Nachricht | Sozialökologischer Umbau - COP27 COP27: Höchste Zeit, zu liefern!

Die globale Erwärmung verschärft sich, auf der Klimakonferenz müssen dringend die nötigen Beschlüsse gefasst werden

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Roland Ngam,

Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt treffen sich derzeit in Sharm El-Scheikh in Ägypten zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen, der COP27 – und die Sorgen wachsen, dass am Ende des Gipfels Errungenschaften von vorherigen Konferenzen zurückgenommen werden könnten, anstatt die grundlegenden politische Entscheidungen zu treffen, die nötig wären, um die Welt der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels näher zu bringen.

Roland Ngam arbeitet als Programmmanager für Klimagerechtigkeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg, Südafrika.

2015 einigten sich die Delegierten der Klimakonfernez in Paris darauf, dass der sicherste Weg, die Zunahme von extremen Wetterereignissen zu verhindern, die Begrenzung der globalen Erwärmung auf etwa 1,5 Grad Celsius sei. Hierfür sollten die globalen CO2-Emissionen bis 2030 halbiert werden. Ab diesem Zeitpunkt waren die Vertragsstaaten verpflichtet, über ihre jeweiligen Nationalen Klimabeiträge (NDCs), dank derer dieses Ziel erreicht werden sollte, regelmäßig zu berichten.

Vor Kurzem stellte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) jedoch fest, dass die Welt aktuell keinen glaubwürdigen Plan zur Erreichung dieses Ziels hat. Im Emissions Gap Report 2022: The Closing Window heißt es, dass «zunehmende Klimawandelfolgen auf dem ganzen Planeten beobachtet werden. Es steht fest, dass Treibhausgasemissionen gesenkt werden müssen. Doch […] die internationale Gemeinschaft ist weit entfernt von den Pariser Zielen; es gibt keinen glaubwürdigen Plan, der zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels führt.»

Noch unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie gibt es dieses Jahr von vielen Seiten große Hoffnungen, dass die Klimakonferenz einen Wendepunkt darstellen würde. Flutkatastrophen in Pakistan, Dürre in Europa und am Horn von Afrika, Hunger in Madagaskar und die massive Ausweitung von Weideflächen für die Viehzucht im Amazonas führen zu immer drängenderen Rufen nach radikalen Einschnitten bei den CO2-Emissionen. Die Menschen erwarten von der COP27 konkrete Lösungen – sonst läuft die Konferenz Gefahr, eine Luftnummer zu sein, bei wo die Staatschefs nur zu öffentlichkeitswirksamem Aktivismus und leerer Rhetorik zusammenkommen.

Der designierte Präsident der COP27, der ägyptische Außenminister Samih Schukri, hat also einiges zu tun.

Zunächst muss er alle oder die meisten Staats- und Regierungschefs der hochindustrialisierten Nationen als Zeichen ihres Bekenntnisses zur Vertragsstaatenkonferenz nach Ägypten holen. Der kürzlich ins Amt berufene britische Premierminister Rishi Sunak hatte mehrere Wochen zuvor seine Teilnahme abgesagt, weil er sich um innenpolitische Prioritäten kümmern müsse, um es sich dann, nach scharfer Kritik vonseiten der Labour Party in der Person von Parteichef Keir Starmer, schließlich doch anders zu überlegen. Der US-Präsident Joe Biden und der frisch gewählte brasilianische Präsident Luis Ignacio Lula da Silva nehmen an der Konferenz teil, was eine wichtige Entwicklung bedeutet.

Die Spitzenpolitiker*innen der Welt nach Scharm El-Scheich zu bringen, ist der leichtere Teil. Tatsächlich bedeutsame Entscheidungen zu treffen, ist die größere Herausforderung und Samih Schukris zweites wichtiges Anliegen. Was genau steht also an?

Erstens findet die Konferenz mitten in einer Energiekrise statt, die auf vier Entwicklungen zurückgeht: die galoppierende Inflation während der Konjunkturerholung nach der COVID-Pandemie, den Angriff Russlands auf die Ukraine, starke Hitzewellen und ein nach dem Brexit strauchelndes Vereinigtes Königreich.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat einen Run auf Öl und Gas ausgelöst. Das hat dazu geführt, dass schon jetzt über eine halbe Billion US-Dollar in Projekte in Afrika geflossen sind, etwa in das Sangomar-Erdgasprojekt im Senegal, in die Projekte des italienischen Konzerns ENI in Algerien, in die Trans-Sahara-Pipeline und die Uganda-Tansania-Pipeline. Südafrikanische Kohleexporteure haben volle Auftragsbücher und liefern täglich nach China, Indien und Europa. Die globale Hegemonie des fossilen Kapitalismus scheint stärker denn je zu sein und Ölkonzerne vermelden Rekordgewinne.

