Nachricht | Arbeit / Gewerkschaften - Globalisierung - Gewerkschaftliche Kämpfe Coca-Cola in Schwierigkeiten

Bei der immer mächtiger werdenden «Coca-Cola Company» wächst der Protest

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Für eine Lohnerhöhung von 400 Euro streiken Arbeiter*innen vor dem Werktor des Coca-Cola-Standorts in Halle, 3.2.2023.
Für eine Lohnerhöhung von 400 Euro streiken Arbeiter*innen vor dem Werktor des Coca-Cola-Standorts in Halle, 3.2.2023 Foto: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Das transnationale Unternehmerkapital ist seit einigen Jahren dabei, durch die Erneuerung der geografischen Organisation der Warenproduktion und der Zirkulation von Waren und Dienstleistungen, Profite anzuhäufen. Indem Großunternehmen und -konzerne enormen Mehrwert extrahieren, realisieren sie große Profite, die dialektisch die Basis für eine weitere Expansion der Kapitalverwertung auf den Finanzmärkten bilden. Transnationale Konzerne haben in den letzten Jahrzenten ihr Kapital so konzentriert und zentralisiert, dass sie eine Monopolstellung auf den internationalen Märkten einnehmen. Sie wirken als unglaubliche Kräfte, die die Arbeitskraft in vielen Regionen der Welt disziplinieren und ausbeuten. Die Coca-Cola Company gilt als Aushängeschild dieser Entwicklungen und hat sich zum Symbol der Macht des transnationalen Kapitals entwickelt.

Federico Tomasone arbeitet als Projektmanager im Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brüssel.

Um auf diese Strategien des Unternehmerkapitals zu reagieren, ist es dringend notwendig, den Widerstand in zwei Hinsichten zu reorganisieren: Als Erstes muss der Schulterschluss zwischen Kämpfen in der Produktion auf internationaler Ebene gefördert werden; als Zweites die Zusammenarbeit mit progressiven Kämpfen außerhalb der Fabriken, die von sozialen Bewegungen und politischen Kräften getragen werden, gestärkt werden. Der Weg hin zu diesem Ziel ist die Eröffnung von Begegnungs- und Diskussionsräumen für Arbeiter*innen, Vertreter*innen sozialer Bewegungen, politischer Kräfte und Intellektuelle aus verschiedenen Regionen.

Seit 2011 unterstützt die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Deutschland und seit 2014 durch das Brüsseler Büro neben vielen Aktivitäten rund um Arbeiterkämpfe und soziale Bewegungen insbesondere die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in einem der Symbole der Ausbeutung von Arbeit und Natur: der Coca Cola Company.

Ausgehend von der westeuropäischen Region begleitete das Büro die Bildung eines kollektiven Interessenverbundes der Abfüller in der Coca Cola Company. Diese Arbeit gipfelte in den vorbereitenden Schritten zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung begleitete die Arbeitnehmer*innen in ihrem Kampf für die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats über mehreren Jahre hinweg bis zur Ratifizierung der Vereinbarung. Dieser Prozess war für die Gewerkschaften in Europa von großer Bedeutung. Angesichts der großen Umstrukturierung durch die Unternehmensleitung war der EBR ein sehr nützliches Instrument, um Informationen über die Entscheidungen der Unternehmensleitung zu erhalten, und einer der wenigen Momente, in denen ein Austausch und eine Diskussion zwischen Kolleg*innen aus den verschiedenen beteiligten Ländern möglich war. Schließlich dient der EBR als Verhandlungskammer für eine kohärente Strategie zwischen den Gewerkschaften der verschiedenen Länder und ermöglicht es, gegenüber der Unternehmensleitung mit einer Stimme zu sprechen. Die von der Stiftung über das Brüsseler Büro geförderten und unterstützten Treffen haben in diesem Sinne in erster Linie einen Austausch zwischen den verschiedenen Gewerkschafter*innen und Arbeitnehmervertretern zu einer Zeit ermöglicht, als es noch keinen wirklichen EBR zum Informationsaustausch und zur Koordinierung gab. Zum anderen konnten die Gewerkschaften so eine Verhandlungsstrategie sowohl für die Einrichtung des EBR als auch für die nächsten Schritte entwickeln.  Dieser Prozess ermöglichte trotz der durch die Machtverhältnisse mit dem Management auferlegten Grenzen kompaktere Fortschritte und Momente der Solidarität unter den Arbeitnehmer*innen. Ein Beispiel für diesen letzten Punkt ist Unterstützung der Arbeiter*innen in Fuenlabrada bei Madrid während ihres langen Kampfes, der mit einem Sieg endete so wie die gemeinsame Kundgebung vor dem Hauptsitz von Coca-Cola Europacific Partners in Brüssel.

