Drei Jahre ist das hundertjährige Bauhaus-Jubiläum nun schon wieder her, und mittlerweile sind auch etliche aus den Feierlichkeiten resultierende Veröffentlichungen erschienen.1 Der hier anzuzeigende Band reiht sich in diesen Publikationsreigen ein. Er enthält Beiträge des 14. Internationalen Bauhaus-Kolloquium2 im April 2019 an der gleichnamigen Universität in Weimar, ergänzt um einzelne des 13. Kolloquiums, die auf Englisch bereits erschienen sind,3 aber nun erst übersetzt wurden. Untergliedert ist das Buch in vier Sektionen, die jeweils eine kurze Einleitung und vier oder fünf Beiträge enthalten.
In der Einleitung gibt Ines Weizman (2019 Juniorprofessorin für Architekturtheorie und Co-Direktorin des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und Planungan der Bauhaus-Universität Weimar) einen Überblick über den Band. Sie postuliert, dass dem Bauhaus – heute – der „politische Stachel genommen worden“ (S. 9) sei und es viel weniger einheitlich gewesen sei, als es in der feierlichen Reminiszenz absichtsvoll konstruiert wurde. Zeynep Alexander sieht das Bauhaus nicht als Revolution, sondern als Rückkehr oder zumindest Fortsetzung der Traditionen des 19. Jahrhunderts. Max Welch-Guerra beobachtet, dass sich jede*r das Bauhaus für seine und ihre Zwecke legitimatorisch aneigne und ein pluraler Gegenstand auch eine plurale Analyse benötige. Fluchtpunkt einer sozusagen ‚Bauhaus-Philosophie‘ sei einerseits die Betonung des Kollektiven, andererseits die Auseinandersetzung mit den materiellen Aspekten einer Erscheinung oder eines Mediums als Voraussetzung für eine gerechte Beziehung zu ihm oder ihr. Auch das Bauhaus, das zeigen nicht nur die spannenden Texte des zweiten und dritten Kapitels, war dem modernen Gesellschaften immanenten Zusammenhang (wenn nicht Paradox) von Fortschritt und Emanzipation, von Effizienz und Wettbewerb ausgesetzt, ja, es war sogar Teil davon. Die zum Thema ihres Beitrages ausgewiesene Elizabeth Ottoschreibt über Queerness am Bauhaus und nennt dafür Beispiele. Sie weist darauf hin, dass im selben Jahr wie das Bauhaus auch das Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeldin Berlin gegründet wurde und dass gerade zu dem Thema noch mehr zu forschen und weitere Quellen zu erschließen seien.
Die gesamte Rezension, die zuerst in der Zeitschrift Expressionismus, Heft 15erschienen ist, im PDF lesen.
Bauhaus-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung (Hrsg.): 100+. Neue Perspektiven auf die Bauhaus-Rezeption. Jovis Verlag, Berlin 2021, 272 S., 30 Farb- u. S/W-Abb., 38 Euro
1 Vgl. z.B. Thomas Schleper (Hrsg.): Staatsaffäre Bauhaus. Beiträge zur internationalen Bauhaus-Rezeption. Berlin: Gebr. Mann 2020.
2 Dieses Kolloquium findet seit 1976 statt, siehe die umfangreiche Dokumentation unter: https://bauhaus-kolloquium.documentary-architecture.org(Zugriff am 22.06.2022).
3 Vgl. Ines Weizman (Hrsg.): Dust & Data. Traces of the Bauhaus across 100 years. Leipzig: Spector 2019.