Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Westafrika Angespannte Wahlen in Nigeria

Gewalt und Korruption im Land könnten die Wahl am 25. Februar behindern

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Dung Pam Sha,

Anhänger*innen der «Labour Party» demonstrieren friedlich in der nigerianischen Hauptstadt Abuja, 26. September 2022. Foto: IMAGO / UIG

Unterschiedliche politische und wirtschaftliche Entwicklungen beeinflussen die anstehenden Wahlen in Nigeria. Im Folgenden soll auf Faktoren und Ereignisse aufmerksam gemacht werden, die direkte und indirekte Auswirkungen auf den Wahlverlauf und letztlich auf das Wahlergebnis haben.

Die Anti-SARS-Protestbewegung[1], die im September und Oktober 2020 mit Demonstrationen gegen die Polizei und andere Sicherheitskräfte wegen massiver Repression und Einschränkung der Bürgerrechte begann, weitete sich zu einem landesweiten Protest gegen den Staat, gegen wirtschaftliche Not und schlechte Staatsführung aus. Bürger*innen verwüsteten und plünderten Regierungsgebäude auf der Suche nach Lebensmitteln und anderen Wertgegenständen. In vielen Bundesstaaten wurden Menschen von Sicherheitskräften getötet. Besonders schlimm waren die Vorfälle in Lekki im Bundesstaat Lagos.[2] Diese Proteste haben gezeigt, dass junge Menschen und andere Bürger*innen die Macht haben, etwas zu verändern. Die Wucht dieser landesweiten Proteste konnte schließlich in aktives parteipolitisches Engagement[3] und in die Beteiligung an der Kampagne zur Registrierung der Wähler*innen im Land[4] umgelenkt werden.

Kritik an der bisherigen Regierungsarbeit

Die Unzufriedenheit mit der Regierung von Präsident Buhari, unter der Armut, Arbeitslosigkeit, Inflation, Wechselkurs und Verschuldung stark angestiegen sind, war in den verschiedenen Bevölkerungsschichten zuletzt sehr groß. In zwei Wochen wird gewählt und die Wirtschaft des Landes muss mit einer Arbeitslosenquote von 33,3 Prozent zurechtkommen, die in diesem Jahr voraussichtlich noch weiter auf 37 Prozent ansteigen wird. Die Inflation beträgt 21,34 Prozent. Die Staatsverschuldung lag im dritten Quartal 2022 bei 101,91 Milliarden US-Dollar und wird in diesem Jahr voraussichtlich weiter steigen. Das BIP-Wachstum liegt bei 3 Prozent und wird voraussichtlich auf 2,7 Prozent zurückgehen. Der Banknotentausch der nigerianischen Zentralbank wird voraussichtlich zu einem Rückgang des BIP um 5 Prozent im ersten Quartal 2023 führen. Im Jahr 2022 lag der Human Development Index (HDI) des Landes bei 0,534, womit das Land weltweit nur den 163. Platz einnimmt. Dies bedeutet, dass die Politik es nicht geschafft hat, den Bürger*innen eine hohe Lebenserwartung, Gesundheit, Wissenszugang und einen angemessenen Lebensstandard zu garantieren. Das derzeitige Regime war nicht in der Lage, die wirtschaftliche Gesamtleistung des Landes zu steigern.

Dung Pam Sha ist Professor für Politische Ökonomie und Entwicklungsforschung an der University of Jos, Nigeria.

Übersetzung von Sabine Voß und André Hansen für Gegensatz Translation Collective.

