Kommentar | Kommunikation / Öffentlichkeit Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: so wichtig wie reformbedürftig

Vorschläge für notwendige Strukturreformen von Benjamin-Immanuel Hoff.

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Berlin, 15. August 2022: Freie Mitarbeiter*innen protestieren vor Beginn der Sondersitzung des RBB-Rundfunkrats mit Plakaten und Schildern vor dem Haus des Rundfunks
Berlin, 15. August 2022: Freie Mitarbeiter*innen protestieren vor Beginn der Sondersitzung des RBB-Rundfunkrats mit Plakaten und Schildern vor dem Haus des Rundfunks Foto: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Im ostthüringischen Bad Lobenstein greift der – gerade einem Abwahlantrag knapp entronnene – Bürgermeister einen Journalisten tätlich an. Der Vorfall ist auf einem Video dokumentiert, das im Internet veröffentlicht wurde. Doch der Bürgermeister, gegen den im Abwahlverfahren zwar die Mehrheit stimmte, aber die nötige Mindestzahl an Stimmen nicht zustande kam, bestreitet in Trump-Manier der Täter-Opfer-Umkehr den Vorfall und verweigert sich der einzig logischen und angemessen Konsequenz: dem Rücktritt.

Der Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung, die zur Funke Mediengruppe gehört, kommentierte den Vorfall: «Unsere Kollegen, gerade in den Lokalredaktionen, sehen sich zunehmend Drohungen ausgesetzt. […] Aus unserer Sicht gilt es, die Meinungs- und Pressefreiheit an dieser Stelle zu verteidigen.»

Das ist keine bloße Rhetorik, sondern eine sehr berechtigte Mahnung. Denn der Angriff eines gewählten Stadtoberhaupts auf einen örtlichen Journalisten ist ein weiterer Höhepunkt der Behinderungen, Denunziationen, Drohungen von Rechtsextremist*innen, Corona-Leugner*innen und anderer, die seit Jahren gegen die ihnen verhassten «Mainstream-Medien» oder «Staatsmedien» Stimmung machen, Journalist*innen als «Volksverräter» bezeichnen und sie verbal und tätlich bedrohen.

Bedroht ist die Pressefreiheit, wenn Journalist*innen in ihrer Arbeit behindert werden, wenn sie oder ihre Familien bedroht werden, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Reporter ohne Grenzen und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) haben zu Recht betont, dass die Freiheit der Presse keine Selbstverständlichkeit ist, sondern eine Errungenschaft, die jeden Tag verteidigt und in viel zu vielen Ländern erst errungen und durchgesetzt werden muss. Dabei müssen sich die Journalist*innen täglich im Spannungsfeld zwischen Journalismus und Profitlogik bewegen, obwohl schon Marx in der Rheinischen Zeitung am 19. Mai 1842 die Pressefreiheit mit den Worten verteidigte: «Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.»

Benjamin-Immanuel Hoff (DIE LINKE) ist Sozialwissenschaftler, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Thüringer Staatskanzlei.

Aus Transparenzgründen weist der Autor dieses Beitrags darauf hin, dass er von der Thüringer Landesregierung in den Fernsehrat des ZDF entsandt ist.

Privatwirtschaftliche Medienkonzentration und flächendeckende Schließungen von Lokalredaktionen haben in Deutschland die Wächterfunktion der Presse als «unermüdliche Denunzianten der Machthaber» (Marx) geschwächt. Angesichts dessen ist es gut, dass Tageszeitungen wie die taz und Neues Deutschland auf Genossenschaftsmodelle und damit auf gemeinwohlorientierte Entwicklungsstrategien setzen.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist durch das Instrument des Rundfunkbeitrags der Profitlogik entzogen und zugleich der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Seine journalistische Unabhängigkeit ist garantiert. Doch gleichzeitig stehen die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ARD, ZDF, Deutschlandradio unter zweifachem Druck:

  • extern durch Dauerangriffe von Neoliberalen der FDP und konservativen Strategen in der CDU bzw. CSU einerseits sowie bei aller Kritik von diesen drei demokratischen Parteien abzugrenzen von Rechtsextremen aus AfD und deren Netzwerken andererseits;
  • intern durch zu hohe Dysfunktionalität und behäbigen Strukturkonservatismus. Unklar ist, wer am Ende der Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr schadet.

