Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Südasien Rechtsruck in Nepal

Die Wahlen im November brachten monarchistische Kräfte wieder auf den Plan und die höheren Kasten konnten ihre Macht in der Regierung festigen.

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Amar BK, Rajendra Maharjan,

Biraj Bhakta Shrestha, Kandidat der Nationalen Unabhängigen Partei in Nepal, erhält nach seinem Sieg bei den Parlamentswahlen am 23. November 2022 in Kathmandu Grüße von einem Gratulanten.
Biraj Bhakta Shrestha, Kandidat der Nationalen Unabhängigen Partei in Nepal, erhält nach seinem Sieg bei den Parlamentswahlen am 23. November 2022 in Kathmandu Grüße von einer Gratulantin. Foto: IMAGO/ZUMA Wire/Sunil Sharma

Die Wahlen für das Parlament und die Provinzversammlungen in Nepal fanden am 20. November 2022 statt. Die zweiten Wahlen seit der Einführung der umstrittenen neuen Verfassung 2015 scheinen einen gefährlichen Trend zu bestätigen: Historisch privilegierte Minderheiten aus den höheren Kasten erleben einen erneuten politischen Machtaufschwung und missachten offenkundig die Bestrebungen nach einer inklusiven Demokratie der nepalesischen Mehrheit – insbesondere der Dalit (sogenannte «Unberührbare»), indigener Gruppen und Frauen.

Amar BK ist Senior Research Fellow an der Samata Foundation in Nepal.

Rajendra Maharjan ist Redakteur bei der Tageszeitung Kantipur in Kathmandu.

Keine der Parteien konnte eine Mehrheit im Parlament gewinnen. Die Partei der politischen Mitte und älteste Partei des Landes, die Nepalesische Kongresspartei (NC),gewann mit 89 Sitzen (32 Prozent) die meisten Mandate. Die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigte Marxisten-Leninisten), abgekürzt CPN (UML), eine der wichtigsten linken Parteien, wurde mit 78 Sitzen (28 Prozent) zweitstärkste Kraft. Die Kommunistische Partei Nepals (Maoistisches Zentrum), abgekürzt CPN (MC), die zwischen 1996 und 2006 einen Guerillakrieg gegen die Regierung führte, konnte sich mit 32 Sitzen (12 Prozent) den dritten Platz sichern. 

Parteien des rechten Flügels haben neuen Aufwind bekommen. Die nationalistische Unabhängigkeitspartei Rastriya Swatantra (RSP) eine relativ unideologische, dennoch tendenziell rechte Partei, die nur sechs Monate vor den Wahlen ins Leben gerufen wurde, bekam 20 Sitze (7 Prozent) und wurde viertgrößte Partei. Die Nationaldemokratische Partei (NDP), ein monarchistischer und Hindu-nationalistischer Zusammenschluss, wurde mit 14 Sitzen (5 Prozent) fünftstärkste Kraft. Sieben weitere Parteien, darunter eine Splittergruppe der CPN (UML), die Vereinigten Sozialisten (CPN), regionale und ethnische Parteien, sowie fünf unabhängige Kandidat*innen gewannen jeweils einen bis zwölf Sitze.  

Nach den Wahlen stieg die Unsicherheit, mit der ein Großteil der Nepales*innen auf die kurz- und auch langfristige Zukunft blickt. Auch die Aussichten für eine landesweit inklusive Demokratie sind seitdem düsterer geworden. Die Kommunistischen Parteien, insbesondere die UML, MC und die Vereinigten Sozialisten, die 2017 gemeinsam noch fast eine Zweidrittelmehrheit innehatten, mussten große Verluste hinnehmen und verloren mehr als 30 Prozent ihrer Mandate. Die NC gewann 40 Prozent mehr Sitze und wurde zur stärksten Kraft im Parlament. Während regionale und ethnische Parteien sich mit starken Verlusten abfinden mussten, konnten monarchistische und neue Parteien wesentlich mehr Wählerstimmen einholen.

