Pressemeldung | Vergesellschaftung senkt die Miete

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die heute in Berlin vorgestellt wurde, zeigt: eine Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung der Bestände großer privater Wohnungsunternehmen könnte mehr als 200.000 Haushalte um durchschnittlich 16 Prozent bei der Miete entlasten.

Für mehr als 200.000 Haushalte könnten die Mieten um durchschnittlich 16 Prozent sinken, wenn die Wohnungen der sechs größten privaten Wohnungsunternehmen nach dem Vorbild der landeseigenen Wohnungsgesellschaften bewirtschaftet würden. Das haben die Stadtforscher Matthias Bernt vom Leibnitz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner und Andrej Holm von der Humboldt-Universität zu Berlin für die Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgefunden.

Seit Jahren sind nicht nur die rechtliche oder finanzielle Machbarkeit einer Vergesellschaftung der Bestände großer privater Wohnungsunternehmen in Berlin umstritten. Auch ihr Beitrag zu einer sozialen Wohnungspolitik wird immer wieder in Frage gestellt. Die nun vorliegende Studie zeigt: Vergesellschaftung kann nicht nur die Miete senken, sie kann auch die Versorgung einkommensarmer Mieter*innen auf Wohnungssuche verbessern und die stadträumliche Spaltung der Stadt in arme und reiche Nachbarschaften verringern.

Für die Studie haben Bernt und Holm die Mietpreispolitik und die Geschäftsmodelle der sechs größten privaten Wohnungskonzerne in Berlin untersucht: Adler/ADO, Grand City Properties, Heimstaden/Akelius, Covivio, Deutsche Wohnen und Vonovia. Demnach verlangen die Großvermieter in ihren etwa 222.000 Wohnungen mit durchschnittlich 7,63 Euro pro Quadratmeter nettokalt Mietpreise deutlich über der in Berlin üblichen Vergleichsmiete von 6,86 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Bei Neuvermietungen überschreiten sie die Mietpreisbremse systematisch. Gleichzeitig investieren sie dreimal mehr in Modernisierungen als in notwendige Instandhaltungen - bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist das Verhältnis umgekehrt.

Der Vergleich mit den städtischen Wohnungsunternehmen zeigt, dass solides Wirtschaften auch zu deutlich geringeren Mieten von 6,29 Euro pro Quadratmeter nettokalt im Durchschnitt, sowie bei deutlich höheren Ausgaben für Instandhaltung möglich ist. So könnte eine Vergesellschaftung nicht nur die Mieter*innen der "großen Sechs" um durchschnittlich 45 bis 160 Euro im Monat entlasten. Es könnten auch jedes Jahr circa 7.000 Wohnungen zusätzlich an einkommensarme Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vermietet werden, und damit die soziale Versorgungsleistung der öffentlichen Wohnungsgesellschaften schlagartig um 75 Prozent erhöhen. Schließlich würde eine Vergesellschaftung gerade in besonders von Gentrifizierung belasteten Innenstadtvierteln für Entlastung sorgen. So könnte der öffentliche Bestand in Teilen von Moabit, Kreuzberg oder in ganz Nordneukölln fast verdoppelt werden - ein Zuwachs an günstigen Wohnungen, wie er durch Neubau oder Ankauf nicht annährend erreicht würde.

Im September 2021 hatte sich in Berlin eine Mehrheit der Wähler*innen mit 59,1 Prozent der gültigen Stimmen dafür ausgesprochen, die Bestände großer privater Wohnungsunternehmen, die in der Stadt mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, zu vergesellschaften. Der neu gewählte rot-grün-rote Senat hatte daraufhin eine Expertenkommission gesetzt, die kürzlich in einem Zwischenbericht Zweifel an der rechtlichen Umsetzbarkeit sowie an einer Entschädigung der Konzerne unter Marktwert ausgeräumt hatte. Die vorliegende Studie belegt nun erstmals den sozialen Nutzen der Vergesellschaftung. Diese, so schreiben die Autoren, könne zwar nicht alle wohnungspolitischen Probleme lösen, "aber sie ist potenziell sehr wirksam. Aus der Sicht einer sozialen Wohnraumversorgung sollte dieses Instrument also genutzt werden", schlussfolgern Bernt und Holm.

Die Studie ist ab sofort hier abrufbar www.rosalux.de/publikation/id/49757.

Jannine Hamilton
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