Der Skandal um Patronagewirtschaft und Selbstbedienungsmentalität innerhalb des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), der wesentlich mehr zu umfassen scheint als die Personalie um die inzwischen fristlos und ohne Anspruch auf Altersversorgung entlassene Intendantin Patricia Schlesinger, kann insoweit ein Bruchpunkt sein. Gelingt es nicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformfähig zu halten – durch Strukturreformen aus den Medienanstalten selbst heraus und durch ein Bündnis aus demokratischen Akteur*innen unterschiedlicher politischer Provenienz –, dann könnte ein folgenschwerer Erosionsprozess einsetzen: ARD, ZDF und Deutschlandradio könnten in einer Weise delegitimiert werden, dass dies den Anfang vom Ende des bestehenden Rundfunksystems markieren würde.

Gleichzeitig muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Kritik stellen, und zwar sowohl inhaltlicher Kritik als auch im Hinblick auf Transparenz und Wirtschaftlichkeit. Der kritische Blick auf ARD, ZDF und Deutschlandradio – selbst, wenn die Kritik im Einzelfall unberechtigt oder auch überzogen sein sollte – ist allein deshalb legitim, weil die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und ihre Angebote qua Gesetz von den Rundfunkbeitrag zahlenden Bürgerinnen und Bürgern finanziert werden. Diejenigen, denen an der Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelegen ist, müssen deshalb sorgsam zwischen legitimer Kritik und der Infragestellung der Pressefreiheit differenzieren. 

Nachfolgend betrachte ich deshalb die externen und internen Gefahren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und benenne einige notwendige Reformschritte. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist und bleibt unverzichtbar. Er ist nichts weniger als das «Sturmgeschütz der Demokratie», als das man das Hamburger Nachrichtenmagazin 1962 in der sogenannten Spiegel-Affäre bezeichnet wurde.

Für mehr als drei Viertel der Bundesdeutschen sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – unabhängig von der Pandemie – die erste oder zweite Anlaufstelle, wenn es um politische Informationen geht. Im ersten Lockdown 2020 erreichte dieser Wert zeitweise 83 Prozent, wobei sich der Anteil derjenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als wichtigste Informationsquelle bezeichneten von 56 auf 60 Prozent erhöhte.

In der sich in diesen Zahlen ausdrückenden Relevanz der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten wird zugleich ihre Bedeutung in einem dualen Mediensystem deutlich, in dem unterschiedliche Logiken die Produktion von Medieninhalten ermöglichen und das unterschiedliche Perspektiven auf die Welt und unsere Gesellschaft zulässt.

Das ist wichtig, denn öffentlich-rechtliche und privatwirtschaftliche Medien haben jeweils blinde Flecken. Sie können aber aus ihrer je eigenen Sicht durchaus komplementär den toten Winkel der anderen Perspektive ausleuchten: Öffentlich-rechtliche Angebote müssen in wirtschaftlichen Belangen weniger Rücksicht nehmen, während private Angebote gegenüber öffentlichen, politischen und sonstigen Autoritäten noch unabhängiger agieren können. Zusammengenommen sorgt die daraus entstehende öffentliche Debatte dafür, dass wir als Bürger*innen besser Bescheid wissen.

Ein Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist deshalb nicht zwangsläufig ein Plädoyer gegen private Medienunternehmen, zu denen auch die privatwirtschaftlich geführten Tageszeitungen und andere Printmedien gehören. Deren ökonomische Fehlentscheidungen zulasten der lokalen Berichterstattungen habe ich an anderer Stelle am Beispiel der Funke Mediengruppe thematisiert.

