Kommentar | Rassismus / Neonazismus - Parteien / Wahlanalysen Richtungsentscheidung

Zum Parteiaustritt des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen

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Gerd Wiegel,

Alexander Gauland, Björn Höcke und Jörg Meuthen (von links nach rechts) Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Mit dem Rücktritt und Parteiaustritt des bisherigen AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen ist der parteiinterne Machtkampf der AfD vorerst entschieden. Gegen die völkische Rechte lässt sich innerhalb der AfD keine Politik machen. Meuthen zog mit seinem Schritt den Schlussstrich unter eine Richtungsauseinandersetzung in der AfD, die seit mehr als zwei Jahren mit harten Bandagen geführt wurde. Er sei krachend gescheitert, so das Fazit von Meuthen bei der Bekanntgabe seines Entschlusses. Aktuelle Entwicklungen, wie die Aufhebung seiner Immunität im Europaparlament wegen des immer noch virulenten Parteispendenverfahrens oder die Nominierung des Kandidaten Max Otte zur Bundespräsidentenwahl haben den Entschluss vielleicht verstärkt. Vor allem letzteres, die Entscheidung für die Kandidatur von Otten, hat noch einmal die Isolation Meuthens in der Partei gezeigt: im Vorstand sollen sechs von zehn Mitglieder, bei den Landesvorsitzenden 14 von 16 für die Nominierung Ottes gestimmt haben.

Machtopportunismus und Niederlage

Nach Bernd Lucke und Frauke Petry ist Jörg Meuthen der dritte AfD-Vorsitzende, der mit der Räumung seines Postens auch gleich die Partei generell verlässt. Machtkämpfe innerhalb extrem rechter Organisationen haben offenbar eine existentielle Dimension, mindestens in politischer Hinsicht. Mit sechseinhalb Jahren war Meuthen der bisher längste Vorsitzende, unter dessen (Teil)Führung die Partei in alle Landtage und zweimal in den Bundestag einzog, in dessen Zeit jedoch auch der Aufstieg der völkischen Rechten in der Partei erfolgte und die AfD in eine anhaltende innerparteiliche Auseinandersetzung zwang, die jetzt zu einer vorläufigen Entscheidung gekommen sein dürfte. Als Politiker ist Meuthen mit seinem Austritt tot. Die schon routinehafte Ankündigung aller bisherigen Ex-Vorsitzenden, eine neue Partei ins Leben rufen zu wollen, wird bei Meuthen den nämlichen Weg wie bei Lucke und Petry gehen: ins Nirwana.

Heute gilt Meuthen in der Öffentlichkeit als Gegenspieler der völkischen Rechten um Björn Höcke. Dabei war er zusammen mit Alexander Gauland maßgeblich daran beteiligt, diese Rechte in der Partei erst groß und stark werden zu lassen.

In der innerparteilichen Auseinandersetzung mit seiner Ko-Vorsitzenden Petry nutzte Meuthen den «Flügel», um innerparteiliche Mehrheiten zu organisieren. Er pilgerte zum Kyffhäuser-Treffen, dem zentralen Event der völkischen Rechten in der AfD, macht den Höcke-Fans dort seine Aufwartung und trat beim Institut für Staatspolitik auf. Erst als er merkte, dass sich die völkische Rechte nicht mehr einhegen und kontrollieren ließ und seinen eigenen Vorstellungen von der weiteren Entwicklung der AfD im Weg stand, nahm er den Kampf auf. Der von Meuthen betriebene Parteiausschluss von Andreas Kalbitz, dem wichtigsten Organisator des «Flügels», war eine klare Kampfansage, die Meuthen jedoch offenbar ohne Absicherung und klaren Plan führte. Seine Brandrede gegen die Parteirechte beim Parteitag in Kalkar und vor allem seine Angriffe gegen Gauland waren taktisch unklug, weil sie das Spalterimage damit dem Meuthen-Lager anhefteten. Vor allem aber konnten Meuthen und seine Anhänger niemals mit der Währung punkten, die am Ende für Parteien die Härteste ist: mit Wahlerfolgen. Während die Landesverbände in Hand der bürgerlichen Rechten vor sich hindümpeln, werden die spektakulären Erfolge ausschließlich von der völkischen Rechten eingefahren.