So hat das nigerianische Statistikamt (Nigerian National Bureau for Statistics) in seinem Bericht für das Jahr 2022 festgestellt, dass die nigerianische Bevölkerung in vielerlei Hinsicht arm ist. 63 Prozent der Nigerianer*innen (133 Millionen Menschen) sind demnach von einem breiten Spektrum an Entbehrungen betroffen. Der Bericht zeigt, dass 65 Prozent der von Armut Betroffenen (86 Millionen Menschen) im Norden leben, während 35 Prozent (fast 47 Millionen) aus dem Süden stammen. Das Versagen unterschiedlicher Regierungsbereiche, diese Armut zu bekämpfen, führte schon bei Wahlveranstaltungen immer wieder zu öffentlichen Protesten gegen Regierungsbeamt*innen und Politiker*innen. Obwohl die Armut kein offizielles Wahlkampfthema ist, wird sie die Wahlbeteiligung, das Wahlverhalten und die Wahlergebnisse landesweit stark beeinflussen.

Das Ausmaß der Korruption in Nigeria ist enorm. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Zeitungen nicht über illegale Griffe in die Staats- und Sozialkassen oder die Veruntreuung von Geldern berichten, die für das Gemeinwohl bestimmt sind. Dies geschieht im Einvernehmen mit Staatsbeamt*innen, Banken und dem privaten Sektor innerhalb und außerhalb des Landes. Einige prominente Beispiele sind der Pensionsbetrug von Abdulrasheed Maina in Höhe von 195 Milliarden Naira, der Kerosin-Subventionsbetrug, der Pensionskassen-Betrug des ehemaligen Vorstand des Police Pension Board Esai Dangabar, die Affäre um Stella Oduah und ihren 255 Millionen Naira teuren gepanzerten Wagen, die fehlenden Ölgelder in Höhe von 20 Milliarden Naira, der Regierungsskandal um illegal gekaufte Waffen und einen Privatjet im Wert von insgesamt 15 Millionen US-Dollar, der Einwanderungsskandal um Patrick Abba Moro, der Malabu-Ölskandal, in den die nigerianische Regierung verwickelt war, oder die Affäre um Farouk Lawan, einen Abgeordneten des Repräsentantenhauses, der 620.000 US-Dollar aus einem Bestechungsgeld von insgesamt 3 Millionen US-Dollar einsteckte, während sein Ausschuss den Skandal um die Treibstoffsubventionen untersuchte. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Insgesamt sind 1854 Fälle von Cyberkriminalität, 1118 Betrugsfälle, 256 Fälle von illegalem Handel mit Ölprodukten und 199 Fälle von Geldwäsche vor den Gerichten des Landes anhängig. Eines der wichtigsten Vorhaben der Regierung von Präsident Buhari ist die Bekämpfung der Korruption, die man bisher nicht in den Griff bekommen hat. Stattdessen geht man davon aus, dass die Probleme fortbestehen, weil «die Aufsichtsbefugnis der Legislative nicht umsichtig genug ausgeübt wurde […] und es Vertuschungen sowie einen Mangel an politischem Willen gibt, einen Großteil der Fälle abzuschließen». Die Unfähigkeit des Regimes und der regierenden Partei, die Korruption in den Griff zu bekommen, wird sich in hohem Maße auf das Abschneiden der Partei bei den bevorstehenden Wahlen auswirken.

Der Umgang mit Diversität ist ein weiterer Bereich, in dem das Regime schlecht abgeschnitten hat. Die Verteilung von Spitzenpositionen und wichtigen politischen Ämtern im Land entspricht nicht der Bevölkerungszusammensetzung, weil das Regime die eigenen ethnischen und religiösen Gruppen bevorzugt und andere übergeht. Positionen werden auf der Grundlage von Klientelismus, Vetternwirtschaft oder Ämterkauf vergeben. Bestechung und Vetternwirtschaft bestimmen also die Besetzung von Ämtern in Nigerias öffentlichem Sektor. Darüber hinaus hat das Regime nicht versucht, eine integrative Verwaltung aufzubauen, indem es Akteur*innen aus anderen politischen Parteien einbezog. Regimegegner*innen kritisierten dies mehrfach, um die Wähler*innen darauf aufmerksam zu machen, dass solche Personen für politische Ämter nicht länger tragbar sind. So könnten die Glaubwürdigkeit der Regierungspartei und damit ihre Chancen, wieder an die Macht zu kommen, schwinden.