Rundfunkbeitrag: inszenierter Kampf gegen die «Zwangsgebühr»

Seit 2013 ersetzt der Rundfunkbeitrag die bis dahin bestehende Rundfunkgebühr. Alle Inhaber*innen einer Wohnung sind zur Zahlung von derzeit 18,36 Euro (zuvor 17,50, bis 2015: 17,98 Euro) verpflichtet, unabhängig davon, ob und wie viele Rundfunkgeräte vorhanden sind, wozu heute auch empfangsfähige mobile Endgeräte zählen.

Der Rundfunkbeitrag hat seit seiner Einführung ein erhebliches Legitimationsproblem. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt die vormalige Tätigkeit der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Berichterstattungen über rigorose Beitragseinziehungen, die auch zu Maßnahmen griffen, wie Autos säumiger Zahler*innen durch Parkkrallen bewegungsunfähig zu machen oder sie gar in Erzwingungshaft zu nehmen, haben eine einst nur unterschwellig vorhandene Kritik weit verbreitet. Allein die Zahl von kritischen Petitionen in allen Landtagen und dem Deutschen Bundestag sind dafür ein Indiz.

Die AfD erkannte von Beginn an das Potenzial dieser Unzufriedenheit und machte sie sich zunutze. Die Infragestellung der «Zwangsgebühr» gehört seitdem, vermischt mit der Kritik an Eliten und der Denunziation des vermeintlichen «Staatsfunks» als «Lügenpresse», zum rechtspopulistischen Standardrepertoire.

Im Bundestagswahlkampf 2017 inszenierte sich auch die FDP – im Windschatten einer vor allem auf digitale Modernisierung abzielenden Kampagne – inhaltlich als Tea-Party deutscher Prägung und versuchte ebenfalls, jedoch vor allem anti-etatistisch argumentierend, die Kritik am Rundfunkbeitrag als Mobilisierungsthema zu nutzen.

In dem Glauben, politische Geländegewinne im Parteienwettbewerb mit der AfD erzielen zu können, ging die CDU in Sachsen-Anhalt einen Schritt weiter. Den Bruch der seinerzeitigen Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Kauf nehmend, setzten die Christdemokraten mit einem Paukenschlag durch, dass das Land Sachsen-Anhalt der Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmte. Die Koalition zog den Gesetzentwurf über den Staatsvertrag zum Rundfunkbeitrag zurück, der damit für alle anderen Länder scheiterte, obwohl alle anderen Länder ihre Zustimmung zum Staatsvertrag erteilt hatten.

Die Sendeanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio klagten vor dem Bundesverfassungsgericht, das in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2021 in aller Deutlichkeit erklärte: «Die staatliche Finanzgewährleistungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt den Ländern als föderaler Verantwortungsgemeinschaft, wobei jedes Land mit Verantwortungsträger ist. […] Um dieser Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlichen Rundfunk […] gerecht zu werden und die Erfüllung seines Funktionsauftrags zu ermöglichen, muss der Gesetzgeber vorsorgen, dass die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen.»

Um die finanzielle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sicherzustellen, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in früheren Urteilen entschieden, dass die Finanzierung nicht über einen frei zu entrichtenden Preis oder über allgemeine Steuern gewährleistet werden soll. Die Finanzierung erfolgte deshalb zunächst über eine gerätebezogene Gebühr und inzwischen modifiziert über einen haushaltsbezogenen Beitrag. Dahinter steht die Idee, ein für alle frei verfügbares, unabhängiges und qualitativ hochwertiges Public-Value-Angebot durch eine solidarische Finanzierung zu gewährleisten.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Kritiker*innen des Rundfunkbeitrags gemeinhin die Auffassung vertreten, der Staat würde ihnen durch den Rundfunkbeitrag in die Tasche greifen, um den «Staatsrundfunk» zu finanzieren. Sie übersehen dabei, dass die höchstrichterlich erneut bestätigte verfassungskonforme Konstruktion des Rundfunkbeitrags erst die Grundlage und Gewähr für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bietet, tatsächlich staatlich unabhängig tätig sein zu können, ohne befürchten zu müssen, dass über staatliche Haushaltsentscheidungen die Möglichkeiten des freien Rundfunks beschränkt werden können. Es ist diese Staatsferne, die den Vorwurf des «Staatsfunks» entkräftet.