Zunehmender Abstand vom Säkularismus

Die Wahlergebnisse sind kein gutes Zeichen für die nepalesische Politik. Das gilt zumindest für die nächsten fünf Jahre, denn das Bild, das sich an der Oberfläche abzeichnet, deutet auf zunehmende politische Unsicherheit hin. Im Parlament wird es wahrscheinlich keine klaren Mehrheitsverhältnisse geben. Größere Parteien werden auf die Unterstützung mehrerer kleiner Parteien und unabhängiger Kandidat*innen angewiesen sein, um eine Regierung bilden zu können, und so wird diesen Königsmacher*innen in jeglichen Regierungskoalitionen eine unverhältnismäßige Macht zukommen. Mit Blick auf die Politik der letzten zwanzig Jahre ist absehbar, dass die Regierung Nepals sich auch in Zukunft nicht stabilisieren wird. Des Weiteren ist zu erwarten, dass der gängigen Kultur von Parteizusammenschlüssen und -brüchen und der Praxis des politischen Kuhhandels kein Einhalt geboten werden wird.  

Politische Unsicherheit ist kein neues Phänomen in Nepal. Das Land hat schon mehrere wackelige Regierungen erlebt, selbst wenn eine einzige Partei eine komfortable Mehrheit im Parlament innehatte. So hatte zum Beispiel die CPN (UML) nach ihrem Zusammenschluss mit dem Maoistischen Zentrum (MC) zwischen 2017 und 2022 fast eine Zweidrittelmehrheit. Nichtsdestotrotz kam es im Juli 2021, noch vor Ablauf der Amtszeit, zum Kollaps dieser Supermehrheit. 

Der Vorsitzende des Maoistischen Zentrums, Pushpa Kamal Dahal, auch «Prachanda» («der Kämpferische») genannt, wurde am 25. Dezember mit der Unterstützung der UML, RSP, NDP und weiterer kleiner Parteien zum Premierminister gewählt. Damit brach Prachanda seine Koalition mit der Kongresspartei und formte einen Zusammenschluss mit der UML.

Nach nur vier Jahren steht Prachanda jetzt wieder am Ausgangspunkt: Im Mai 2018 schloss er seine Partei mit der UML zusammen und wurde somit Teil der UML-geführten Regierung. Im August 2021 trennte sich die Partei von der UML und formte eine Regierungskoalition mit der NC, mit der sie 2022 auch zu den Wahlen antrat. Nun ist Prachanda mit seiner Partei aus der Koalition ausgetreten und hat seine Regierung hauptsächlich mit Unterstützung der UML gebildet. Prachandas Verhalten ist sinnbildlich für die weitverbreitete Kultur des politischen Opportunismus in den nepalesischen Parteien. Hinzu kommt, dass seine Regierung sich aus Parteien mit widersprüchlichen Ideologien zusammensetzt – monarchistische und demokratische, sowie föderalistische und anti-föderalistische.

Auf einer tieferen Ebene zeigt sich jedoch noch etwas weit Erschreckenderes als der übliche Kuhhandel und mangelhafte Staatsführung: Die Wahlergebnisse bestätigten nicht nur Nepals gefährlichen Ruck in Richtung einer regressiveren, rechten und diskriminierenden Politik, sie verleihen ihm auch noch mehr Schubkraft.

Eine rückwärtsgewandte, vom nepalesischen Kastensystem geprägte Politik macht das Land generell zu einer der am wenigsten gerechten und gleichberechtigten Gesellschaften der Welt. Die derzeit stattfindende Konsolidierung dieser Politik kann auf den 28. Mai 2012 zurückgeführt werden, als die erste verfassungsgebende Versammlung nach der Revolution von 2006 aufgelöst wurde, ohne dass eine neue Verfassung zustande gekommen wäre. Trotz vorhandener Unterstützung des bis dato inklusivsten nepalesischen Parlaments, versäumten es die Führungsspitzen aus den höheren Kasten, eine Verfassung auszuarbeiten. 

Daraufhin berief Nepal eine zweite Versammlung ein, in der die neue, stark umstrittene Verfassung von 2015 entworfen wurde, wobei Gegenstimmen, insbesondere aus marginalisierten Gruppen, stark unterdrückt wurden. Die Verfassung bietet keine Lösungen für Nepals tiefliegende strukturelle Probleme, wie der genderbasierten und sozialen Diskriminierung sowie diverser Formen von Ungleichberechtigung und schlechter Staatsführung, die auch die maoistische Aufstandsbewegung und die Revolution von 2006 angefacht hatten. Stattdessen hat diese Verfassung die Macht der dominierenden Klasse der in den Bergen ansässigen höheren Kasten der Brahmanen und Chhetri nur noch weiter gefestigt.