In diesem Sinne veranstaltete die RLS Ende November 2019 gemeinsam mit der FNAF_CGT, der deutschen NGG und den europäischen Arbeitnehmer*innenvertretungen eine Veranstaltung unter dem Titel «Coca Cola in Struggle». Ausgehend von länderspezifischen Fällen, bot die Veranstaltung eine gemeinsame Plattform zum Austausch über Problematiken, mit denen die Gewerkschaften in allen Ländern konfrontiert sind. Die Reduzierung von Arbeitsplätzen, die Einführung flexibler Arbeitszeiten und die Nutzung der Digitalisierung zur Vereinfachung und Optimierung der Kontrolle der Produktionsverfahren wurden eindeutig als Kernthemen identifiziert. Darüber hinaus wurde von Vertreter*innen sozialer Bewegungen, die gegen die Wasserprivatisierung vor allem in Südamerika kämpfen, auf die enormen Umweltauswirkungen des Unternehmens hingewiesen.

Der Abbau von Arbeitsplätzen und die Inkaufnahme größerer Umweltschäden sind tief in der Strategie des Unternehmens verwurzelt. Coca-Cola verfolgt seit Jahren eine Strategie der Auslagerung und Diversifizierung seiner Aktivitäten durch den Erwerb einer großen Anzahl von Marken in der ganzen Welt. Diese Kapitalkonzentration wirkt sich positiv auf den Aktienmarkt aus, da sie das Unternehmen fest an das Finanzkapital bindet. Um diese positive Stellung auf den Finanzmärkten aufrechtzuerhalten, muss das Unternehmen immer höhere Gewinnspannen erzielen, um andere Marken aufzukaufen und immer mehr Anteile an die Investor*innen auszuschütten. Während also Aktionär*innen unglaublich hohe Anteile erhalten, sind die Beschäftigten in den Coca-Cola angehörigen Unternehmen, einer stetigen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und einer Kürzung der Gehälter ausgesetzt. Die völlige Interessendivergenz und der daraus resultierende Kampf zwischen Kapitaleigner*innen und Arbeitnehmer*innen ist offensichtlich und unausweichlich.

Diese ausbeuterischen Bedingungen in den Fabriken haben sich während der Pandemie zusätzlichen verschärft. Der Rückgang der Gewinne hat vor allem die Umstrukturierungsprozesse durch Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen beschleunigt, um die Last des Gewinnverlusts vom Kapital auf die Arbeit abzuwälzen. Nach Angaben der Gewerkschaften hat das Unternehmen in mehreren Ländern die Ausnahmensituation genutzt, um die gewerkschaftlichen Rechte zu untergraben.