Gerd Wiegel ist Politikwissenschaftler und Referent für Rechtsextremismus und Antifaschismus der Bundesfraktion die LINKE. Er arbeitet seit Jahren zur extremen und populistischen Rechten in Deutschland und Europa und veröffentlicht hierzu regelmäßig in linken Zeitschriften.

Auswirkungen auf die Partei

Die Niederlage Meuthens hat die Kräfteverhältnisse in der AfD offen ans Tageslicht gebracht. Entsprechend werden sich die Führungskader der Partei verhalten und ihre Schlussfolgerungen ziehen. Dass die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), Erika Steinbach, den Austritt Meuthens zum Anlass nahm, ihren Eintritt in die AfD anzukündigen, ist ein klares Zeichen. Man dient sich der siegreichen extremen Rechten als treuer Vasall an und hofft auf Wohlwollen. Gerade die DES steht beim Höcke-Lager bis heute im Verdacht, die AfD im bürgerlich-konservativen Sinne weichspülen zu wollen. Insofern ist Steinbachs demonstrativer Eintritt beides: Opportunismus und Überzeugung. Dieser Teil des reaktionären Konservatismus ist nicht gewillt, die lange ersehnte Heimat rechts der Union wegen einer Faschisierung in Teilen der Partei aufzugeben.

Man arrangiert sich und nähert sich an, genießt die neue Freiheit, dem Ressentiment freien Lauf zu lassen und wird schnell selbst Teil der Radikalisierungsspirale, die die Partei immer weiter nach Rechtsaußen treibt. Wer diesen Weg nicht mitgehen will verstummt, macht unauffällig Fachpolitik oder ist längst ausgetreten.

Innerparteiliche Befriedung und Versöhnung, so hat Tino Chrupalla, im Moment einziger Parteivorsitzender, die aktuelle Aufgabe beschrieben. Gesucht wird also ein Ko-Vorsitzender der gewillt ist, sich mit der völkischen Rechten zu arrangieren, ohne die Gesamtpartei allzu offensichtlich in die Hände des Höcke-Lagers zu geben. Dessen Reaktionen auf den Austritt Meuthens waren eher verhalten, Höcke bekundete gar seinen Respekt. Offensichtlich hat man hier schnell begriffen, dass mit Meuthen auch eine einfache Ausrede für die aktuelle Stagnation der Partei wegfällt. Ist die Partei erstmal zur Gänze in der Hand der völkischen Rechten, dann gehen auch alle Misserfolge auf ihr Konto.

Auswirkungen

Der Abgang Meuthens beinhaltet eine strategische Entscheidung im Umgang der AfD mit der Union. Klare Abgrenzung verbunden mit dem Ziel, die Union weiter in die Krise zu treiben und Bündnisse erst dann in Betracht zu ziehen, wenn man sie aus einer Position der Stärke diktieren kann. Dass diese Strategie mittelfristig nur in Ostdeutschland eine Chance hat, weil nur hier die AfD tatsächlich eine Volkspartei ist und die Möglichkeit hat, zur dominierenden Kraft zu werden, scheint die führenden Flügel-Strategen nicht zu stören. Größer war offenbar die Angst vor einer umgekehrten Vereinnahmung durch eine unter Friedrich Merz mögliche Rechtsverschiebung der CDU. Die Kandidatur von Max Otte ist in diesem Zusammenhang noch mal als symbolische Abgrenzung und Kampfansage an die CDU zu verstehen.

Die vier Landtagswahlen in diesem Jahr, alle in westdeutschen Bundesländern, werden zeigen, ob der eingeschlagene Weg der AfD ohne weitere innerparteiliche Verwerfungen gegangen wird. Der Glaube, vom Osten aus die CDU zerstören oder auch nur gefügig machen zu können, könnte sich als Fehleinschätzung des Selbstbehauptungswillens des etablierten Konservatismus und ihres neuen Parteivorsitzenden erweisen.