Die nepalesische Verfassung ist die einzige moderne Verfassung, in der Säkularismus als staatlicher Schutz der sogenannten Sanatan-Traditionen, bzw. des Hinduismus und des Kastensystems definiert wird. Die jüngsten Wahlergebnisse sind ein Beweis für die fortwährende Macht der höheren Kasten. Zu beachten ist, dass die Nepalesische Kongresspartei, die größte Partei Nepals, mit starken Verbindungen zur Indischen Kongresspartei, das Thema «Säkularismus» in ihrem letzten Wahlprogramm schlichtweg übergangen hat – eine Tatsache, die nicht nur für Verfechter*innen einer säkularen Gesellschaft in Nepal und Indien von Belang sein sollte.

Marginalisierte werden weiter marginalisiert

Die Wahlen selbst waren stärker von Diskriminierung geprägt als diejenigen vergangener Jahre Die Parteien stellten weniger Frauen, Dalit und Kandidat*innen anderer marginalisierter Gruppen zur Direktwahl (165 der Parlamentssitze werden durch Mehrheitswahlrecht besetzt, während die verbleibenden 110 durch Verhältniswahlrecht gewählt werden). UML und Maoistisches Zentrum stellten nur zwei Kandidaten der Dalit-Community zur Mehrheitswahl und die NC hat bis dato noch keine*n einzige*n Kandidat*in aus dieser Bevölkerungsgruppe gestellt. Von den 165 Parlamentssitzen, die durch die Direktwahl bestimmt werden, ging nur ein einziger an einen Kandidaten aus der Dalit-Community, nämlich an einen Abgeordneten der Vereinigten Marxisten-Leninisten. Zudem wurden in der Mehrheitswahl nur neun Frauen und kein*e einzige*r Kandidat*in aus der muslimischen Bevölkerung gewählt, die immerhin vier Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.

Da laut Verfassung 33 Prozent der Parlamentssitze von Frauen besetzt werden sollen, haben die Parteien die niedrige Frauenquote dadurch ausgeglichen, dass sie für die 110 nach Verhältniswahlrecht verteilten Mandate eine größere Anzahl an Frauen nominierten. Eine ähnliche Quote für Dalit oder andere marginalisierte Bevölkerungsgruppen ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Die niedrige Anzahl an Frauen, Dalit, und Menschen aus anderen marginalisierten Gruppen in den Wahlen hat unter anderem damit zu tun, dass die meisten Parteispitzen von Männern der höheren Kasten der Brahmanen und Chhetri besetzt sind. Hinzu kommt, dass es den meisten nepalesischen Parteien an Transparenz und interner Demokratie mangelt.

Derzeit gibt es noch weniger Vertreter*innen der Dalit und anderer marginalisierter Gruppen als nach früheren Wahlen. Insgesamt werden nur 16 Abgeordnete aus der Dalit-Community im Parlament sitzen (miteingenommen die 15 Mitglieder, die nach Verhältniswahlrecht gewählt wurden), obwohl die Dalit 14 Prozent der Landesbevölkerung ausmachen. Nur sechs Mitglieder (2 Prozent) sind aus der muslimischen Community – sie wurden allesamt nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Indigene Völker (sogenannte Janajati) sind im Parlament zwar besser vertreten (67 Sitze bzw. 24 Prozent), allerdings haben auch sie in Hinsicht auf frühere Regierungen Sitze einbüßen müssen.

Mit den Wahlen wurde die Macht der Vertreter*innen der höheren Kasten gefestigt. Fast die Hälfte der derzeitigen Parlamentsmitglieder (131 Sitze) sind Brahman*innen oder Chhetri. Die Parteien haben sowohl offiziell als auch inoffiziell Regeln eingeführt, die dazu dienen, deren Repräsentierung im Parlament noch weiter auszuweiten. So hat Nepal es zum Beispiel geschafft , dass es in der Verhältniswahl – ursprünglich eingeführt, um die Repräsentation von Frauen und marginalisierter Gruppen zu stärken – auch eine Quote für die höheren Kasten gibt.

