Nachricht | Meerwald: Spanische Häftlinge in Dachau, Göttingen 2022

Grundlagenforschung aus Perspektive der Verfolgten

Während über spanische Verfolgte im KZ Mauthausen in den letzten Jahrzehnten viel geforscht wurde, ist über diese Gruppe in anderen Lagern immer noch wenig bekannt. In seiner Publikation widmet sich Johannes Meerwald den Spanier*innen im KZ-Komplex Dachau, mit dem Ziel, ihre Geschichte «in den historischen Kontext des Lagerkomplexes» einzuordnen und dessen Bedeutung «in der nationalsozialistischen Repressionspolitik gegen die Spanierinnen und Spanier herauszuarbeiten» (S. 13). Die Publikation basiert auf einer Masterarbeit, die unter anderem von Dr. Carlos Collado Seidelbetreut worden ist, einem der wenigen Expert*innen für spanische Geschichte in der Bundesrepublik.

Anja Hasler ist Sozialpädagogin und Historikerin. Sie ist Stipendiatinder RLS und promoviert an der Universität Köln im Fachbereich Neuere und Neuste Geschichte.

Mit viel Empathie für die Verfolgten präsentiert Meerwald nun die Ergebnisse seiner Forschung einem breiteren Publikum. Es geht um Verfolgungswege, um Existenzbedingungen im KZ-Komplex Dachau und um die Handlungsstrategien der Inhaftierten. Die Kapitelstruktur ist chronologisch angelegt und orientiert sich an unterschiedlichen Entwicklungsphasen des KZ-Systems. Das letzte Kapitel ist dem Leben und den politischen Aktivitäten der Spanier*innen im französischen Exil nach 1945 gewidmet.

Immer wieder kommen Überlebende in Form von Erinnerungsberichten zu Wort. Das ist ein bewusst gewählter Ansatz; Meerwald möchte die Perspektive der Betroffenen als handelnde Akteure in das Zentrum seiner Abhandlung stellen. Auch wenn ihm hierfür «nur» die Zeugnisse einiger weniger Überlebender zur Verfügung stehen, werden die Themen nicht einseitig beleuchtet. Es gelingt ihm, Heterogenität und Multiperspektivität darzustellen. So werden zum Beispiel auch bisher kaum berücksichtigte Gruppen, wie die spanischen Zivilarbeiter*innen erwähnt. Leider werden die Entstehungskontexte der verwendeten Zitate kaum thematisiert, es sei denn, es bestehen offensichtliche Diskrepanzen zu anderen Zeugnissen.

Im letzten Kapitel löst sich Meerwald dann vom Fokus «Dachau» und beleuchtet einige Facetten des französischen Exil nach 1945 sowie Gründe für die Marginalisierung dieser Verfolgtengruppe in Spanien. Weil die Rechercheergebnisse stets in größere Kontexte eingeordnet werden, streift er viele Themen nur oberflächlich, wie zum Beispiel die bundesdeutsche Wiedergutmachungspraxis oder die spanische Erinnerungslandschaft. Anders wäre das in diesem Publikationsformat auch nicht möglich. Es ist trotzdem gut, dass Meerwald diese Punkte anreißt, denn so können die Komplexität und die Relevanz des Themas vermittelt werden.

Schlussendlich gelingt es, deutlich zu machen, warum das KZ Dachau «einer der zentralen Orte in der Verfolgungshistorie der republikanischen Spanierinnen und Spanier» (S. 105) gewesen ist. Das Buch ist unter Berücksichtigung der einschlägigen Forschungsliteratur sorgfältig recherchiert; Begriffe werden kritisch eingeordnet. Abgesehen von der Einarbeitung der Perspektive der Verfolgten nutzt Meerwald keinen spezifischen Forschungsansatz, aber das muss er auch nicht. Mit dieser Abhandlung wurde wichtige Grundlagenforschung betrieben - nicht zuletzt ein Anlass dafür, dass die ursprüngliche Arbeit 2021 mit dem Stanislav Zámečník Studienpreis des Comité International de Dachau ausgezeichnet wurde.

Johannes Meerwald: Spanische Häftlinge in Dachau. Bürgerkrieg, KZ-Haft und Exil (Kleine Reihe zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Band 4), Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 128 Seiten, 16 Euro

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