Staatsanwaltschaft des Kantons Zenica-Doboj am 20. November 2020 bekannt, dass sie die Ermittlungen gegen dieses Unternehmen und dessen Direktor mit der Begründung einstellen werde, dass keine ausreichenden Beweise für die Umweltverschmutzung vorgelegt worden seien. Ein Umweltexperte, der als Zeuge auftrat, erklärte offiziell, dass «die wichtigsten Maßnahmen, die in dem am 16. Januar 2014 zwischen ArcelorMittal und der Regierung der Föderation Bosnien und Herzegowina unterzeichnetem Memorandum of Understanding aufgeführt sind, nicht vor dem 30. September 2019 hätten ergriffen werden müssen» (ebd.).

Diese Position zeigt, dass die ethnischen Eliten Bosniens ihre eigenen Gesetze völlig missachten und bereit sind, große internationale Unternehmen de facto über das Gesetz zu stellen, indem sie diese durch bürokratische und juristische Werkzeuge von der gesetzlichen Verpflichtung zum Schutz der Umwelt befreien. Wie Professor Samir Lemeš, Leiter des Eko-Forums Zenica, kürzlich erklärte: «Große Umweltverschmutzer sind daran gewöhnt, Umweltgenehmigungen zu erhalten, ohne irgendwelche Auflagen zu erfüllen […] das Unternehmen GIKIL ist die einzige Anlage, die ihre Umweltgenehmigung verloren hat. Aber sie ist immer noch in Betrieb! Niemand hat die Produktion gestoppt, obwohl diese Anlage die Umwelt weiter verschmutzt und die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllt. Wir haben Angst, dass so etwas auch in Zenica passieren könnte.» (Klix, 14. September 2021)

Seine Befürchtungen sind nicht unbegründet, denn das Unternehmen GIKIL mit Sitz in Lukavac, in der Nähe von Tuzla, ist ebenfalls ein Beispiel für jahrelange Straflosigkeit in Sachen Umweltverschmutzung, während die lokale Bevölkerung unter den Folgen leidet.

GIKIL – Straffrei trotz Umweltverschmutzung

Global Ispat Koksna Industrija Lukavac (GIKIL) ist der führende Hersteller von metallurgischer Kokskohle in Südosteuropa. Im Rahmen komplexer Eigentumsstrukturen wurde die Familie Mittal 2003 Miteigentümerin des Werks GIKIL. Das Unternehmen hat den Umweltschutz derart vernachlässigt, dass schwere Unfälle zu Verletzungen von Angestellten, zum Fischsterben im Fluss Spreča und zur Bedrohung des Lebens der umliegenden Bevölkerung geführt haben. Als das Unternehmen 2018 aufgrund von Ammoniak- und Teeraustritten seine Umweltgenehmigung verlor und dank öffentlichem Druck ein Strafverfahren wegen der Missachtung des Umweltschutzes eröffnet wurde, flohen der Geschäftsführer und der Eigentümer von GIKIL zusammen mit ihren Partnern aus Bosnien-Herzegowina, um sich einer persönlichen Haftung zu entziehen. Das Unternehmen ignorierte jedoch die Anordnung, die Produktion einzustellen, und arbeitet bis heute ohne Umweltgenehmigung weiter.

GIKIL entstand aus einer Fusion zwischen dem lokalen Chemieunternehmen Lukavac (KHK) und der Global Infrastructure Holdings Limited. Spätere Änderungen des Privatisierungsvertrags weisen die indische Global Steel Holdings Ltd (GSHL) als Miteigentümerin aus. Das Gerichtsregister schlüsselt die Eigentumsverhältnisse von GIKIL wie folgt auf: 67 Prozent im Besitz der Regierung des Kantons Tuzla und die restlichen 33 Prozent im Besitz von GSHL. Diese Aufteilung der Eigentumsverhältnisse spiegelt sich jedoch nicht in der täglichen Produktion und Praxis wider. Seit mehr als zehn Jahren hat die in Indien ansässige GSHL das Unternehmen vollständig verwaltet und Entscheidungen über GIKIL getroffen, die sowohl den Beschäftigten von GIKIL als auch der Umwelt geschadet haben. Der Journalist Amarildo Gutić bringt die illegalen Machenschaften der GSHL in Bezug auf GIKIL auf den Punkt: «GSHL hat seine vertragliche Verpflichtung, 43 Millionen Euro in die Kokskohleanlage zu investieren, nie erfüllt. Es hat das Werk außerdem in die Verschuldung getrieben. Es belastete GIKIL mit Hypotheken, um Darlehen in Höhe von mehreren Millionen Euro zu erhalten, die es dann als Investitionen auswies. GSHL kaufte auch Rohstoffe von seinen ausländischen Tochtergesellschaften und stellte dies als Investition in GIKIL dar. Infolgedessen sind die Schulden von GIKIL auf 160 Millionen US-Dollar angewachsen. Millionen von Euro wurden aus GIKIL herausgezogen und als Honorare für Beratungsleistungen in Rechnung gestellt, die von Tochtergesellschaften aus Indien erbracht wurden.» (Gutić, 1. März 2016)