Rechte im Aufwind und Konsolidierung des kapitalistischen Systems

Mit den Wahlen konnten rechte Parteien ihr politisches Programm stärken. Auch die NDP, die Nepal wieder zu einem einheitlichen Hindu-Königreich machen will, konnte große Wahlgewinne vermerken. Trotz wiederholter interner Brüche hat die Partei diesen Erfolg nicht zuletzt ihrer Allianz mit der größten linken Partei, der CPN (UML), zu verdanken. Mit ihrem Wahlprogramm richtete sich die NDP insbesondere an Menschen der höheren Kasten, die ihren Einfluss und ihre Privilegien durch die Vorschriften der Verfassung für Inklusion, Säkularismus und Föderalismus gefährdet sehen. So ist der Erfolg dieser Partei auch als klares Zeichen für den Rechtsruck in der nepalesischen Politik zu verstehen.

Auch die Wahlerfolge der Unabhängigkeitspartei RSP sind von Bedeutung. Selbst wenn die Partei politisch noch nicht klar Stellung bezogen hat, äußern sich ihre Führungskräfte doch öffentlich gegen Säkularismus und Föderalismus.

Andere politische Parteien, auch die des linken Flügels, bewegen sich ebenfalls zunehmend nach rechts, wie es die Allianz zwischen UML und NDP versinnbildlicht. So trat ein prominenter Verfechter des Monarchismus, Kamal Thapa, als Kandidat für die UML an. KP Oli, der Vorsitzende der CPN (UML), stellte beträchtliche Fördersummen und politisches Kapital zur Einrichtung von Hindutempeln sowie für religiöse Zeremonien und die Verbreitung der Hindumythen zur Verfügung. Während seiner Amtszeit als Premierminister organisierte er einen religiösen Marsch von seiner Residenz in Kathmandu bis zu einer Stadt in Chitwan, 200 Kilometer entfernt von der Hauptstadt, errichtete Statuen der mythischen Figuren Rama und Lakshmana und verbreitete seine Ansicht, Rama sei nicht in Indien, sondern in Nepal geboren. In ihrer Ideologie, Kultur und Praxis scheint sich die UML also nicht wesentlich von der nationalistischen NDP zu unterscheiden.

Föderalistische und säkulare Parteien wie die Sozialistische Volkspartei Nepal, angeführt von Upendra Yadav, der sich zwischen 2007 und 2008 als eine der Leitfiguren der Madhesi-Bewegung hervortat und die Demokratische Sozialistische Partei Nepal unter Mahanta Thakur, ebenfalls eine führende Figur der Madhesi, mussten schwere Verluste verzeichnen. Zusammen konnten beide Parteien nur 20 Sitze (7 Prozent) für sich gewinnen. Der Grund dafür liegt nicht in erster Linie darin, dass die Wähler*innen mit den Wahlprogrammen nicht einverstanden gewesen wären, sondern darin, dass die egoistische, korrupte Politik der Parteiführer intransparent war, und dass sie den Beweggrund, der den Parteien einstmals zu ihrem Aufschwung verhalf, nämlich den Kampf um Gerechtigkeit für die madhesische Bevölkerung, aus den Augen verloren hat. Diese Verluste haben aber auch zur Folge, dass Themen wie Föderalismus und soziale Teilhabe in der nepalesischen Politik immer weiter an den Rand gedrängt werden.

Bemerkenswert ist auch, dass mit den Wahlen eine beträchtliche Anzahl an Unternehmer*innen, Geschäftsleuten und Industriellen ins Parlament gewählt wurde – auch von Parteien, die sich als «kommunistisch» bezeichnen. Es wurden mehr als 20 Industrielle und Unternehmer*innen und viele Bauunternehmer*innen aus Nepals führenden Baukonzernen gewählt. So wurde zum Beispiel Nepals einziger Milliardär, Binod Choudhary, der in vorigen Wahlen schon zweimal durch die Verhältniswahl einen Sitz bekam, dieses Mal bereits bei der Direktwahl ins Parlament gewählt. Auch frühere Wahlen waren schon stark von der kapitalstarken Bevölkerungsschicht beeinflusst, jetzt jedoch wird der direkte Einfluss der Wirtschaftselite auf die Politik noch weiter zunehmen.