Das Säbelrasseln zwischen den USA und China ist kein gutes Vorzeichen für die COP27. Xi Jinping konnte wider Erwarten gerade seine dritte Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas sichern, was höchstwahrscheinlich auch eine dritte Amtszeit als Präsident bedeutet. Viele Expert*innen meinen, dass dies eine kriegerischere Außenpolitik Chinas bedeuten kann, möglicherweise die Invasion Taiwans. Wenn die beiden reichsten Nationen der Welt nicht miteinander reden können, werden sie kaum fähig sein, gemeinsam an der Senkung der CO2-Emissionen zu arbeiten, wofür zunächst verlässliche Verpflichtungen in Sharm El-Scheikh nötig wären.

Die afrikanischen Staatschefs, die der COP vorwerfen, auf früheren Konferenzen ignoriert oder schikaniert worden zu sein, sitzen plötzlich am längeren Hebel. Europa braucht mindestens 155 Milliarden Kubikmeter Gas, um die ausfallenden Importe aus Russland zu ersetzen, und die afrikanischen Staaten wollen in dieser Situation einspringen. Die in ihrer Position gestärkten Energieminister Nigerias, Südafrikas, Ägyptens, des Senegals und selbst der Präsident der Afrikanischen Union, Macky Sall, haben bereits angekündigt, dass Afrika alle seine Ressourcen nutzen können muss, um sich zu entwickeln. Was heißt: Lasst uns in Ruhe unsere Kohle und unser Gas verbrennen.

Präsident Schukri muss nun einen Weg finden, um zu verhindern, dass die Staaten im Gerangel um Öl und Gas ihre NDC-Pläne zurückziehen.

Zweitens fordern die Länder, die am wenigsten zur globalen Erwärmung beitragen, aber durch extreme Wettereignisse wie Dürre, Flutkatastrophen, tropische Wirbelstürme und mehr die am stärksten Leidtragenden sind, sogenannte «Loss and Damage»-Zahlungen. Gemeint sind Ausgleichszahlungen für die zerstörerischen Folgen des Klimawandels, die weder durch Mitigation noch durch Adaption vermieden werden können. Die Bemühungen der Entwicklungsländer um einen offiziellen Beschluss von «Loss and Damage» wurden auf der COP im letzten Jahr in Glasgow vereitelt. Dieses Mal werden sie ein «Nein» nicht mehr hinnehmen.

Afrika braucht mindestens 250 Milliarden Dollar jährlich, um auf grüne Energien umzustellen und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Leider erhält es nur einen kleinen Teil dieser Summe, und diesen größtenteils vom eigenen Kontinent. Das ist auf keinen Fall fair. Präsident Schukri muss die hochindustrialisierten Staaten dazu bringen, einen angemessenen Anteil zu zahlen.

Drittens muss es einen klareren Plan für die Rettung der Regenwälder weltweit geben. In Glasgow wurden bereits einige wichtige Entscheidungen zum Schutz von Regenwäldern und Torflandschaften getroffen, aber seitdem wurde nur sehr wenig getan, um auf diese Verpflichtungen konkrete Taten folgen zu lassen. Jair Bolsonaro, der die Abholzung von Teilen des Amazonasregenwaldes in der Größenordnung des Staatsgebietes von Belgien vorangetrieben hatte, ist zwar nicht mehr Präsident von Brasilien, aber die Welt braucht einen Plan, um zu retten, was vom Regenwald noch übrig ist. Die Länder im Kongobecken und im Amazonasgebiet müssen bei ihren Bemühungen um den Erhalt des Regenwaldes unterstützt werden.

Und schließlich muss etwas gegen die Übernahme der COP durch Geschäftsinteressen getan werden. Die COP ist eine besondere Konferenz, und es kann nicht sein, dass die Industrie hier Stände betreiben darf. Die Anzahl der Sponsoren, die mit ihrem Greenwashing die Herzen und Köpfe der Menschen erreichen wollen, nimmt stetig zu.

So zieht die COP die größten Hersteller von Kunststoffflaschen an – im letzten Jahr war es Unilever, dieses Jahr ist es Coca-Cola. Der Konzern hat sich in Sharm El-Scheikh bereits gut positioniert, um der Welt mitzuteilen, wie umweltfreundlich Coca-Cola handele. Diesem Greenwashing muss im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen schnellstens ein Riegel vorgeschoben werden, damit diese nicht zu einer bedeutungslosen Show verkommen.