Nachricht | Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn (Hrsg.): Hauptsache Arbeit. Wandel der Arbeitswelt nach 1945; Bielefeld 2010

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Hauptsache Arbeit?
Die Publikation erschien als Begleitband anlässlich der Ausstellung „Hauptsache Arbeit. Wandel der Arbeitswelt nach 1945“. Sie war vom November 2009 bis Anfang April 2010 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Als zweite Station wird die Ausstellung dann ab Mitte Dezember bis Anfang Mai 2011 im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen sein. Da der populärwissenschaftliche Band von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben wird, kommt ihm eine halb-offizielle Bedeutung für das historische Selbstbild der Bundesrepublik zu.
„Die Ausstellung will“, so das Vorwort, „dazu beitragen, aus zeitgenössischer Perspektive das Bewusstsein für Bedingungen und Erfordernisse einer sich permanent wandelnden Arbeitswelt zu vertiefen und zu schärfen“. Der Band beginnt mit einem Überblick über den Strukturwandel der Arbeit im 20. Jahrhundert von Klaus Tenfelde, einem der Meisterdenker der an Strukturen orientierten Historischen Sozialwissenschaft. Daran anschließend berichtet Andreas Rödder über die gewandelten Einstellungen und Haltungen innerhalb und gegenüber der Arbeitswelt. Es folgen neun Artikel, unter anderem über die Automobil- und Textilindustrie,; die Veränderungen im Dienstleistungssektor - – Post, Banken, Gesundheitsindustrie – sind ebenso Thema wie die enormen technologischen Umbrüche in der Agrarwirtschaft. Einen Fokus auf Arbeit in der DDR haben die Beiträge zu Eisenhüttenstadt und zum Fritz-Heckert-Kombinat in Chemnitz. Dazwischen sind fünf Querschnittsartikel gestreut, die Arbeitslosigkeit, Arbeitsmigration hin zu haushaltsnahen Dienstleistungen oder die vielbeschworene Flexibilisierung von Arbeit zum Gegenstand haben.
In der Ausstellung kommen in sämtlichen Stationen auch die vom Wandel der Arbeitswelt selbst betroffenen ArbeitnehmerInnen ausführlich zu Wort. Rund 50 Zeitzeugen geben Auskunft über ihre Berufsbiografien und berichten über den Wert der Arbeit in ihrem Leben. Diese Sichtweise ist im Ausstellungsband leider sehr schwach vertreten, da hier nur eine Handvoll noch dazu sehr kurzer persönlicher Aussagen dokumentiert wird.
Die Gewerkschaften werden vor allem als Organisatoren von Abwehrkämpfen gegen den technologischen Wandel dargestellt. Eine weitergehende, gestaltende Rolle wird ihnen nicht zugeschrieben. Streiks fehlen fast völlig, sie werden nur im Zusammenhang mit den Kämpfen um die Einführung der 35-Stunden-wWoche Mitte der 1980er-Jahre erwähnt.
Zusammengefasst bietet der Band zu den Strukturveränderungen vor allem der historischen „Bonner Republik“ einen guten Überblick aus einer linksliberalen Perspektive. Als populärwissenschaftliches und illustriertes Werk ist er recht annehmbar. Er zeigt in seinen Querschnittsartikeln deutlich, wie wichtig heute die Ansprüche der Arbeitenden auf Autonomie sind - – und dadurch Gegenstand von Konflikten in der Arbeitswelt werden.

Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn (Hrsg.): Hauptsache Arbeit. Wandel der Arbeitswelt nach 1945; 160 Seiten mit 159 farbigen und 86 s/w-Abbildungen, 27,80 EUR