Selbst in den linken Parteien wird die Vetternwirtschaft unterstützt, da sich ihre Führungskräfte zunehmend vom eigenen sozialen Aufstieg leiten lassen. In den letzten Jahren haben linke Parteien ihre Beziehungen zur Finanzelite  und zur Unternehmerklasse gepflegt und sich erfolgreich Vorteile gesichert. Linke Führungspersonen und Kader verkommen zunehmend zu Mittelsleuten, bloßen Unternehmer*innen und Investor*innen in Schulen, Universitäten, Kooperativen und Krankenhäusern.

Niedergang der Linken und Herausforderungen der Zukunft

Die Wahlen vom letzten November sind ein Beweis für den Verfall der Linken in Nepal. Der Grund dafür ließe sich vielleicht in all den Spaltungen finden, die sie bisher erfahren hat. Allerdings macht man es sich damit etwas zu einfach. Denn auch wenn die Brüche innerhalb der Parteien bei den Einbußen bestimmt eine Rolle spielen, so sind sie doch nicht der treibende Faktor.

Dass die kommunistischen Parteien Nepals sich immer wieder spalten ist allbekannt. Allein die Maoisten haben sich seit dem Friedensprozess 2006 in mindestens sechs unterschiedliche Parteien aufgespalten. Dieses Schicksal teilen seit den 1990er Jahren auch die Vereinigten Marxisten-Leninisten. Derzeit gibt es mindestens zwölf Parteien in Nepal, die behaupten, «kommunistisch» oder zumindest links zu sein. Allerdings liegt der wahre Grund für ihren Abwärtstrend in der Abwendung von den Interessen sozial benachteiligter und marginalisierter Gruppen. Auch wenn die Parteien von sich behaupten, links, sozialistisch oder gar kommunistisch zu sein, so deutet ihre Praxis doch eindeutig auf einen Rechtsruck innerhalb der nepalesischen Linken hin. Deswegen stehen die einfachen Leute Nepals der Linken auch zunehmend skeptisch gegenüber.

Anstatt den Auftrag der Verfassung umzusetzen, die Gesellschaft und den Staat umzustrukturieren und die Verfassung demokratischer und mehr auf die menschlichen Bedürfnisse hin zu gestalten, haben die linken Parteien einen Rückzieher gemacht. Sie waren nicht in der Lage, die kasten- und klassenbedingten Widersprüche der nepalesischen Gesellschaft zu identifizieren. So haben sich auch die Hoffnungen auf eine politische Neuordnung der nepalesischen Gesellschaft zerschlagen, die viele einst mit diesen Parteien verbanden.

Doch trotz der zunehmend rechten Ideologie und Praxis der nepalesischen Linken, kann sie noch einen beträchtlichen Stimmenanteil für sich gewinnen – um die 43 Prozent. Die Gründe dafür mögen vielgestaltig sein, aber fest steht: Nicht ihre sozialistische Ideologie und Praxis hat den linken Parteien diese Stimmen gebracht, sondern die Anpassung an Nationalismus und Hindutva (hinduistischer Nationalismus).

Die Wahlen im November bildeten den Nährboden für eine regressive und rechte Politik. Die regierende Klasse Nepals kann sich selbst mit kleinsten Veränderungen kaum abfinden, und legt es darauf an, sie rückgängig zu machen. Diese Rückwärtsgewandtheit begann schon unter der «linken» Regierung, die nach dem Zusammenschluss der Vereinigten Marxisten-Leninisten und der Maoisten an der Macht war. Jetzt, da rechte Parteien das Parlament dominieren, ist eine Beschleunigung dieses Prozesses zu erwarten.

Zudem bedeutet das Abflauen sozialer und politischer Konflikte der letzten Jahre nicht, dass die zugrundeliegenden Probleme bewältigt worden wären oder die Bevölkerung nicht frustriert und schlecht auf den Staat zu sprechen sei. Der Widerstand marginalisierter Gruppen und sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten ist zwar schwächer geworden, aber nicht, weil die Menschen inzwischen mehr Gerechtigkeit und Gleichberechtigung erfahren, sondern weil politische Anführer*innen und Aktivist*innen von den Parteien vereinnahmt und abweichende Meinungen unterdrückt wurden. Gleichzeitig hat sich die Diskriminierungspolitik des Staates nur noch weiter verstärkt und die Fortschritte der letzten 20 Jahre wurden auf beispiellose Art und Weise rückgängig gemacht.
 

Übersetzung: Charlotte Thießen und Sabine Voß für Gegensatz Translation Collective