Als die Infektionszahlen im Frühling 2022 zurückgingen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelockert wurden, kam es zu einem starken Wiederaufleben der Kämpfe. Seit Mitte 2022 ist Coca-Cola in eine Kette von Streiks und Protesten verwickelt. In ganz Europa wurden Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen laut. Es begann in Großbritannien mit Protesten gegen Lohnkürzungen. Einige Monate später kam es in Frankreich zu einer von den Gewerkschaften koordinierten Streikwelle in allen französischen Produktionsstätten, die sich gegen die Stagnation der Löhne für die Beschäftigten bei gleichzeitiger Auszahlung großzügiger Dividenden an Investor*innen richtete. In ähnlicher Weise kämpfen die Beschäftigten in Deutschland seit Anfang 2023 für Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen an allen Produktionsstandorten des Landes. Zu diesen Arbeitskämpfen kommen noch die Kämpfe für Klimagerechtigkeit hinzu. In Nogara, in der norditalienischen Provinz Verona, haben sich Gewerkschaften und Klimabewegungen zusammengeschlossen um gegen die beständige Entnahme von Grundwasser durch Coca-Cola zu lächerlichen Preisen zu protestieren, obwohl die Bevölkerung von einer dramatischen Dürre und Wasserrationierung betroffen ist.

Diese Kämpfe innerhalb der Coca-Cola Company sind Teil der wachsenden Protestwelle, die 2022 mit dem Aufflammen der Inflation und einer kontinuierlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen während und nach der Pandemie begann. Die Polarisierung zwischen Kapital und Arbeit und die überwältigende Macht des Ersteren in der heutigen Welt führt zu immer tieferen Rissen im sozialen Gefüge und macht einen friedlichen gesellschaftlichen Zusammenhalt fast unmöglich.

Die Gemeinsamkeiten all dieser Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne sowie gegen den Extraktivismus sehen ihren Ursprung im Kampf um materielle Fragen, wie ökonomische Grundsicherung oder den Zugang zu Wasser. Darüber hinaus verbindet sie auch ein Gefühl der Ausbeutung und Ungerechtigkeit.

Diese enorme Anhäufung von Reichtum geht mit einer tiefen Ausbeutung und einer Verschärfung der Arbeitsdisziplin einher. Ebenso ist dieser Mechanismus die Ursache für eine unverantwortliche Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die das Ökosystem unwiderruflich gefährdet. Während der Reichtum der herrschenden Klasse unanständig wächst, wächst auch die Besorgnis und Unzufriedenheit unter den Arbeitnehmer*innen und in immer größeren Teilen der Bevölkerung auf globaler Ebene. Auf wenn in diskontinuierlicher und zersplitterter Weise, formiert sich der Widerstand innerhalb der Belegschaften und in den Gemeinschaften. Doch ist ihre Kraft gefährdet. Transnationale Konzerne nutzen die geografische Verlagerung ihrer Produktion und Warenzirkulation dank leistungsfähiger logistischer Einrichtungen, die Erhöhung politischen Drucks und sozialer Repression, um jeden Versuch dieses Kräfteverhältnisses zu ändern, zu unterdrücken.

Es ist daher zweifellos die Aufgabe der Organisationen der arbeitenden Klasse, eine Brücke zwischen den einzelnen Forderungen zu schlagen und eine gemeinsame Basis zu schaffen, um solchen Wirtschaftsgiganten selbstbewusst entgegenzutreten. Der Zusammenhalt und die Stärke, die nötig sind, um einer solch unverhältnismäßigen Macht gegenüberzutreten, ergeben sich aus der Einheit zwischen den verschiedenen Kämpfen ebenso wie aus einer kollektiven und gemeinsamen Vision. Die Schaffung offener Diskussionsräume für Arbeitnehmer*innen und ihre Organisationen sowie die Entwicklung einiger Elemente der Reflexion, um sich für eine breitere und systemische Vision einzusetzen, sind gleichermaßen wichtig. Es geht also nicht nur darum das kollektive, gesellschaftliche Bewusstsein über Umwelt- und Arbeiter*innen-Kämpfe zu stärken, sondern auch darum, die einzelnen Kämpfe in einen gemeinsamen Horizont einzubetten.

Bei Coca-Cola geht der Kampf weiter.