Das von der Vorgängerregierung übernommene Sicherheitsproblem hat sich in den acht Jahren der Amtszeit der derzeitigen Regierung noch stärker bemerkbar gemacht, obwohl das Regime mit dem Wahlversprechen angetreten war, die innere Sicherheit zu verbessern. Noch 2015 waren die Aufstände im Nordosten in aller Munde, heute sind Aufständische überall im Land aktiv. Gegenwärtig muss das Land Bandit*innen, Entführer*innen, verschiedene Aufständischengruppen und wiederaufkeimende Formen von Kriminalität in den Griff bekommen. Der Regierung scheinen hier die Ideen ausgegangen zu sein. Bei den Wahlen kann sich das auf zweierlei Weise auswirken. Zum einen werden manche Wähler*innen nur wählen gehen, wenn Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden; wie 2015, als eine Mehrheit für den APC (All Progressive Congress) stimmte. Zweitens könnten Sicherheitsprobleme die Wahlen an einigen Orten empfindlich stören. Die Einschätzung der CLEEN Foundation, einer nigerianischen Nichtregierungsorganisation, verdeutlicht den Ernst der Lage: Bei ihrem «2023 Election Security Threat Assessment» fand die Organisation heraus, dass nur die zwei Bundesstaaten Jigawa und Kano sowie das FCT (Federal Capital Territory) für die Wähler*innen sicher sein werden, während 13 Bundesstaaten durchweg anfällig für gewaltsame Störungen sind, nämlich Sokoto, Kebbi, Niger, Benue, Gombe, Bauchi, Plateau, Nasarawa, Taraba, Edo, Delta, Akwa Ibom und Abia. In den übrigen 21 Staaten waren einzelne Gebiete besonders von Gewalttaten betroffen.

Die wiederkehrenden gewerkschaftlichen Arbeitskämpfe zeigen auch, dass das Regime nicht in der Lage ist, die drängenden nationalen Probleme zu bewältigen. Das prominenteste Beispiel ist der Streik der Academic Staff Union of Universities, eines Ablegers des Nigerian Labour Congress (ASUU). Dieser Streik dauerte acht Monate, weil der Staat sich weigerte, den Hochschulmitarbeiter*innen ihre tariflich ausgehandelten Ansprüche zu garantieren. Das könnte zu einer massiven Unterstützung der politischen Oppositionsparteien durch die enttäuschten Student*innen und zu einem Stimmverlust für die Regierungspartei führen.

Die Präsidentschaftskandidat*innen

Es gibt 69 registrierte politische Parteien in Nigeria, aber nur 18 von ihnen stellen Kandidat*innen für das erste Amt im Land auf. Der Grund dafür könnte in einer besseren finanziellen Aufstellung liegen oder in verdeckten Allianzen zwischen größeren und kleineren Parteien. Von den Parteien, die Kandidat*innen aufgestellt haben, sind die fünf größten die PDP, APC, LP, NNPP und die PRP/AAC. Um welche Personen handelt es sich hier und welche ideologischen Überzeugungen vertreten sie?

Der Präsidentschaftskandidat der Peoples Democratic Party (PDP) ist Atiku Abubakar, ein 77-jähriger ehemaliger Zollbeamter. Der Geschäftsmann und Politiker war von 1999 bis 2007, während der Präsidentschaft Olusegun Obasanjos Vizepräsident Nigerias. Die Partei und ihr Kandidat vertreten die Überzeugung, dass der freie Markt Motor der Entwicklung sein sollte. Abubakar setzt sich für die Privatisierung von Dienstleistungen, Unternehmen und Vermögensgegenständen des öffentlichen Sektors ein. Die PDP hat Anhänger*innen im ganzen Land und da Abubakar aus Nordnigeria stammt, wird er wahrscheinlich Stimmen von dort, aus Mittelnigeria sowie eine beträchtliche Anzahl von Stimmen aus dem Osten erhalten, von wo sein Stellvertreter Ifeanyi Yakowa, der derzeitige Gouverneur des Bundesstaates Delta, herstammt. Als Wirtschaftsmagnat ist er an Investitionen im In- und Ausland beteiligt und hat während des Wahlkampfs zahlreiche Reisen unternommen, um internationale Partner und Regierungen für seine Präsidentschaftsambitionen zu gewinnen. Seine außenpolitische Haltung wird wahrscheinlich prowestlich sein, wobei er den Blick auch stark nach China wendet.