Doch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff scheint bis heute überzeugt davon, dass Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein und insbesondere die Infragestellung einer Anpassung des Rundfunkbeitrags ein ungefährliches Terrain ist, auf dem das Experimentieren mit populistischen Phrasen folgenlos möglich sei. Dies ist und bleibt ein Irrtum.

Gleichzeitig – und das macht die Debatte nicht einfacher – ist auch beim Rundfunkbeitrag nicht jede Kritik unberechtigt. Es bestehen soziale Ungleichgewichte, die aus Gerechtigkeitsgründen abzuschaffen sind.

Unumgängliche Strukturreformen in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten

Gerade diejenigen, die ARD, ZDF und Deutschlandradio für unverzichtbar halten und den qualitativen Wert und demokratischen Nutzen dieser Anstalten herausstellen, müssen die treibende Kraft notwendiger Strukturreformen in den Anstalten sein.

Dabei ist die Frage zu beantworten, ob durch Strukturoptimierungen vergangene Beitragssteigerungen hätten vermieden werden können bzw. künftig zu vermeiden sind. Meine Antwort darauf lautet: Nein – Beitragserhöhungen wird es auch in Zukunft geben, denn sie sind notwendig, um erforderliche Modernisierungen durchzuführen. Dies ist aktuell die Digitalisierung, künftig werden es neue Herausforderungen im äußerst dynamischen Feld der Medienentwicklung mit ihren kurzen Innovationszyklen sein.

Aber künftige Beitragssteigerungen können reduziert werden durch Strukturoptimierungen, für die es seit Langem gute Vorschläge gibt und die ohne Qualitätsverluste zu Verschlankungen führen würden.

Nötig ist darüber hinaus eine große Transparenz in den Medienanstalten, für deren Umsetzung es außerhalb der Anstalten vermutlich problemlos einen Konsens geben dürfte, was intern aber eine Kulturrevolution bedeuten würde. Genau dies spricht dafür, sie umzusetzen.

Bereits 2016 hatte sich eine Gruppe von acht Ländern – Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen – zusammengefunden und einen Vorschlag zu den Themen Auftrag, Budgetierung und zu einem transparenten Finanzierungsindex unterbreitet. Diese Gruppe der Acht, in der fast alle politischen Konstellationen, die in den Ländern regieren, vertreten waren, war bereit, bei der Auftragsbeschreibung unter anderem folgende beitragsmindernden und qualitätssteigernden Aspekte zu fixieren:

  • Verschlankung der Organisationsstrukturen wie Landesstudios, Töchterunternehmen und Beteiligungen sowie Reduzierung der Sendernetzkosten;
  • Optimierung der Gemeinschaftssendungen, -einrichtungen, -aufgaben (GSEA), womit der gesamte Bereich organisatorisch verfasster gemeinsamer Aktivitäten in der ARD bezeichnet wird;
  • Überprüfung der Gehaltsstrukturen und der Altersversorgung (aus meiner Sicht wäre das Ziel, sich dabei wieder am öffentlichen Dienst, nicht an der privaten Medienwirtschaft zu orientieren);
  • im Hinblick auf das Programm die Konzeption und Notwendigkeit von «Digitalprogrammen»;
  • die Verringerung der Hörfunkwellen sowie Verschlankung durch zunächst verstärktes und später grundsätzliches Online-Angebot;
  • Konzentration und Reduktion der Sportrechte – kurzum: die Reduzierung der enormen Kosten für Sportübertragungen in einem irrational überhitzten Preiswettbewerb;
  • mehr Information und Kultur in der Prime-Time.

Insbesondere Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg, plädierte in der Debatte nachvollziehbar und berechtigt für ein Indexmodell bei der Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Weil die duale Medienordnung von dem Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Angeboten lebt, so Brosda gegenüber medienpolitik.net, «brauchen wir eine klare Budgetierung, die über eine eindeutige Kostenkontrolle Entwicklungsfähigkeit garantiert, ohne maßlose Expansion zu fördern. Dieses Budget könnte indexiert und regelmäßig von der KEF [Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten] überprüft werden.»

