Nachricht | Libanon / Syrien / Irak - Sozialökologischer Umbau Solarenergie zwischen Smog und Lärm

Die Energiewirtschaft im Libanon ist korrupt, Veränderung kommt mal wieder aus der Bevölkerung.

Information

Autorin

Ulla Taha,

Die Energiewende auf den Dächern Beiruts – ein Solarmodul in den Vororten
Die Energiewende auf den Dächern Beiruts – ein Solarmodul in den Vororten Foto: Salim Hassoun

Seit Jahrzehnten plagt den Libanon eine Krise in allen Bereichen des Energiesektors. Übervolle Mülldeponien, was dazu führt, dass die Straßen ebenfalls zur Müllentsorgung benutzt werden, ständige Stromausfälle, die durch laute, mit Diesel betriebene Generatoren, welche die Luft verpesten, kompensiert werden, und der strenge Geruch von Abgasen in extrem überfüllten Straßen – jede*r Libanes*in kennt diese Probleme. Hinzu kommen Probleme, die sich durch die gesamte Region ziehen, die insgesamt stark vom Klimawandel beeinträchtigt wurde und wird: Auch der Libanon leidet unter einem kontinuierlichen Anstieg der Durchschnittstemperatur und einer Abnahme des Jahresniederschlags. Nicht nur der Landwirtschaftssektor ist von dieser Entwicklung betroffen. Bereits jetzt gibt es Schwierigkeiten in der Wasserversorgung im Sommer. Ein Freund aus Trablous (im Norden des Landes) berichtete erst kürzlich, dies sei auch ein Grund, weshalb er nach Deutschland migrierte. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, seien tiefgreifende Reformen wichtig, doch es fehle dem Land das nötige Geld, so die Argumentation in einem im Mai 2022 vom Ministerium für Energie und Wasser veröffentlichtem Bericht.

Eine desolate staatliche Stromversorgung führte zu einem unregulierten Markt von privat betriebenen Generatoren, der in all seinen Einzelheiten enorm unübersichtlich ist und mittlerweile 70 Prozent der Stromversorgung des Landes übernimmt bzw. übernehmen muss. In Aussicht steht eine Pipeline, die dem Libanon den Zugang zum ägyptischen Gasmarkt offenhalten und mithilfe derer ägyptisches Gas über Syrien in das Land exportiert werden soll. Eine genaue Strategie dazu bleibt bisher aus.

Ulla Taha ist Libanesin aus dem Süden des Landes. Sie lebt und arbeitet in Hamburg und studiert im Masterstudiengang Staatswissenschaften – Public Economics, Law and Politics in Lüneburg. Sie ist aktiv in der feministischen Mädchenarbeit und ist Mitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hamburg.

Darüber hinaus gibt es keine einheitliche umweltverträgliche Strategie für den Umgang mit Abfall. Offene Müllverbrennungen finden täglich statt. Es ist, als würde man seinen Tod inhalieren, titelte ein Bericht von Human Rights Watch. Dazu kommt der Stau auf den Straßen des Landes, welcher zum Alltag gehört. Insbesondere im Sommer legt sich eine Wolke von Smog über die Hauptstadt. Das gesamte Transportwesen beschränkt sich auf Autos, denn es gibt keinen öffentlichen Nahverkehr. Der Verkehrssektor verursacht 23 Prozent der Treibhausgasemissionen des Landes.

Was unternimmt der Libanon auf internationaler Ebene, um den verschiedenen Umweltkrisen entgegenzuwirken? Im Juni 1992 war das Land Mitunterzeichner des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in Rio de Janeiro. Im November 2006 unterzeichnete der Libanon das Kyoto-Protokoll. Hier wurde davon ausgegangen, dass Klimaschutz nun aktiv Teil der Regierungspolitik wird. Jedoch setzte sich der zuvor begonnene Trend durch: Noch immer wird dieses Thema vor allem von Nichtregierungsorganisationen und privat Organisierten in Angriff genommen. Auch nach der Unterzeichnung des Pariser Abkommens im April 2016 änderte sich hieran nichts.

Die Energiewirtschaft ist der für Korruption anfälligste Industriezweig im Land. Alle Pläne zur Überwindung der genannten Probleme scheiterten nicht zuletzt an korrupten Machthaber*innen. Die Perspektive angesichts dieser Situation ist entsprechend ernüchternd und frustrierend. Es gibt keinerlei greifbare und in absehbarer Zeit umsetzbare Gegenmaßnahmen. Alles, was in irgendeiner Weise noch funktioniert, ist privat organisiert und verhältnismäßig extrem teuer. Ein Schritt in Richtung nachhaltiger Energiepolitik bleibt aus.

Erstaunlich ist da die seit kurzem zunehmende Verwendung von erneuerbarer Energie – spezifischer: Solaranlagen. Es scheint, dass sich diese einmalig teure Anschaffung in einem Land mit 300 Sonnentagen im Jahr viel mehr lohnt, als die teuren Strompreise für die Nutzung der Generatoren zu zahlen. Viele Libanes*innen haben Grundstücke, Schmuck und andere Habseligkeiten verkauft, um sich die Anschaffung zu leisten und der miserablen Stromversorgung zu entkommen. Und wieder kam der Schritt in Richtung grüner Energie und die damit einhergehende Reduzierung der Treibhausgasemissionen von privater und nicht von staatlicher Seite.