Bola Ahmed Adekunle Tinubu ist der Präsidentschaftskandidat des All Progressive Congress (APC) und soll 71 Jahre alt sein. Er ist ausgebildeter Buchhalter und Politiker. Von 1999 bis 2007 war er Gouverneur des Bundesstaates Lagos und in der Dritten Republik Senator für Lagos West. Nach der Annullierung der Wahlen vom 12. Juni 1993 wurde er ein wichtiger Vertreter der National Democratic Coalition (NADECO), die sich für die Rückgabe des Mandats an den Wahlgewinner einsetzte und für die Wiedereinsetzung der demokratischen Regierungsform in Nigeria im Jahr 1999 kämpfte.

Er ist ein Verfechter marktwirtschaftlicher Reformen wie der Disziplinierung von Gewerkschaften sowie der Abschaffung von Kraftstoffsubventionen, insbesondere für Erdölprodukte. Die Partei könnte in einigen westlichen Bundesstaaten, in seiner Heimatstadt Lagos, sowie in einigen Teilen des Nordens Stimmen erhalten. Viele Wahlbeobachter*innen gehen davon aus, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und dem Präsidentschaftskandidaten der PDP geben wird. Sein Alter und sein Gesundheitszustand verschaffen ihm dabei jedoch Nachteile. Sollte er die Wahlen gewinnen, wird er sich außenpolitisch nach Westen orientieren.

Der Kandidat der Labour Party (LP), der 62-jährige Peter Gregory Obi, ist Geschäftsmann und Politiker. Er war von März bis November 2006, von Februar bis Mai 2007 und von Juni 2007 bis März 2014 Gouverneur des Bundesstaates Anambra. Er wechselte von der PDP, für die er als Präsidentschaftskandidat antrat, zur Labour Party, weil er die PDP für nicht demokratisch genug hielt, um ihm einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Die Labour Party ist eine fortschrittliche, arbeitnehmerfreundliche, wohlfahrtsstaatlich orientierte politische Organisation, auf die Verbesserung des Wohlstands des nigerianischen Volkes und seine Befreiung von Unterdrückung und Armut bedacht. Der Kandidat hält jedoch den Markt für den Motor der Entwicklung – eine Ideologie, die einen Gegensatz zu derjenigen der Partei bildet. Er ist Populist, weil er sich für einen disziplinierteren und effizienteren Staat mit niedrigen Verwaltungskosten einsetzen will. Es ist unklar, wie er die Forderungen der Arbeiterbewegung, aus der die LP hervorgegangen ist, mit seiner Marktorientierung in Einklang bringen will. Sollte er an die Macht kommen, wird auch er sich außenpolitisch am Westen orientieren. Seine Unterstützungsbasis setzt sich aus der städtischen Jugend und vor allem aus Student*innen und arbeitslosen Jugendlichen zusammen.

Der Präsidentschaftskandidat der New Nigeria Peoples Party (NNPP) ist der 64-jährige Alhaji Rabiu Musa Kwankoso. Er war von 1999 bis 2003 und von 2011 bis 2015 Gouverneur des Staates Kano und von 2003 bis 2007 Verteidigungsminister unter der Führung des früheren Präsidenten Olusegun Obasanjo. 2015 wurde er in den Senat gewählt. Er wirkte also gleichzeitig für die PDP und den APC. Derzeit ist er Vorsitzender der New Nigeria Peoples Party, die ihre Basis in Kano und im Nordwesten des Landes hat, wo die Partei, die ideologisch den ärmeren Schichten und Landwirt*innen nahesteht, ihm die Unterstützung der armen Stadt- und Landbevölkerung Nordnigerias einbrachte.