Die Länder müssen die Kraft haben, Entscheidungen über Strukturoptimierungen auch dann zu treffen, wenn dies für die kleinsten Anstalten schwierig wird. Mit anderen Worten: Ob der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen, deren Lebensfähigkeit nur durch den ARD-internen Finanzausgleich gewährleistet ist, als eigene Anstalten bestehen bleiben oder im SWR und NDR aufgehen sollten, muss Gegenstand der Debatte sein. Die ostdeutschen Länder mit ihren zwei Sendeanstalten rbb und MDR sowie dem Norddeutschen Rundfunk haben gezeigt, wie Strukturoptimierungen praktisch umgesetzt werden können und müssen.

In Zuge der Novellierung des MDR-Staatsvertrags unterbreitete Thüringen den Vorschlag, die Gehälter der Intendant*innen der ARD auf dem Niveau der Bundesverfassungsgerichtspräsidenten zu deckeln. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. August 2022 formulierte der Kulturminister Sachsen-Anhalts, Rainer Robra, zutreffend: «Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sind zweifellos herausragende Persönlichkeiten. Warum sollte deren Gehalt nicht für Intendanten ausreichen und das eines Richters dort für die zweite Ebene der Anstalten? Entschiede man sich dafür, erhöhten sich die Gehälter geräuschlos kraft Bundesgesetz, und es gäbe keine Antrittsprämien mehr.»

In diesem Zeitungsbeitrag präsentierte Rainer Robra – mit dem ich in der Vergangenheit im Hinblick auf einzelne Vorschläge zur Strukturentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wahrnehmbar über Kreuz lag – zwei weitere Überlegungen, die aus meiner Sicht unterstützenswert sind:

  • Aus der Affäre Schlesinger ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die ARD verfasste Organe benötigt. Der reformierte und zeitgemäße Staatsvertrag für das Deutschlandradio wäre dafür das Muster. Er wäre im Übrigen auch das Muster für alle Rechtsgrundlagen in den Landesrundfunkanstalten, gegebenenfalls nötige Anpassungen nachholend vorzunehmen.
  • Die Vorgänge im rbb zeigen darüber hinaus, dass das «monokratische» Führungsmodell von Intendant*innen ein Anachronismus ist, den man überwinden sollte. «Wäre der Intendant Sprecher des Vorstands und teilte Macht und Verantwortung für das Unternehmen mit anderen, etwa dem Verwaltungschef, dem Chefredakteur oder dem Programmdirektor, wären manche Missstände wahrscheinlich nicht eingetreten», schreibt Robra in der FAZ, und ich stimme darin mit ihm überein.

Die von mir genannten Vorschläge für Strukturreformen liegen, wie ich gezeigt habe, seit Jahren auf dem Tisch. Dass sie nicht umgesetzt wurden, liegt sowohl an einem Strukturkonservatismus in den Anstalten selbst, aber auch an fehlender Einigkeit in der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder. Die aktuelle Krise kann insoweit eine Chance sein, wenn jetzt gehandelt wird, bevor das Zeitfenster für Modernisierungen sich schließt.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist wichtig in Zeiten postfaktischer Diskurse und selbstreferenzieller Filterblasen. Deren Anhänger*innen empfinden die Berichterstattung von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle und Dritten Programmen als bedrohlich, gerade weil diese der Wahrheit und nachprüfbarer Faktizität verpflichtet ist. Gleichwohl sind die Anstalten nicht sakrosankt. Im Gegenteil. Sie müssen sich ebenso wie der Rundfunkbeitrag gesellschaftlich immer wieder legitimieren. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, Effektivierungspotenziale konsequent zu ermitteln und moderne, transparente Strukturen zu etablieren. In dieser Hinsicht sind die Anstalten ohne Wenn und Aber in der Pflicht.