Am 10. und 11. Februar 2011 fand erstmalig in der Rosa Luxemburg Stiftung in Berlin eine umfassende Informations- und Diskussionsveranstaltung über berufliche Perspektiven von Promovierenden statt. Das Studienwerk hatte die Veranstaltung angeregt und zusammen mit dem stipendiatischen AK Promovierenden-Forum zu einer zweitägigen, aufeinander abgestimmten Tagung entwickelt.
Eine abgeschlossene Promotion ist bekanntlich der höchste akademische Grad, den man erwerben kann. Nach dessen Erreichen schafft es allerdings nur etwa eine/r von einhundert Kandidat/innen erfolgreich durch den immer enger werdenden Flaschenhals hindurch zu einer (ordentlichen) Professur. Die zeitgenössischen Wege zwischen Promotion und erster Anstellung erweisen sich zumeist als steinig, Karriereverläufe insgesamt als unsicher. Der Wunsch, sich darüber zu verständigen, sowie die Nachfrage nach Hilfestellungen, Anregungen und Informationen für die Zeit nach der Promotion waren dementsprechend hoch.
Der erste Tag der Veranstaltung blieb ganz den (Un)Möglichkeiten wissenschaftlicher Laufbahnen in Forschung und Lehre vorbehalten. Die eingeladene Vertreterin des BMBF, Mechthild Wagner, wies auf eine erstaunlich dünne Datenlage zur allgemeinen Situation von Promovierenden und „Post-docs“ hin. Während Thomas Brunotte (VW-Stiftung) Förderleitlinien und das mehrstufige Auswahl- und Bewerbungsverfahren seiner Stiftung erläuterte, informierte Uta Hoffmann (HU Berlin) über unterschiedliche Fellowship- und Stipendienangebote. Der Soziologe und ehemalige Stipendiat der RLS Peter Ullrich berichtete von seinen eigenen Erfahrungen aus der unmittelbaren Post-doc-Phase. Obwohl es ihm zusammen mit einer Reihe von Kolleg/innen gelungen ist, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Fördergelder für die Einrichtung einer Nachwuchsgruppe zu erhalten, gab er zu bedenken, dass akademischer Erfolg und der Anspruch solidarischen, kritischen Forschens strukturell aber eben auch auf der individuellen Ebene vielfältige Problemlagen und Spannungen erzeugen. Nachdem sie hohe Arbeitsbelastungen und zeitliche Befristungen – in ihrem Fall zudem ohne Aussicht auf Verlängerung – der Juniorprofessuren problematisierte, trug abschließend auch die ehemalige Stipendiatin und frisch berufene Juniorprofessorin Antonia Davidovic trotz ihres Erfolges bei vielen der Teilnehmer/innen eher zu einer Ernüchterung hinsichtlich beruflicher Perspektiven im akademischen Bereich bei.
Für den zweiten Tag sah das Programm Beispiele aus außeruniversitären Berufsfeldern und Bewegungskontexten vor, die nach einer Einführung von Ralf Hoffrogge und Marcus Hawel über „Promovieren als Linke“ am Rande des Mainstreams von mehreren ehemaligen und aktuellen Stipendiat/innen vorgetragen wurden. So zeichneten u.a. Ayla Güler Saied und Franziska Rauchut in einem konzisen Vortrag über Mehrfachdiskriminierungen strukturelle Aspekte von ungleichen Bildungschancen in Deutschland nach. Tobias Pieper berichtete über seinen Übergang von der Promotion in ein zivilgesellschaftliches Engagement bei der Opferperspektive Brandenburg. Katja Koblitz und Anja Metelmann beleuchteten berufliche Praxen in der Museumsarbeit und Berufsperspektiven in den Naturwissenschaften. Der heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE. tätige Stefan Kalmring beschrieb Vor- und Nachteile seines Jobs und hob hierfür lohnenswerte Weiterbildungsangebote der RLS hervor. Des Weiteren informierte Jane Angerjärv – eine der wenigen ehemaligen Stipendiatinnen, die nach ihrer Promotion den Weg auf eine Referent/innenstelle in der RLS gefunden hat, – über verschiedene Möglichkeiten der (Mit)Arbeit innerhalb der Stiftung.
Den Abschluss des zweiten Tages bildeten gemeinsame Reflexionen über potentielle Strategien gegen die weithin dominante „Mentalität des Durchkommens und der individuellen Leistungslogik“ (Ralf Hoffrogge). In diesem Kontext wurden Netzwerke von (Nachwuchs)Wissenschaftler/innen und Beispiele ihres Erfahrungsaustauschs über bestehende Mailinglisten vorgestellt. Da die Zeiten vergangen scheinen, in denen es während einer politisch gewollten „Bildungsexpansion“ auch für Menschen mit linken Biographien und kritischen theoretisch-methodischen Ansätzen Aufstiegspfade in der universitären Landschaft gab, gewinnen diese Netzwerke – wie z.B. auch der jüngst gegründete Verein für Ehemalige der RLS (RLSAlumni), der von Isabel Erdem und Peter Ullrich präsentiert wurde, – enorm an Bedeutung. Der so genannte Bologna-Prozess, die Marktförmigkeit der Wissensproduktion und die zunehmende Prekarisierung in diversen Arbeits- und Beschäftigungsbereichen machen kritisches und solidarisches Forschen oft kaum mehr möglich.
Als vorläufiges Fazit der Veranstaltung bleibt der Eindruck, dass Gegenstrategien nur dann erfolgreich sind, wenn es gelingt, notwendige Konzessionen zu machen, ohne dabei der allgemeinen Dynamik der akademischen Leistungsshow zu erliegen. Hier ist es wichtig, Räume zu schaffen, um sich über das akademische Selbstverständnis auszutauschen und Erfahrungen bündeln zu können. Das Ziel lautet, kreativ-kollektiv die vorhandenen Fördergelder (und Strukturen) zu nutzen, eigene und andere Perspektiven abseits des Mainstreams zu erhalten bzw. neue zu eröffnen. In diesem Sinne wäre es sinnvoll, das Veranstaltungskonzept um konkrete Angebote zu Antragstellung, Anschluss- und Übergangsfinanzierungen zu ergänzen. Dass die Veranstaltung voraussichtlich zu einem festen Bestandteil im Stiftungskalender der ideellen Förderung für Promovierende werden soll, können wir nur begrüßen und möchten uns bei allen Organisator/innen für den erfolgreichen Pilotversuch bedanken.
Autor/innen: Tanja Ernst und Uwe Sonnenberg