Die Peoples Redemption Party (PRP) wird vom 60-jährigen Abiola Latifu Kolawole vertreten – Sohn des verstorbenen Chief Moshood Kashimawo Olawale (MKO) Abiola, des gefeierten Siegers der Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 1993. Er war Geschäftsführer bei Concord Airlines und bei Summit Oil, einer Ölgesellschaft in Nigeria. Seine Schulbildung erhielt er in Nigeria und den USA. Die PRP hat sich die Befreiung der Armen und Unterdrückten auf die Fahnen geschrieben.

Der 52 Jahre alte Sowore Omoyele Stephen ist der Gründer des African Action Congress (AAC). Er begann als Aktivist in einer universitären Studierendenvereinigung, ist Menschenrechtsaktivist und Gründer der Online-Nachrichtenagentur Sahara Reporters mit Sitz in New York, die sich gegen Korruption und repressive Regierungspolitik in Nigeria einsetzt. Er gründete den AAC, um bei den Parlamentswahlen 2023 für das Amt des Präsidenten kandidieren zu können. Sowore wurde mehrmals von den staatlichen Sicherheitsbehörden verhaftet, weil er zur Revolution aufrief oder an Demonstrationen von Studierenden gegen den Versuch der Regierung, IWF-Kredite für die Ölpipeline einzusetzen, teilnahm. Er ist populistisch eingestellt und befürwortet staatliche Interventionen. Seine Anhänger sind Student*innen und Jugendliche, vor allem im Südwesten.

Die anderen politischen Parteien sind entweder schlecht organisiert oder haben Schwächen im Bereich der Finanzen oder der Parteiarbeit. Einige haben sich größeren Parteien angeschlossen und unterstützen diese bei ihren Ambitionen auf das Präsidentenamt oder Gouverneursposten. Andere bewahren sich ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und arbeiten weiterhin in der Opposition. Diese Parteien, die noch auf keiner Ebene des Staates vertreten sind, werden von der Wahlleitung im Einklang mit gesetzlichen Bestimmungen nicht zugelassen. Sie arbeiten häufig im Rahmen des Inter-Party Advisory Committee (IPAC) von Nigeria.

Die Linke innerhalb der politischen Landschaft

Die Linke ist nicht einig und stark genug, um eine Alternative zu den herrschenden Eliten zu bieten, die derzeit den Staatsapparat verwalten. Aus diesem Grund wurden einige Kader aufgerufen, den All Progressive Congress zu gründen, der sich 2014 als Bündnis aus wenigen politischen Parteien formierte, um bei den Wahlen 2015 anzutreten. Nach den Wahlen erhielten einige Linke strategische Positionen auf unterschiedlichen Ebenen in der Regierung von Präsident Buhari. Nur wenige leisteten einen bedeutenden Beitrag, während andere in den politischen Prozessen auf Bundes- und Landesebene an den Rand gedrängt wurden.

Ziel der Gründung der Labour Party durch den Nigeria Labour Congress war es, ein Sammelbecken für eine starke Linke zu bilden, die sich diese Partei aneignen und um die Macht kämpfen sollte. Das trat aber nicht ein. Stattdessen machen sich bürgerliche Politiker*innen, die in anderen Parteien scheiterten, die Organisation zunutze, um sich um politische Ämter bewerben zu können. Tatsächlich haben einige Politiker*innen sich auf diese Weise Ämter gesichert, die sie später aber wieder aufgaben. Wir respektieren die Bemühungen einiger Linker, die als Einzelpersonen oder als Gruppen Parteien gegründet und so Aufmerksamkeit auf nationale Themen gelenkt haben. 2023 ist die Linke im politischen Rennen nur am Rande präsent, da sie in vielen Bundesstaaten kaum vertreten ist. Es gab Hoffnungen, dass eine Art von Zusammenschluss zwischen einer Fraktion der Peoples’ Redemption Party (PRP) und der von Sowore geführten AAC bei den Wahlen eine Rolle spielen könnte, aber ihre prognostizierten Ergebnisse für 2023 sind gering. Die Linke wird erst etwas bewirken, wenn sie es schafft, zu einer Einheit zu finden.

