Nachricht | Soziale Bewegungen / Organisierung - Parteien / Wahlanalysen - Krieg / Frieden No NATO! Und was dann?

Die Debatte der LINKEN über konkrete friedenspolitische Politikansätze

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Jan van Aken,

Friedensflagge mit der Aufschrift "PACE, no to nato"
IMAGO / U. J. Alexander

Und jetzt tritt auch noch Finnland der NATO bei. Über 70 Jahre war das Land neutral, dann kam der 24. Februar 2022 und – natürlich – fühlt das Land sich bedroht durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. 1300 Kilometer Grenze verbinden Finnland und Russland. Wenn dein Nachbar gerade sehr praktisch und sehr deutlich zeigt, dass Völkerrecht und friedliche Konfliktlösung ihm herzlich egal sind, dann ist die Suche nach einem sicheren Schutzschirm nur allzu verständlich.

Auch wenn die NATO dafür das denkbar ungeeignetste Instrument ist. Die NATO war nie eine «Wertegemeinschaft», die sich dem Schutz der Demokratie und der Menschenrechte verschrieben hat, sondern ein Militärbündnis zur Durchsetzung von wirtschaftlichen und geopolitischen Machtinteressen der Mitgliedsländer. Die viel beschworenen «Werte» bleiben schnell auf der Strecke, wenn einzelne NATO-Staaten ihre Interessen auch mal mit Hilfe von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen durchsetzen, so wie zuletzt die USA 2003 im Irak, oder ganz aktuell die Türkei in Nordsyrien. Da gibt es dann keinen Aufschrei, sondern da hält die deutsche Außenministerin weiter Händchen mit dem Regime in Ankara.

Für ein Nein zur NATO gibt es also viele gute Gründe. Aber was dann? Die Bedrohung Finnlands, Georgiens oder Moldawiens ist ja real, die russische Aggression auch. Einfach zuschauen und hoffen, dass es einen selbst nicht erwischt, ist für einen linken Internationalismus keine Option. Welche Alternativen und Konzepte gibt es denn, die bedrohten Ländern Sicherheiten bieten könnten, ohne gleich in Militarismus oder NATO-Wahn zu verfallen?

Das ist nur eine der grundlegenderen Fragen, die sich der Friedensbewegung und gesellschaftlichen Linken seit dem 24. Februar stellen. Wie kann ein stabiler, positiver Frieden erreicht werden, wie könnte ein Weg zu einer kooperativen Sicherheitspolitik angesichts aggressiver, imperialistischer Nachbarn und globaler Großmächtekonkurrenz aussehen?

Auch die Partei DIE LINKE hat diese Fragen aufgegriffen und auf dem Bundesparteitag im Juni 2022 beschlossen, einen umfassenden Diskussionsprozess über konkrete außen- und friedenspolitische Antworten anzustoßen. Dabei geht es nicht um eine Programmdebatte. Im Gegenteil, der Beschluss des Parteitages betont, dass der friedenspolitische Gründungskonsens der LINKEN dabei erhalten bleiben soll. Es geht also nicht darum, neue Grundsätze zu formulieren, sondern diese Grundsätze mit konkreten Politikansätzen zu füllen. Im Detail sollen in den kommenden zwölf Monaten die folgenden vier Fragestellungen diskutiert werden:

  • Welche Art von allgemeinen und/oder gezielten Sanktionen sind in bestimmten Konstellationen sinnvoll und unterstützenswert?
  • Welche Maßnahmen sind aus unserer Sicht sinnvoll, Ländern wie Moldawien oder Georgien, die real von einem aggressiven Nachbarn militärisch bedroht sind, auch ohne NATO tatsächliche Sicherheit zu bieten?
  • Wie könnte ein System der kollektiven Sicherheit in einer multipolaren Welt und die ersten Schritte dahin aussehen? Was schlagen wir für die EU und ihre Mitgliedsstaaten vor? Soll die EU aus unserer Sicht eine Rolle bei der Sicherheitsarchitektur spielen?
  • Welche linken Ansätze für eine Demokratisierung der Vereinten Nationen unterstützen wir?

Das soll keine parteiinterne Debatte werden, sondern ein breiter Diskussionsprozess mit der Friedensbewegung, der breiteren gesellschaftlichen Linken und mit Wissenschaftler*innen aus Think Tanks und Universitäten. Alle sind eingeladen, ihre Fragen, Antworten und Vorschläge zu diesen Fragen in die Diskussion einzubringen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung wird die Debatte mit Studien und Hintergrundmaterial in dem Dossier «Die Waffen nieder» begleiten und unterstützen.