Kommentar | Europa - Westeuropa - Frankreich-Wahl 2022 Zusammen hätte mehr gebracht

In Frankreich vergibt die Linke ihre Chance auf die Stichwahl

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Autorin

Johanna Bussemer,

Mit 22 Prozent hat der linke Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Melénchon ein gutes Ergebnis in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag erreicht. Im Vergleich zur Wahl 2017 (19,58 Prozent) konnte er dieses sogar noch verbessern. Und auch wenn die rechtsextreme Marine Le Pen mit knappem Vorsprung von aktuell um 1 Prozent vor Mélenchon in der Stichwahl gegen den liberalen Amtsinhaber Emmanuel Macron gehen wird, zeigt das Ergebnis vor allem drei Dinge:

Johanna Bussemer leitet das Europa-Referat im Zentrum für internationalen Dialog und Zusammenarbeit in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Anders als bei den letzten Kommunalwahlen in 2020, bei denen Grüne und Sozialdemokraten die Regierung in zahlreichen großen Städten wie Marseille, Lyon und Dijon übernehmen konnten, konkurrieren bei den Präsidentschaftswahlen erneut Liberale, extreme Rechte und Linke miteinander. Das zeigt, wie zugespitzt die Positionen insbesondere um die in Frankreich stets heiß diskutierten Themen wie Rente und Sozialpolitik sind.

Zweitens zeigen sich auf der Landkarte der Ergebnisse für die einzelnen Wahllokale, wie auch schon 2017, wieder deutliche regionale Unterschiede. So konnte Melénchon im Süden des Landes weit mehr Wahlkreise deutlich für sich gewinnen als im Nord-Osten, wo Le Pen nicht selten die höchsten Stimmenanteile verzeichnen konnte.

Drittens ist deutlich, dass die Zersplitterung der französischen Linken ein Grund dafür ist, dass Le Pen und Macron nun die Stichwahl unter sich ausmachen können. Auch wenn das oft laute und populistische Auftreten von Mélenchon nicht immer angenehm und es eine traurige Tatsache ist, dass sich abermals ein älterer weißer Mann als Kandidat durchgesetzt hat: Der Abstand zwischen Melénchon und Le Pen beträgt nur rund 500.000 Stimmen. Fabien Roussel, der Kandidat der Parti Communiste konnte 2,3 Prozent erringen. Hätte sich die Linke auf einen gemeinsame/n Kandidat:in einigen können, wäre also schon allein mit den Stimmen von Melenchon und Roussel der Einzug in die Stichwahl bereits möglich gewesen. Rechnet man die Ergebnisse der Kandidatin der Parti Socialiste dazu oder sogar das des grünen Kandidaten Yannick Jadot, zeigt sich eine deutliche Mitte-Links Mehrheit.

Die Chance eine/n gemeinsame/n Gegenkandidat:in für sowohl Macron als auch Le Pen aufzubauen, ließen die französischen mitte-links Parteien jedoch trotz der zahlreichen Initiativen für eine Urwahl im linken Spektrum abermals verstreichen. Nun wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Macron erneut auf dem Rücken der Angst vieler Französinnen und Franzosen die Stimmen in der Stichwahl einfangen, um einen endgültigen Sieg der Rechten zu verhindern. Rechnet man die Stimmen von Le Pen und dem rechstextremen Rivalen Eric Zemour zusammen kommt man auf starke 30 Prozent, die es zu verhindern gilt.

Und so wird Macron abermals aus der Not heraus siegen und wieder wird er nicht der Präsident aller sein und die sich verschärfenden sozialen Konflikte werden weiter eskalieren.

La France Insoumise (LFI) hat sich mit dieser Wahl endgültig den Platz als größtes linkes Bündnis in Frankreich gesichert. Die Re-Etablierung der Parti Socialiste mit der in Paris recht erfolgreichen Bürgermeisterin Anne Hildago als Präsidentschaftskandidatin ist nicht geglückt.

Nun muss Melénchon einen versöhnlichen Ton gegenüber potentiellen Partnerinnen und Partnern finden, um regionale Bündnisse voranzutreiben, die bei den kommenden Parlamentswahlen tragfähig sind. Anders als 2017 gibt es bei LFI nun zahlreiche erfahrene, junge Politiker:innen, wie z.b. Manon Aubri, die mit Martin Schirdewan von der deutschen Partei DIE LINKE die Fraktion THE LEFT im Europäischen Parlament anführt. Wenn es gelänge die positiven und erfolgreichen Aspekte des linken Wahlkampfes in Frankreich in die Europawahlen zu tragen und diese als breites Bündnis in Europa zu vermitteln, wäre eine leichte Trendwende möglich.