Nachricht | Westafrika - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit - COP27 «Bei uns ist der Klimawandel schon angekommen»

Casamance und der Kampf gegen den Klimawandel

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Toter, umgefallener Kängurubaum an der Küste

Am 14.2. hat der Weltklimarat (International Panel on Climate Change, IPCC) die Abschlussverhandlungen zum zweiten Teil seines Sechsten Sachstandsberichtes begonnen. Am 28. Februar soll die endgültige Version des Berichtes veröffentlicht werden. In diesen Berichten fassen Tausende von Wissenschaftler*innen den aktuellen Stand der Forschung zum Klimawandel zusammen. Während der erste Teil des Berichts sich jeweils mit den Ursachen der globalen Erwärmung befasst, geht es im zweiten Teil um die Folgen des Klimawandels, die erwartet werden müssen. Oder die bereits spürbar sind, wie Reportagen aus unseren Büros in Afrika zeigen: Im Senegal müssen Dörfer vor dem ansteigenden Meer weichen und Reisbäuer*innen verlieren ihre Ernährungsgrundlage. Und im Süden Afrikas führt die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten zu Wassermangel und Hungersnöten - Phänomene, die mit mit den steigenden Temperaturen häufiger und schwerwiegender werden.

Das immer weiter vorrückende Meer hat viele Siedlungen an der senegalesischen Atlantikküste ausgelöscht. In dem Gebiet kann die Landbevölkerung aufgrund der versalzenen Böden zudem keinen Reis mehr anbauen, der in der Region zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Es gibt Menschen, die dagegen ankämpfen. Sie pflanzen Bäume, passen ihre Ernährungsweise an und machen die Weltöffentlichkeit auf die Veränderungen aufmerksam, die im Senegal schon jetzt vor sich gehen.

Demba Diatta aus Diembering
Ibrahima Thiam arbeitet als Projektmanager im Westafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal. 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Climate Justice Central, einer von der RLS geförderten Plattform, die die Stimmen junger afrikanischer Journalist*innen und Aktivist*innen zu Fragen der Klimagerechtigkeit verstärken soll.

Ich heiße Demba Diatta. Ich lebe schon mein ganzes Leben lang hier in Diembering. Die toten Bäume, die Sie am Strand liegen sehen, heißen Kängurubäume. Das Fischereiministerium hat uns in den 1990ern gesagt, dass wir Kängurubäume pflanzen sollen, damit das Meer nicht noch weiter vorrückt und unser Land überflutet. Also haben wir das gemacht, aber jetzt sind sie alle tot. Hier ist zu sehen, dass das Meer einen ganzen Kilometer weiter ins Land vorgedrungen ist. Das macht uns wirklich Angst.

Wir haben unsere Jugendlichen gebeten, einen Verein namens Douwate zu gründen, der die ganze Welt und unsere Regierung darauf aufmerksam machen soll, was hier passiert. Sie sollen wissen, dass in ein paar Jahren nichts mehr da sein wird. Diembering wird verschwinden, es wird im Meer versinken. Alles wird verschwinden und dann werden wir ein neues Zuhause brauchen.

Der Fischfang wird nach Hause gebracht.

Zwischen Diembering und dem Meer liegt nichts mehr. Überall ist Wasser. Wenn wir auf die Welt kommen, wissen wir alle, dass wir einmal Reisfarmer*innen werden – dass jede*r von uns Reisfarmer*in wird. Sonst gibt es hier nichts zu tun. Wir essen morgens, mittags und abends Reis. Zum Glück gibt es noch Reis, wenn auch viel weniger als früher. Je näher uns das Meer rückt, umso weniger Nahrung können wir anbauen.

Weil Sie hier sind, kann die Welt uns sehen und hören. Sie geben uns eine Stimme. Wir sind dankbar, dass Sie hergekommen sind, um sich selbst ein Bild zu machen.

Durch Sie wird die Regierung erkennen, dass der Klimawandel schon hier ist und dass seine Konsequenzen real sind. Wenn wir nicht bald eine Lösung finden, dann werden die Folgen für viele katastrophal sein. Helfen Sie uns, denn wir wissen nicht, was wir sonst tun sollen. Wir sind Reisfarmer*innen. Wir können nicht in der Stadt leben.

