Nachricht | Die Werkbundsiedlung am Weißenhof; Stuttgart 2022

Lesenswerte Publikation erschienen

Information

Die im Sommer 1927 eröffnete Weißenhofsiedlung in Stuttgart ist heute ein wichtiges Wahrzeichen der Architekturgeschichte. Sie gilt als Symbol des «Durchbruchs zur Moderne» und wurde von der württembergischen Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbundes(DWB) initiiert. Der 1907 gegründete DWB wollte vor allem die Qualität, Materialgerechtigkeit und Funktionalität bei der künstlerischen Gestaltung von industriellen Produkten fördern, und damit die Wirtschaftskraft stärken. Industrielle Produkte, die besser gestaltet werden sollten, wurden sehr breit gefasst: «Vom Sofakissen bis zum Städtebau» (so Hermann Muthesiusbereits 1912).

Viele seinerzeit berühmte und fortschrittliche Architekten gestalteten in der Siedlung sowohl die Häuser, als auch teilweise die Inneneinrichtungen. Bei der Innenausstattung (incl. der Möblierung) stand, ganz im Sinne der Ideen des «Neuen Bauens» die Funktionalität im Vordergrund. Es beteiligten sich unter anderem Peter Behrens, Walter Gropius, J.J.P. Oud, Hans Poelzig, Hans Scharoun, Mart Stamund Max Taut. Die Leitung hatte Mies van der Rohe, der dann im Jahr 1930 der dritte und letzte Direktor des Bauhauses werden sollte. Viele der Beteiligten hatte einige Jahre vorher bereits in avantgardistischen Zusammenschlüssen, wie etwa der Novembergruppeoder der 1926 gegründeten Gruppe «Der Ring» zusammengearbeitet.

In der hier nun vorliegenden, nach 100 Jahre zeitnah(Stuttgart 2021) zweiten Publikation der rührigen Stuttgarter Gruppe des DWB stehen aber weniger die 33 Häuser selbst, sondern drei andere Themenkreise im Fokus: die Inneneinrichtungen der Häuser, mit dem Schwerpunkt «Sitzen», dann das Kulturleben im Stuttgart jener Jahre, was dann drittens zu einigen Personen, die näher vorgestellt werden, überleitet.

Mia Seeger(1903-1991) ist ab 1924 Mitarbeiterin des DWB, ihr Leben wird bis Mitte der 1920er Jahre skizziert, Teil zwei dieses Beitrages soll dann in der nächsten Publikation in der Weißenhof-Reihe folgen. Poelzig (1869-1936) war von 1919 bis 1921 Vorsitzender des DWB gewesen, und zum Zeitpunkt der Ausstellung schon ein bekannter und lange aktiver Architekt. Der heute eher unbekannte Fotograf und Gestalter Werner Graeff(1901-1978) studierte 1921 am Bauhaus in Weimar und ist einer der «Künstleringenieure» jener Jahre. Er ist der Pressechef der Ausstellung, der mit seinen von den Ideen der neuen Gestaltung geprägten Publikationen das Bild (von) der Weißenhof-Ausstellung absichtsvoll mit prägt. Vorsitzender des DWB von 1926–1932 und damit auch zum Zeitpunkt der Ausstellung ist der linksliberale Industrielle Peter Bruckmann(1865-1937) aus dem nördlich von Stuttgart gelegenen Heilbronn. In Stuttgart gibt es ein Landesgewerbeamt - es wirkt für technische Innovation und gestalterische Reform, verfügt über eine Patentsammlung und veranstaltet selbst viele Ausstellungen. Seine Bedeutung für die Weißenhof-Ausstellung und deren Zustandekommen wird ebenfalls dargestellt.

Die Publikation bietet keine umfassende Darstellung, das ist auch nicht ihr Anspruch. Sie beleuchtet aber einige Aspekte der institutionellen Rahmenbedingungen und der personellen Netzwerke, die für diese wichtige und folgenreiche Ausstellung von Bedeutung waren. Die Abbildungen und Illustrationen steigern den Wert der Veröffentlichung.

Deutscher Werkbund Baden-Württemberg, Stadtgruppe Stuttgart (Hrsg.): Die Werkbundsiedlung am Weißenhof. Vom Neuen Sitzen und Gestalten; Verlag avedition, Stuttgart 2023, 110 Seiten, 120 Abb., 24 Euro