Nachricht | Benkel: Zur Geschichte der Frauenhäuser in Deutschland; Berlin 2021

Über das erste Berliner Frauenhaus

Information

Franziska Benkel beschreibt in ihrem Buch die Entstehung des ersten Frauenhauses in Westberlin, eingebettet in eine Geschichte der westdeutschen Frauenbewegung und ihrer Debatten einerseits und eine Schilderung staatlicher Frauenpolitik andererseits.

Zu Beginn beleuchtet Benkel ausführlich den Themenkomplex geschlechtsspezifische und vor allem: häusliche Gewalt. Das Anliegen vieler Frauen in den Jahren nach 1968 war diese in die Öffentlichkeit zu bringen, und zwar als individuelles, wie auch als gesellschaftliches Problem für das es weitreichende politische Lösungen braucht. Der Polizei und auch anderen staatlichen Einrichtungen war durchaus bekannt, dass es (häusliche) Gewalt gegen Frauen gab, es wurde nur nichts unternommen.

Danach skizziert Benkel die Familienpolitik in den 25 bis 30 Jahren nach 1945. Ja, Familienpolitik, denn Frauenpolitik ist seinerzeit Familienpolitik. Waren in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Trümmerfrauen sehr wohl als Arbeitskräfte gefragt, wurde danach die Berufstätigkeit von Frauen abgelehnt. Zum Beispiel sind 1970 nur 29 Prozent aller Frauen berufstätig. Den von der Sozialdemokratie angestoßenen Reformen stellen die Feministinnen politsich das parteiliche Handeln als feministisches Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe entgegen. Sie bringen Themen wie ungleiche Löhne, Abtreibung und Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit. Die Situation in der DDR wird kurz gestreift, hier habe, so Benkel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Mittelpunkt gestanden (S. 128), Kritik am Patriarchat sei unerwünscht gewesen.

Ab circa 1973 hatte es in Berlin Frauenzentren und andere Orte von und für Frauen gegeben. Ab Anfang 1975 beginnt die Debatte um und die Planung eines Frauenhauses, in dem dann Frauen vor häuslicher und männlicher Gewalt Schutz finden. Vorbilder sind Einrichtungen in den Niederlanden und Großbritannien. Das erste Frauenhaus wird am 1. November 1976 eröffnet und als Modellprojekt tituliert, einen Monat später öffnet ein weiteres Frauenhaus in Köln seine Türen. In Berlin finden in den ersten 12 Monaten 615 Frauen und 730 Kinder Schutz und Beratung. Benkel schildert die internen Debatten der Projektgruppe, die Bündnissituationen, die Erfahrungen der ersten Monate der Existenz des Hauses (und den abwehrenden Protest der AnwohnerInnen). Das Modellprojekt in Berlin wird zu 80 Prozent vom Bund finanziert, das Land Berlin trägt 20 Prozent.

Dieser Abschnitt des Buches ist stark, was von den anderen leider nicht so sehr gesagt werden kann. Die Autorin springt thematisch hin und her, spricht sehr viele Themen an, wodurch einiges oberflächlich bleibt. Das Buch ist eine kurze Geschichte eines Frauenhauses, nicht, wie der Titel sagt, eine Geschichte der Frauenhäuser in (West-)Deutschland.

Franziska Benkel: «Wir haben nichts mehr zu verlieren … nur die Angst!» Zur Geschichte der Frauenhäuser in Deutschland; Orlanda Verlag, Berlin 2021, 200 Seiten, 18,50 Euro