Künstlich geschaffene finanzielle Verluste dienten GIKIL als finanzielle Rechtfertigung für die Abschaffung von Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen und den Stopp von Lohnzahlungen für die Arbeiter*innen sowie für die Entlassung von Fachkräften, was letztlich zu Umweltunfällen führte. Wir führten Interviews mit GIKIL-Beschäftigten, um herauszufinden, wie es dazu kam, dass Arbeitsschutzmaßnahmen erst reduziert und dann eingestellt und damit die Bedingungen für Umweltunfälle geschaffen wurden. Alle Befragten waren sich einig, dass dem Profit höchste Priorität eingeräumt wurde – auf Kosten von Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten und der umliegenden Gemeinden im Kanton Tuzla. Zijad Šehabović, der frühere leitende Ingenieur bei GIKIL, sagt: «Leute, die Fabriken kaufen, drücken sich vor Umweltschutzverpflichtungen, weil das zusätzliche Kosten bedeutet. Das darf aber nicht vernachlässigt werden. Wenn nur die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, dann gibt es eine große Zahl von Menschen, deren Gesundheit durch die Umweltverschmutzung beeinträchtigt wird, was weit mehr kostet als der erzielte Gewinn. Das Problem ist, dass ständig Arbeitskräfte entlassen werden. Die Zahl der Arbeitskräfte ist zurückgegangen, und es wurden weder eine Modernisierung noch eine Automatisierung der Produktion anvisiert, die den Rückgang der Zahl und der Qualifikation der Arbeitskräfte hätten ausgleichen können. In der Folge werden viele Vorgänge nicht angemessen überwacht, wodurch die ursächlichen Bedingungen für Umweltkatastrophen entstehen. Wenn man qualifizierte Arbeitskräfte entlässt und sie nicht ersetzt, sind solche Katastrophen vorprogrammiert.» (Šehabović, 3. März 2020)

«Zur Hölle mit den Fischen und den Enten»

Anfang August 2018 ereignete sich ein schwerer Chemieunfall. Ein Lagerbehälter mit ammoniakhaltigem Teer explodierte. Die Chemikalien gelangten in den Fluss Spreča und wurden zudem in die Atmosphäre freigesetzt. Die Spreča fließt durch zwölf Gemeinden und prägt das Leben von rund einer halben Million Menschen, von denen viele für die Landwirtschaft auf den Fluss angewiesen sind. Tomislav Ljubić, der Oberstaatsanwalt des Kantons Tuzla, kommentierte das Ausmaß dieses Unfalls mit deutlichen Worten: «Der Preis für den Erhalt von 1.000 Arbeitsplätzen bei GIKIL könnte die Vergiftung von einer halben Million Menschen im Kanton Tuzla sein.» (Dnevni Avaz, 7. August 2018) Ein paar Tage später, am 9. August 2018, äußerte sich Ljubić noch ausführlicher zum Ausmaß der Umweltkatastrophe: «Eine Person, mit der wir in Kontakt waren, beschrieb die Situation klar und deutlich: ‚Zur Hölle mit den Fischen und den Enten. Das ist so gefährlich für die Gesundheit, das Leben und den Körper der Menschen.‘ Auf eine gerichtliche Anordnung hin besuchten unsere Staatsanwälte die Fabrik. Was sie dort vorfanden, war entsetzlich. Es war wie ein anderer Planet. Die Arbeiter laufen mit Milchgläsern herum und sind in keiner Weise geschützt. Unsere Staatsanwälte kamen aus der Fabrik zurück und hatten ihre Stimmen verloren, weil sie den Dämpfen ausgesetzt waren, die in der Fabrik freigesetzt wurden.» (Nikolić, 9. August 2018)