René Jean Pierre Preira

Ich heiße René Jean Pierre Preira und bin Ortsvorsteher von Sindone. Was Sie hier sehen, ist ein verlassenes Dorf – komplett verlassen. Wegen des Kriegs in Casamance mussten die Menschen 1995 zwei Dörfer komplett aufgeben: Tranquil and Ndambour.

Wir stehen hier auf einem Feld, auf dem seit 1995 nichts mehr angepflanzt wird, weil es vom Meer überschwemmt wurde. All diese Felder sind versalzen. Früher haben wir diese Felder bestellt, aber jetzt sind sie so gut wie nutzlos. Wir ernten heute nur noch halb so viel Reis.

Meerwasser überschwemmt einige Felder. Der hohe Salzgehalt macht sie unbestellbar.

Wir haben versucht, dieses Land mit der Unterstützung einer NGO wieder bestellbar zu machen – aber ohne Erfolg. Wir produzieren nicht mehr viel Reis. Durch die Straße, die sie hier gebaut haben, kann sich das Salzwasser nicht mehr mit dem Meer zurückziehen. Das Wasser auf unseren Feldern steht jetzt noch höher. Fisch fangen wir auch keinen mehr. Die Menschen müssen jetzt Reis zukaufen, weil sie selbst nur mehr so kleine Mengen produzieren. Unsere Bäuer*innen, Fischer*innen und Jäger*innen kämpfen alle ums Überleben.

Aber die Unterstützung von RENADE gibt uns Hoffnung.

Aliou Cissé

Der Klimawandel hat schon jetzt enorme Auswirkungen auf unser Leben. Wenn wir nichts anbauen können, haben wir nichts zu essen und nichts zu verkaufen. Wir haben erlebt, dass unser Land komplett von Meerwasser überschwemmt wurde. Wir mussten feststellen, dass die Menschen ihre Äcker nicht so recht bewirtschaften wollten – wegen der Versalzung.

Jugendliche im Senegal haben den Verein RENADE gegründet. Es handelt sich dabei um eine NGO, die sich für nachhaltige Entwicklung einsetzt. Sie ist in Ziguinchor und Casamance sehr aktiv.

In unserer Jugend konnten wir hier sehr viel Fisch fangen und Fisch kostete nur fünf Kobo (ca. 0,07 EUR). Jetzt geben Landwirt*innen ihre Felder auf und werden stattdessen Fischer*innen. Wir müssen Lösungen für all diese Probleme finden, damit wir überleben können.

Wir haben herausgefunden, wie wir unsere Ackerflächen teilweise wieder zurückgewinnen und bewirtschaften können. Wir müssen auch eine eigene Fischzucht aufbauen. Zu den bestehenden Fischteichen müssen an der Küste noch weitere hinzukommen – so können wir fischen und das Meerwasser von unseren Feldern fernhalten. Außerdem können wir Jungfische züchten, die wir dann im Meer aussetzen. Dadurch wird unser Bestand nachhaltiger.

Souleymane Ndiaye

Ich wurde 1953 geboren und lebe in Diogué. Ich bin Umweltschützer geworden, weil ich meinem Land helfen wollte. Das Gebäude hinter mir stand einmal mitten im Wald. Diesen Wald gibt es nicht mehr. Wegen steigenden Meerespegeln wurde das ganze Gebiet geflutet. Ich habe Kängurubäume gepflanzt, um das Meer zurückzuhalten. Viele Menschen haben aufgehört, Reis anzubauen, weil ihre Felder versalzen sind. 

An manchen Stellen können die Leute nicht mehr stehen – sie würden komplett untertauchen.

Wenn wir das Meer nicht aufhalten können, werden Diogué oder Senegal erst der Anfang sein. Ich hoffe, dass unsere Kinder und Enkelkinder unsere Anstrengungen weiterverfolgen, denn sonst wird hier alles verschwinden.

Übersetzung von Barbara Jilek und André Hansen für Gegensatz Translation Collective