Prognosen

Da das Land sich bereits auf die erste Phase der Wahlen am 25. Februar vorbereitet, können einige Vorhersagen gemacht werden. Die Leistung der Wahlkommission INEC bei der Durchführung der Wahlen wird sich allgemein verbessern. Es wird nur wenige Pannen geben, die dann entweder auf menschliches Versagen oder auf vorsätzliche politisch motivierte Sabotage seitens einiger Mitarbeiter*innen zurückzuführen sein werden. Dazu kann auch die Manipulation von Wahlunterlagen gehören. Wir weisen darauf hin, damit die INEC sicherstellen kann, dass die Auswahl sowie der Einsatz von festen und kurzfristig Beschäftigten möglichst transparent erfolgt.  

In den nächsten zwei Wochen wird es zu weiteren politischen Umorientierungen kommen, die sich in Abwanderungen von Parteimitgliedern und -anhänger*innen äußern werden. Unentschlossene Wähler*innen werden sich entscheiden müssen, wem sie ihre Stimme geben wollen. Dies wird parteiübergreifend geschehen. 

Die Wahlbeteiligung in Gebieten, die weniger von gewalttätigen Übergriffen betroffen sind, könnte hoch sein, da der Wahlgang dort nicht lebensgefährlich ist. Das frühere und gegenwärtige Ausmaß der Gewalt wird, wie oben bereits erwähnt, dennoch abschreckende Wirkung haben, insbesondere im Nordosten, im Südosten und in Teilen des zentralen Nordens. 

Das Wahlverhalten wird sich so gestalten, dass nach Parteilinie gewählt wird, bestimmte Kandidat*innen gewählt werden und die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen die Spaltung des Landes entlang regionaler Linien weiter vertiefen werden, wobei der nördliche Teil des Landes für die PDP, der Westen für die APC und der Osten für die LP/APGA stimmen werden. Ethnische und religiöse Faktoren werden hier eine wichtige Rolle spielen. Die Wahlergebnisse der Bundesstaaten bei den Gouverneurs- und Parlamentswahlen könnten einen anderen Trend widerspiegeln, da die Wähler*innen wahrscheinlich Persönlichkeiten oder Parteien wählen werden.

Eine funktionierende Demokratie setzt voraus, dass die Wahlergebnisse von den politischen Parteien respektiert werden. Wenn der Wahlablauf transparent ist, wird es nur wenige Beschwerden und daher auch nur wenige Gerichtsverfahren von Personen geben, die sich im Wahlprozess betrogen fühlen.


[1] SARS steht für Special Anti-Robbery Squad – eine gewalttätige nigerianische Polizeieinheit mit einer langen Historie von Übergriffen auf Bürger*innen wie zum Beispiel illegale Durchsuchungen, unrechtmäßige Verhaftung und Verwahrung, extralegale Hinrichtungen, sexuelle Belästigung von Frauen und Misshandlung junger männlicher Nigerianer.

[2] Die Zahl der Getöteten ist immer noch umstritten. Es sollen 51 Zivilist*innen, 11 Polizist*innen und 7 Soldat*innen gewesen sein. Laut BBC sprach «Präsident Buhari von 69 Toten bei den Unruhen». BBC. 23 Oktober 2020.

[3] Jugendliche bilden den Großteil der Anhängerschaft des Präsidentschaftskandidaten der LP, Peter Obi.

[4] Diese Kampagne wurde von YIAGA-Africa (einer jugendnahen NGO) durchgeführt. Überdurchschnittlich viele Jugendliche ließen sich landesweit als Wähler*innen registrieren.