Umweltaktivist*innen der Nichtregierungsorganisation Eko Forum Lukavac wiesen regelmäßig darauf hin, dass jede Regierung des Kantons Tuzla GIKIL begünstigte und alle von Umweltaktivist*innen vorgelegten Berichte über Umweltverschmutzung ignorierte. In unserem Gespräch schildert Bajazit Okić vom Eko Forum Lukavac den Kampf der Aktivist*innen gegen die von GIKIL verursachte Umweltverschmutzung: «Allein in den letzten zwei Jahren gab es 15 offizielle Berichte der Aufsichtsbehörde, und in jedem von ihnen ist eine übermäßige Umweltverschmutzung verzeichnet und belegt. Wann immer wir Umweltunfälle bei GIKIL meldeten, verneinte das GIKIL-Management dies und behauptete, es habe keinen Unfall gegeben. Und so haben sie die Öffentlichkeit getäuscht. Unsere Behörden schoben die Verantwortung jedes Mal auf andere ab, wenn wir mit einer Klage drohten. Und dann haben wir uns entschlossen, Klage zu erheben […], aber unsere Gesetzgebung ist so schwach, dass Firmeninhaber auf Kosten der menschlichen Gesundheit Profit machen können.» (Okić, 28. Oktober 2020) Er fügte mit Bedauern hinzu, dass die große Katastrophe vom August 2018 hätte vermieden werden können, wenn die Proteste der Bürger*innen und die Berichte über die Verschmutzung ernst genommen worden wären. Besonders tückisch seien die korrupten Praktiken der kommunalen und kantonalen Behörden und die von der GIKIL-Geschäftsführung in der Gemeinde verbreiteten Lügen gewesen, wonach das Eko Forum Lukavac nur auf die Schließung von GIKIL abziele. Auf diese Weise macht sich der Raubtierkapitalismus das Zusammenspiel aus toxischer Bedrohung und drohender Armut zunutze, um die betroffenen Gemeinden zu gefügigen Subjekten zu machen, die ihre Gesundheit für den Profit großer Unternehmen opfern.

Fazit

Der verborgene beziehungsweise zurückgelassene Giftmüll und die mutwillige Verschmutzung mögen über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Wirkung in Form von schleichender Gewalt entfalten. In den Gesprächen mit den Arbeiter*innen ging es jedoch vorrangig um die stetig hohe Zahl der Todesfälle und die damit verbundenen schrecklichen Geschichten, ganz gleich, ob wir gemeinsam die möglichen Standorte des verborgenen Giftmülls des HAK-Werks rekonstruierten, oder ob wir darüber nachdachten, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass GIKIL die Gesundheitsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen einstellte. Die Arbeiter*innen berichteten entweder vom Tod von Menschen, die sie kannten und die in der Nähe der Fabriken lebten, oder vom Tod ihrer Kolleg*innen. Zijad Šehabović, ehemaliger Ingenieur bei GIKIL, erzählte: «Viele meiner Freunde, die in der Kokskohlefabrik arbeiteten, bekamen ein oder zwei Monatsrenten und starben dann. Sie hatten mit stark krebserregenden Stoffen zu tun. Nur ganz wenige von ihnen werden alt.» (Šehabović, 3. März 2020)

Bei diesen Interviews überkam auch mich ein Gefühl der Dringlichkeit. Mit unseren Gesprächen, in denen wir zusammenkamen und die Verbindung zwischen den Generationen wiederherstellten, versuchten wir so viele Informationen wie möglich zu retten und gemeinsam aufzuzeichnen, bevor diese Generation von Arbeiter*innen verschwindet. Wie kann die Gemeinschaft, die sowohl unter den Verlusten des Krieges als auch unter den Verlusten der Nachkriegsprivatisierung leidet, das zerstörerische Netz aus Giftstoffen und Armut durchbrechen, das aus dem nackten Eigeninteresse des globalen Finanzkapitals heraus gesponnen wurde? Und wie können wir aus der restlichen Wut, die noch in den ausgezehrten und vergifteten Gemeinschaften präsent ist, schöpfen und sie am Leben erhalten, um diejenigen, die von diesen Verbrechen profitiert haben, zur Verantwortung zu ziehen? Die Antwort ist akribische Genauigkeit. Bei diesem Vorhaben sollten wir das Dilemma der Toxizität nicht fetischisieren oder ästhetisieren, noch sollten wir der falschen Annahme huldigen, wonach sowieso alles verseucht sei und wir am besten daran täten, aufzugeben und uns zurückzuziehen. Wir müssen die Ausweglosigkeit unserer Lage ernst nehmen. Wie Alenka Zupančič es formuliert, kann uns ein solcher «Mut der Hoffnungslosigkeit» aus unserer derzeitigen Handlungsunfähigkeit herausführen und uns in die Lage versetzen, einen Gedanken zu denken, der «dem Handeln nicht entgegensteht, sondern vielmehr die inhärente Bedingung für ein wahrhaft mutiges Handeln ist, das schließlich einen Unterschied macht» (Zupančič 2018, S. 29).

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